Gewalt gegen LGBTIQ in Bayern – Nur die Spitze des Eisbergs sichtbar

Erneut wird ein Aktionsplan gefordert

Michael Plaß, Leiter des Anti-Gewalt-Projekts (Foto: Mark Kamin)
Michael Plaß, Leiter des Anti-Gewalt-Projekts (Foto: Mark Kamin)

LGBTIQ erleben in Bayern tagtäglich Gewalt. Die Fachstelle Strong! im Sub München fordert deshalb einen Aktionsplan.

Mehr Gewalt? Das sei schwer zu sagen, meint die Diplom-Psychologin Bettina Glöggler. Die Zahlen der gemeldeten Übergriffe auf Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans, inter und queere Menschen in Bayern steigen zwar seit Jahren, aber es könne schlicht sein, dass sich einfach mehr Betroffene trauen, zu melden, was ihnen widerfahren ist.

«Die Leute werden da auch sensibler und haben mit der Fachstelle Strong! nun auch einen Platz, wo sie ihren Bedarf adressieren können», sagt die Diplom-Psychologin laut einer Pressemitteilung des Sub München. Glöggler leitet mit dem Pädagogen Michael Plaß im Schwulen Zentrum die LGBTI Fachstelle gegen Diskriminierung und Gewalt in Bayern, Strong! Dieser Tage haben sie ihren Jahresbericht für 2021 veröffentlicht. «Wer ihn liest, merkt schnell: Es besteht Handlungsbedarf», heisst es.

Für das vergangene Jahr erfasst Strong! 165 Vorfälle. Sie reichen von Beleidigungen (12 Fälle) über Bedrohung (29) und Tätlichkeiten (30) bis hin zu sexuellen Übergriffen und Vergewaltigung (29). Zum Beispiel hat letztes Jahr in München ein 18-Jähriger eine Schülerin beleidigt und angegriffen, weil sie und ihr Begleiter eine Regenbogenflagge mit sich trugen (MANNSCHAFT berichtete).

Tatsächlich erleben viele das eigene Zuhause als Ort, an dem sie sich nicht in Sicherheit wiegen können, zum Beispiel beim Dating oder gar in der eigenen Beziehung (25). Auch das Elternhaus (12) kann, nach einem Coming-out, zur Gefahr werden und erst recht Unterkünfte für Geflüchtete (28), in denen LGBTIQ oft auf ein ebenso homo- und/oder transphobes Umfeld treffen wie in ihrem Herkunftsland. Geflüchtete haben noch dazu oft mit Rassismus zu kämpfen.

«Wir müssen davon ausgehen, dass unsere Fallzahlen nur die Spitze des Eisbergs darstellen und die Dunkelziffer um ein Vielfaches höher liegt», sagt Plaß. «Denn jeder weiss, dass 12 Meldungen von Beleidigungen oder 55 Vorfälle in ganz Bayern ausserhalb der Landeshauptstadt mit der Realität nichts zu tun haben können.»

26 der genannten Fälle seien immerhin bei der Polizei angezeigt worden. Aber das seien noch viel zu wenige, sagt Plaß. Viele Betroffene hätten Angst davor, die Täter*innen könnten sich rächen. Sie fürchten ausserdem, die Polizei nähme derlei Fälle nicht ernst. Die Zahlen von Diskriminierungen und Gewalt steigt, seitdem das Sub in den 90er Jahren angefangen hat, eine entsprechende Statistik zu erstellen.

Über die tatsächliche Entwicklung von Homo- und Transfeindlichkeit in Bayern können wir tatsächlich keine Aussage treffen.

Angefangen hat das 1988 mit dem städtisch geförderten Anti-Gewalt-Projekt für schwule Männer. Seit 2020 gibt es die Strong!-Fachstelle für ganz Bayern, die neben der Stadt München auch das Land finanziert. «Die relativ geringen absoluten Zahlen sprechen wie gesagt für ein immenses Dunkelfeld“, so Glöggler. «Über die tatsächliche Entwicklung von Homo- und Transfeindlichkeit in Bayern können wir tatsächlich keine Aussage treffen.»

Klar sei nur: Das ist ein Thema, mit dem man sich befassen muss. Ein Aktionsplan für Bayern jetzt! Glöggler und ihr Kollege Plaß fordern deshalb einen Aktionsplan gegen Homo- und Transphobie auch in Bayern. «Der muss endlich kommen!», betont Plaß. In sämtlichen Bundesländern gebe es einen, nur hierzulande nicht. Die Staatsregierung habe die Aufgabe, allen Bürger*innen in Bayern Sicherheit zu bieten, ignoriere das aber.

«Es wird deshalb höchste Zeit, dass der Diskriminierungsschutz aufgrund der sexuellen Orientierung und Gender-Identität auf Bundesebene Verfassungsrang bekommt“, betont Glöggler. Artikel 3 des Grundgesetzes will die neue Regierung ja laut Koalitionsvertrag entsprechend erweitern (MANNSCHAFT berichtete). Das hätte dann, glaubt sie, auch Signalwirkung für Bayern.

Knapp 15 000 Fälle von Gewalt gibt es in Familien und Beziehungen in Berlin. Die Täter sind fast immer Männer (MANNSCHAFT berichtete).

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