So wenig Vertrauen geniesst die Polizei in der LGBTIQ-Community

Wie schädlich sind Berichte über rechte Netzwerke und die Vorliebe einiger Bundespolizist*innen für rechte Parteien für das Ansehen der Behörde?

Foto: AdobeStock
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Vieles ist in den letzten Jahren unternommen worden, um das Verhältnis zwischen Polizei und LGBTIQ-Community zu verbessern. Aber das Vertrauen in die Behörde, deren Mitarbeiter*innen «Freund und Helfer» sein sollen, ist nicht besonders ausgeprägt, zeigt die Umfrage auf MANNSCHAFT.com.

Es sei nachvollziehbar, als schwuler Mann oder lesbische Frau Hemmungen zu haben zur Polizei zu gehen, heisst es auf der Seite von PinkCop Schweiz, einem nach eigenen Angaben unabhängigen und schweizweiten Verein für Homosexuelle und trans Menschen bei der Polizei. Doch die Angst sei «in den meisten Fällen unbegründet. Aus der Stadt Zürich zum Beispiel können wir eine hohe Professionalität der Polizistinnen und Polizisten attestieren.» Auch aus anderen Kantonen habe man schon Gutes gehört. (Die Kolleg*innen in Österreich nennen sich GayCops.)

Auch in Deutschland sollte die Angst unbegründet sein. Dennoch sagt nur ein Drittel der MANNSCHAFT-User*innen, das Vertrauen sei gross – oder gar sehr gross. Bei der Umfrage, die bis zum 12. Februar lief, gaben 28 % Prozent an, ihr Vertrauen sei durchwachsen. Eine*r von fünf Leser*innen vertraut der Polizei gar nicht; immerhin 14 % sagen, ihre Einstellung zu der Behörde sei schon mal besser gewesen.

Der ehemalige Berliner Polizeipräsident Klaus Kandt drückte es einmal so aus: Die Polizei in Deutschland habe sich vom Verfolger der Community zum Partner entwickelt. In der Hauptstadt wurde viel dafür getan – es gibt je zwei hauptamtliche Ansprechpartner*innen für LGBTIQ bei der Polizei und bei der Staatsanwaltschaft. Auch bei der Hamburger Polizei hat man die LGBTIQ-Ansprechpersonen 2016 zu zwei hauptamtlichen Ämtern ausgebaut.

Berlin ist auch das einzige Bundesland, wo Gewalttaten gegen LGBTIQ ausdrücklich im Polizeibericht ausgewiesen werden. So wurde Vertrauen und Transparenz geschaffen – auch indem etwa die Ansprechpersonen und auch MANEO das schwule Anti-Gewalt-Projekt in Berlin im Rahmen der Ausbildung des mittleren und gehobenen Polizeivollzugsdienstes einen Seminartag LGBTIQ mitgestalten – die Teilnahme ist verpflichtend. Auch die Schweizer PinkCops geben zur LGBTIQ-Sensibilisierung in den Unterricht an der Zürcher und Genfer Polizeischule.

In Deutschland bekennt sich die Polizei vielerorts zur LGBTIQ-Community und hisst die Regenbogenflagge. In Thüringen wurde sie vor eineinhalb Jahren dafür aber als zu LGBTIQ-freundlich beschimpft (MANNSCHAFT berichtete). Ähnliches wiederholte sich im vergangenen Sommer in Berlin: Leyla Bilge, AfD-Mitglied aus Brandenburg, erklärte via Twitter: «Als Zeichen für Geisteskrankheiten stellen sich unsere ‚Beschützer‘ zur Show ! Deutschland das hast du nicht verdient!» (MANNSCHAFT berichtete).

Wie steht es mit dem Vertrauensverhältnis der Schweizer Community in Bezug auf die Polizei? Die Äusserungen der Zürcher Polizeivorsteherin Karin Rykart nach einem Übergriff auf ein schwules Paar waren wenig glücklich MANNSCHAFT berichtete. Und dass die Polizei im österreichischen Klagenfurt einem schwulen Paar, das homofeindlich beschimpft und angegriffen wurde, zunächst sagte, es gebe bei Auseinandersetzungen «immer zwei Seiten» und später auf Nachfrage meinte, zum Motiv könne man «keine Auskunft geben» (MANNSCHAFT berichtete), lässt ebenfalls aufhorchen.

Das sind möglicherweise Einzelfälle. Schwerwiegender wirken möglicherweise Berichte aus dem vergangenen Jahr über rechtsradikale Seilschaften in Hessen. Auch anderswo in Deutschland scheinen Teile der Polizei politisch nach rechts zu rutschen: Für keine andere Partei sitzen im Bundestag so viele Polizist*innen (und Soldat*innen) wie für die AfD, nämlich jede*r Siebte, berichtete ze.tt im vergangenen Jahr.

Zudem hat der stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Jörg Radek, bestätigt, dass in der Bundespolizei Mitarbeiter*innen mit rechtsnationalen Parteien sympathisieren. «Da ist bei vielen Beamten etwas in Schieflage geraten, was sich in Sympathien für das rechtsnationale Parteienspektrum ausdrückt», sagte Bundespolizist Radek kürzlich der Rheinischen Post.

In Deutschland gibt es rund 250.000 Polizist*innen. In Prozentzahlen ausgedrückt klinge es verschwindend gering, sagt der Bundesvorsitzende der Berufsvereinigung PolizeiGrün, Oliver von Dobrowolski, im MANNSCHAFT-Interview in Bezug auf die 38 Verdachtsfälle in Hessen. Aber: «Das ist nur eins von 16 Bundesländern, das kann man ja mal hochrechnen. Dazu kommt das Dunkelfeld, das gibt es immer im Bereich der Kriminalität. Bei Polizisten kommt noch dazu: Im Zweifel wissen die von Berufs wegen, wie man etwas verschleiern kann. Also würde ich auf drei- oder vierstellige Zahlen kommen, wenn ich das hochrechne, und das sind keinesfalls mehr Einzelfälle.»

Ich könnte es komplett nachvollziehen, dass Ängste vor einem Rückschritt entstehen.

Marco Klingberg, Polizeioberkommissar in Brandenburg, ist Vorsitzender des Landesverbandes lesbischer und schwuler Polizeibediensteter Berlin-Brandenburg (VelsPol), hat die Sorge, «dass die gute Arbeit der Polizei zunichte gemacht wird.» Man habe in den letzten Jahren eine sehr erfolgreiche Arbeit gemacht, auch in Zusammenarbeit mit den Ansprechpersonen in der Polizei in Brandenburg und Berlin.

«Ich könnte es komplett nachvollziehen, dass da Ängste vor einem Rückschritt entstehen», so Klingberg. Das mache die Arbeit, die sein Verband leistet, sehr schwierig.

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