«Fatales Signal» und «blamabel» ADS-Leitung 6 Monate unbesetzt

Noch immer ist keine geeignete Nachfolge für die Leitung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes gefunden - parteiübergreifend wird das kritisiert

Die ehemalige ADS-Chefin Lüders und Familienstaatssekretär Ralf Kleindiek zeigten 2017 die Regenbogenfahne, die danach am Fenster des Büros angebracht wurde (Foto: Antidiskriminierungsstelle des Bundes)
Die ehemalige ADS-Chefin Lüders und Familienstaatssekretär Ralf Kleindiek zeigten 2017 die Regenbogenfahne, die danach am Fenster des Büros angebracht wurde (Foto: Antidiskriminierungsstelle des Bundes)

Am 27. April war es, vor sechs Monaten, dass Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Christine Lüders, aus ihrem Amt verabschiedet hat. Lüders habe mit großem Engagement und viel Herzblut Antidiskriminierung und Gleichstellung in unserem Land vorangebracht, sagte Giffey. Die 65-Jährige beendete nach zwei Amtszeiten ihre Tätigkeit an der Spitze der Behörde.

Lüders war über Parteigrenzen hinweg anerkannt und ließ es sich beispielsweise nicht nehmen, trotz Verbots beim Christopher Street Day in der Hauptstadt die Regenbogenfahne zu hissen – auf ihre Weise: zwar nicht am Fahnenmast, sondern am Fenster ihres Büros. Nun ist die Leitung seit einem halben Jahr unbesetzt.

Das Amt ist planmäßig mit dem Amtsantritt einer neuen Bundesregierung neu zu besetzen

Seither und bis zur Neubesetzung hat Bernhard Franke, der bisherige stellvertretende Leiter der ADS, die kommissarische Leitung übernommen, teilte uns die Behörde auf Anfrage mit. Was die Nachfolge angeht, so verwies man uns ans zuständige Bundesfamilienministerium. Dort hatten wir bereits im Juli nachgefragt und folgende Antwort bekommen: „Die Besetzung der Leitung der Antidiskriminierungsstelle folgt den gesetzlichen Vorgaben des AGG. Das Amt ist planmäßig mit dem Amtsantritt einer neuen Bundesregierung neu zu besetzen. Das Besetzungsverfahren läuft derzeit noch.“

Christine Lüders
Christine Lüders

Gefunden wurde offenbar immer noch niemand. Wir haben Queerpolitiker aus allen Parteien gefragt, was man davon hält. Von SPD und AfD erhielten wir keine Antwort.

Der Bundesvorsitzende der LSU, Alexander Vogt, teilte uns mit: „Dass die Leitungsposition der ADS seit ungefähr einem halben Jahr unbesetzt ist, halte ich für ein fatales Signal. Die Besetzung der Leitung der ADS obliegt der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Ich kann schwer abschätzen, ob Antidiskriminierung tatsächlich einen geringeren Stellenwert bei der SPD hat als angenommen oder ob man einfach keine geeignete Persönlichkeit findet. Letzteres vermag ich mir aber nur schwerlich vorstellen.

Ich hoffe sehr, dass möglichst bald eine geeignete Nachfolge für Christine Lüders gefunden wird, die über Parteigrenzen hinweg große Anerkennung fand und deren Weggang ich sehr bedaure.“

Doris Achelwilm, queerpolitische Sprecherin der Linke-Fraktion im Bundestag, schrieb: „Die Linksfraktion im Bundestag setzt sich für eine Stärkung der Antidiskriminierungsstelle ein und hat deshalb zwei Anträge zum Haushalt 2019 eingereicht, mit denen das Budget und Wirken der ADS gestärkt werden sollen. Die ADS ist unentbehrlich, wenn es – aktuell mehr denn je – darum geht, Diskriminierung zu erkennen, aufzubereiten und einer breiteren Öffentlichkeit kenntlich und transparent zu machen. Die ADS kann ihre gute Arbeit am besten fortsetzen, wenn ihre Stellen besetzt sind, und der Etat mit den wachsenden Bedarfen Schritt hält. Zur Besetzung der Leitungsstelle sind mir derzeit keine näheren Umstände bekannt.“

Schriftliche Anfrage an Bundesregierung

Achim Kessler, Linke-Bundestagabgeordnete stellte unterdessen eine schriftliche Anfrage an die Bundesregierung, wann man gedenke, die vakante Stelle neu zu besetzen. Eine Antwort wird in der kommenden Woche erwartet.

Der queerpolitische Sprecher der Grünen, Sven Lehmann, nannte es „blamabel, dass die Große Koalition die Leitung der Antidiskriminierungsstelle seit nun einem halben Jahr nicht neu besetzen konnte. Das zeigt, wie unwichtig ihr die Antidiskriminierungspolitik ist.

Dem kommissarischen Leiter der Antidiskriminierungsstelle ist zu verdanken, dass die gute Arbeit von Frau Lüders in den letzten Monaten dennoch weiter fortgesetzt werden konnte. Das kann aber kein Dauerzustand sein. Wir brauchen dringend eine Lösung, um den Rechtsstreit zwischen zwei Bewerberinnen möglichst schnell zu beenden. Daher fordern wir die Große Koalition auf, sich um die Neubesetzung der Leitung mit der erforderlichen Ernsthaftigkeit zu kümmern.“

Diese Bundesregierung scheint sich soweit mit ihren internen Querelen zu beschäftigen, dass sie selbst in notwendigen Personalangelegenheiten ihren Job nicht macht

Dies antwortete uns Michael Kauch, Bundesvorsitzender der Schwulen und Lesben in der FPD (LiSL): „Das Ende der Amtszeit von Christine Lüders ist nicht aus heiterem Himmel gekommen. Diese Bundesregierung scheint sich soweit mit ihren internen Querelen zu beschäftigen, dass sie selbst in notwendigen Personalangelegenheiten ihren Job nicht macht. Eine wichtige Einrichtung wie die Antidiskriminierungsstelle darf nicht über Monate nur kommissarisch geführt werden. Insbesondere Bundesfamilienministerin Giffey, in deren Haus die ADS angesiedelt ist, muss nun zeitnah eine Klärung herbeiführen.“

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