Kardinal Kasper: Missbrauch hat zur tiefsten Krise seit Reformation geführt

Der 90-Jährige spricht öffentlich über den Zustand der katholischen Kirche

Symbolfoto: Grant Whitty / Unsplash
Symbolfoto: Grant Whitty / Unsplash

Einer der einflussreichsten Kardinäle in Rom gesteht seine Beschämung über die Verbrechen der katholischen Kirche.

Walter Kasper sagt im Interview in der aktuellen Ausgabe der Wochenzeitung Die Zeit: «Geschämt habe ich mich, dass auch Priester Minderjährigen durch sexuellen Missbrauch für ihr ganzes Leben schweres Leid zugefügt haben und dass diese Taten oft auch noch vertuscht wurden.» Das widerspreche zutiefst der christlichen Botschaft vom Leben und von der Würde jedes Menschen. «Inzwischen hat der Missbrauch zur tiefsten Krise seit der Reformation geführt.»

Missbrauch
Missbrauch

Die Skandale sind diese Woche auch Gegenstand der Beratungen der Deutschen Bischofskonferenz in Dresden. Dort geht es zudem um Reformen und den «Synodalen Weg» (MANNSCHAFT berichtete).

Kardinal Kasper, Wegbereiter des amtierenden Papstes, verteidigt Franziskus gegen Kritik aus Deutschland: «Papst Franziskus will selbstverständlich Reformen.»

Vielen Anliegen des deutschen Synodalen Wegs könne Franziskus zustimmen, bei anderen habe er jedoch den Eindruck, dass sie die Einheit des Glaubens massiv gefährden. Solche «falschen Reformen» wolle und müsse der Papst bremsen. «Er trägt die Verantwortung für die Einheit der Kirche.»

«Jede Veränderung löst Verlustängste aus» Seit Amtsantritt von Franziskus vor zehn Jahren unterstützt Kasper dessen Reformagenda und machte sich dadurch Feinde unter konservativen Klerikern. Scharf weist der deutsche Kardinal nun Behauptungen zurück, Franziskus sei kein Erneuerer.

«Bevor es den Synodalen Weg überhaupt gab, forderte er Synodalität», so Kapser über Franziskus. «Alle wichtigen Themen des Synodalen Weges waren längst auf seiner Agenda: die Mitwirkung der Laien, der Abbau des Klerikalismus, die Förderung der Frauen im Dienst der Kirche, die Überwindung der Verbotsmoral und die Stärkung des Gewissens, die Achtung vor gleichgeschlechtlich orientierten Menschen, die Aufklärung des sexuellen und geistlichen Missbrauchs, die Reform des Kirchenrechts und der römischen Kurie.»

Über den innerkirchlichen Reformstreit sagt Kasper: «Jede Veränderung löst Verlustängste aus. Es gibt keinen Fortschritt, der nicht auch ein Verlust wäre. Das provoziert Widerstände.»



Walter Kasper begeht am kommenden Sonntag seinen 90. Geburtstag. Sechs Jahre älter als der kürzlich verstorbene Joseph Ratzinger galt Kasper lange Zeit als dessen liberaler Antipode.

Jetzt warnt er konservative und progressive Katholiken vor einer Spaltung: «Wir können die ins Wanken geratene Festungskirche nicht dadurch retten, dass wir sie zu einem wohnlichen Schloss oder zu einem einladenden Hotel für alle umbauen. Wir müssen die hochgezogenen Brücken der Festung herablassen, die Gräben zuschütten, uns zuerst selbst bekehren.»

Zuletzt ist Streit entbrannt, ob die Bibel in gendergerechter Sprache und mit Gendersternchen neu veröffentlicht werden sollte (MANNSCHAFT berichtete).

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