Muri-Gümligen soll zur «queer-feministischen Hochburg» werden

An diesem Ziel arbeitet eine überparteiliche Arbeitsgruppe

Entsteht in Muri-Gümligen bald eine Regenbogenstrasse wie hier in Reykjavik? (Bild: Twitter/iceland)
Entsteht in Muri-Gümligen bald eine Regenbogenstrasse wie hier in Reykjavik? (Bild: Twitter/iceland)

Mit einer ganzen Reihe von Vorstössen wollen vier Parlamentarier*innen Muri-Gümligen zur queer-feministischsten Gemeinde der Schweiz machen. Zu den Ideen der überparteilichen Arbeitsgruppe gehören etwa genderneutrale Toiletten, die kostenlose Abgabe von Tampons und Binden in Schulhäusern und eine Regenbogenstrasse.

Würde man in einer Strassenumfrage nach der queer-feministischsten Gemeinde der Schweiz fragen, käme wohl den wenigsten Teilnehmer*innen spontan Muri-Gümligen in den Sinn. Doch ginge es nach den vier Mitgliedern einer überparteilichen Arbeitsgruppe des dortigen Grossen Gemeinderates, würde die Berner Gemeinde bald genau dafür landesweit bekannt sein. Das erklärte Ziel von Angelo Zaccaria, Eva Schmid, Vanessa Legler (alle SP) und Laura Bircher (FDP) ist es nämlich, Muri-Gümligen in eine «queer-feministische Hochburg» zu verwandeln.

Gruppenbildung nach Fahnenfrust Angefangen hat alles mit einer Enttäuschung. Im Vorfeld der Abstimmung zur Ehe für alle hatten Bern und andere Städte als Zeichen der Solidarität mit der LGBTIQ-Community Regenbogenfahnen aufgehängt. Muri-Gümligen tat dies nicht – das fanden die vier Parlamentarier*innen stossend. Nachdem sie mit einem gemeinsamen überparteilichen Vorstoss gescheitert waren, den Gemeinderat bezüglich der Fahnenthematik zum Umdenken zu bewegen, haben sie sich vorgenommen, mit gezielten politischen Aktionen die Gemeinde zu verändern.

Angelo Zaccaria
Angelo Zaccaria

«Denn gerade im Kleinen, auf der lokalen Ebene, wo es um die unmittelbaren Alltagsprobleme der Bürger*innen geht, kann queer-feministische Politik wirklich etwas bewirken», sagt Angelo Zaccaria gegenüber MANNSCHAFT. «Unser Ziel ist es denn auch, andere Kommunalpolitiker*innen in den Agglos und Landgemeinden zu motivieren, dieses Politikfeld nicht länger brach liegen zu lassen und sich verstärkt diesen Themen zu widmen.»

Bald wie in Reykjavik? Zu den Vorstössen gehört etwa die Forderung nach genderneutralen Toiletten in Schulhäusern und anderen öffentlichen Gebäuden und Anlagen der Gemeinde. In einer Motion forderten Zaccaria und Schmid weiter die kostenlose Abgabe von Tampons und Binden in Schulhäusern. In einer Interpellation erkundigte man sich ausserdem, wie im Rahmen von Rekrutierungsprozessen der Gemeindeverwaltung der Diversity-Aspekt berücksichtigt werde.

Demnächst will die Arbeitsgruppe mit einer Motion anregen, dass alle neu erbauten Strassen und Plätze so lange nach historischen Frauen und trans Menschen benannt werden, bis die Männernamen nicht mehr in der Überzahl sind. Ausserdem erwäge das Quartett die Forderung nach einer Regenbogenstrasse, wie es sie in der Innenstadt von Reykjavik oder nun auch in Oslo gibt (MANNSCHAFT berichtete).

Lebhafte Diskussionen Die Mühlen der Politik mahlen sehr langsam, sagt Angelo Zaccaria. Viele Vorstösse sind derzeit noch hängig. Dennoch gibt es erste Erfolge zu vermelden: So habe sich der Gemeinderat von Muri-Gümligen bereits sehr positiv zum Postulat zur Einführung von genderneutralen Toiletten geäussert und will eine Umsetzung angehen. Die Arbeitsgruppe sei zuversichtlich, dass das Geschäft auch im Parlament eine Mehrheit finde.

Wie wahrscheinlich ist es denn generell, dass die queer-feministischen Anliegen im Grossen Gemeinderat wohlwollend aufgenommen werden? Schliesslich gehört die Hälfte der 40 Sitze des Legislativgremiums der SVP und der FDP. Zaccaria sieht hier aber nicht unbedingt eine Frage der Parteizugehörigkeit. Die Gruppe habe aus allen politischen Lagern «sowohl Zuspruch als auch Kritik» erfahren. «Manchmal sind bürgerliche Politiker*innen viel aufgeschlossener, Linke wiederum viel engstirniger, als man erwarten würde», so der SP-Politiker.

Aber es zähle ohnehin nicht nur der Erfolg bei den Abstimmungen im Gemeinderat, erklärt Zaccaria weiter. «Inzwischen gibt es in der Gemeinde eine lebhafte Diskussion über queere und feministische Themen, die bis vor Kurzem auf der politischen Bühne kaum ein Thema waren – allein dafür hat es sich gelohnt.»

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