Er kämpfte gegen § 175: Jurist Holbein soll rehabilitiert werden
50 Persönlichkeiten fordern die Rehabilitierung von Hans Holbein und die Neugründung der Holbein-Stiftung
Anlässlich des 50. Jahrestages der Reform des «Schwulenparagrafen» 175 fordern über 50 Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Politik und Gesellschaft die Rehabilitierung des thüringischen Juristen Hans Holbein (1864-1929).
Holbein war ein Mitstreiter des Sexualreformers Magnus Hirschfeld und setzte sich zeit seines Lebens für die Abschaffung des § 175 StGB ein. «Kämpfer für Freiheit des 3. Geschlechts» stand auf seinem Grabstein in Weimar, den die Nationalsozialisten zerstörten. Die im Jahr 1919 gegründete Holbein-Stiftung, mit der die Universität Jena einen Lehrstuhl zur Erforschung der Homo- und Bisexualität einrichten sollte, wurde zweckentfremdet. Das Geld stellte man stattdessen «der pathologischen Anstalt der Universität zur Verfügung».
Rehabilitierung für Verurteilte nach § 175 – „ein lange überfälliges Signal“
Die Uni Jena verweigerte nach Holbeins Tod im Jahr 1929 die Einrichtung des Lehrstuhls und schlug die Erbschaft aus, weil, so die Begründung, die Universität ansonsten «zu einem Sammelpunkt unerwünschter Elemente würde». Das hinderte sie freilich nicht, sich das verbliebene Stiftungsvermögen nach 1933 im Zusammenspiel mit den NS-Machthabern anzueignen, wie es in dem Aufruf heisst.
«Die Verfolgung Homosexueller im Nationalsozialismus wurde viel zu lange tabuisiert», erklärte die Schirmherrin der Initiative, Ministerpräsidentin a. D. des Freistaates Thüringen Christine Lieberknecht (CDU). «Das Leid der Opfer lässt sich nicht wiedergutmachen. Doch wir können ihr Andenken pflegen und das Vermächtnis jener bewahren, die die Nazis aus unserem Gedächtnis löschen wollten. Zu ihnen gehört Dr. Hans Holbein, ein mutiger Mann aus Thüringen, ein ‚Kämpfer für Freiheit des 3. Geschlechts‘, wie es einst auf seinem Grabstein stand. Seine Rehabilitierung sollte uns eine Verpflichtung sein, als ein wichtiges gemeinschaftliches Zeichen für Gegenwart und Zukunft.»
Einrichtung eines Forschungszentrums zur Homosexualität an der Uni Jena gefordert Im Aufruf wird die Wiederherstellung des Grabes, die Neugründung der Holbein-Stiftung und die Einrichtung eines Forschungszentrums zur Homosexualität an der Universität Jena gefordert. Zu den Erstunterzeichnern zählen hochrangige Vertreterinnen und Vertreter aus Wissenschaft, Politik und Gesellschaft, u. a. die Direktoren der Stiftungen Topografie des Terrors und Denkmal für die ermordeten Juden Europas, die Leiter der Gedenkstätte Deutscher Widerstand, der Vorstand des Lesben- und Schwulenverbandes Berlin-Brandenburg und die Bundesjustizministerin a. D. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), ferner die queerpolitischen Specher*innen Doris Achelwilm, (LINKE), Jens Brandenburg (FDP) und Karl-Heinz Brunner (SPD) sowie Kai Gehring (GRÜNE), Sprecher für Forschung und Wissenschaft.
Vor 25 Jahren, am 11. Juni 1994 wurde §175 aus dem deutschen Strafgesetzbuch gestrichen. Erst 2017 konnte die Aufhebung der meisten nach 1945 erfolgten Verurteilungen wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen erkämpft und Entschädigungen erstritten werden. Bei deren Ausgestaltung in der Praxis sind immer noch Verbesserungen nötig.
Bisher nur acht §175-Opfer in Berlin rehabilitiert – «beschämend»
Zur Geschichte der Unterdrückung gehörten auch die Eingriffe an intergeschlechtlichen Menschen, erklärte Helmut Metzner aus dem LSVD-Bundesvorstand: «Viele werden bis heute im Säuglings-, Kindes- oder Jugendalter ohne eigene Einwilligung medizinischen Zwangsbehandlungen unterzogen. Auch transgeschlechtliche Menschen mussten sich lange Zeit in Deutschland operativen Eingriffen unterziehen und sich sterilisieren lassen, um personenstandsrechtlich im empfundenen und gelebten Geschlecht Anerkennung zu finden. Diese vom Gesetzgeber erzwungenen Menschenrechtsverletzungen müssen endlich anerkannt und die Opfer entschädigt werden.»
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