Asylbewerberheim vor LGBTIQ-Club Busche?
Weil sich Carla Pahlau gegen die Unterbringung von Geflüchteten vor ihrem Laden wehrt, werden ihr «rechtspopulistische Positionen» vorgeworfen
Als die Betreiberin von «Die Busche» am Warschauer Platz in Berlin-Friedrichshain jüngst dagegen protestierte, dass vor ihrem LGBTIQ-Club ein Asylbewerber*innenheim eröffnet werden soll, war die Aufregung auch in der queeren Community gross. Nun kontert Pahlau in einem Interview Vorwürfe, sich rechtspopulistischen Debatten angenähert zu haben.
Der Reihe nach: Nachdem Carla Pahlau erfahren hatte, dass unmittelbar vor ihrem Traditionsclub – der zu DDR-Zeiten in Ost-Berlin eröffnete und seit 1985 existiert – in einem ehemaligen Hostel ein Heim für bis zu 650 Geflüchtete eröffnet werden soll, schrieb Pahlau einen offenen Brief an den Regierenden Bürgermeister von Berlin, Kai Wegner (CDU).
Über diesen Brief berichteten die Boulevardzeitungen B.Z. und Bild. Sie zitierten daraus, dass Pahlau die Existenz ihres Clubs gefährdet sehe, aber auch die Sicherheit ihrer Besucher*innen. «In den letzten Monaten erhöhte sich die Zahl der Straftaten gegen homosexuelle Personen in Berlin enorm», so Pahlau in ihrem Schreiben an Wegner: «Die weitaus überwiegende Zahl der Straftäter sind Migranten mit muslimischem Hintergrund.»
Die B.Z. ergänzt, es sei unklar, woher Pahlau diese Information habe, denn sie gingen nicht aus Berliner Polizeistatistik hervor, da dort keine Angaben zur Religionszugehörigkeit erhoben würden (MANNSCHAFT berichtete).
«Konfliktpotenzial ehrlich ansprechen» «Komme es nach der Eröffnung des Heimes zu Konflikten mit ihren Gästen, ist für Pahlau Schluss», schreibt die B.Z. und zitiert Pahlau: «Dann wird der Club nicht weiter existieren können.»
Mehrere von der Zeitung zitierte Politiker*innen bestätigen die Sorgen Pahlaus. U.a. sagt Bezirksparlamentarierin Marlene Heihsel (FDP): «Ich kann die Ängste nachvollziehen, und es ist richtig, das realistische Konfliktpotenzial ehrlich anzusprechen. Es hilft nichts, hier die Augen zu verschliessen. Auf der anderen Seite ist es richtig, Flüchtlingseinrichtungen nicht an den Stadtrand zu drängen, sondern in unserer Mitte anzusiedeln.»
Anders äusserte sich Wiebke Neumann als queerpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion: «Wenn die Geflüchteten etwa durch Sozialarbeiter*innen auf ihren neuen Sozialraum vorbereitet werden, entsteht auch kein erhöhtes Konfliktpotenzial.» Die Sprecherin für Soziales der Links-Fraktion, Katina Schubert, sagte zur B.Z.: «Geflüchteten muss nicht unterstellt werden, dass sie Safe Spaces stören. Sie müssen erfahren, für welche Personengruppe der Club ist. Dazu ist Aufklärungsarbeit, auch Überzeugungsarbeit notwendig, aber keine Ablehnung.»
«Von der rechten Influencer-Welle virusartig verbreitet» Auch in queeren Medien war der Wirbel gross. So schrieb etwa Michaela Dudley in der Online-Ausgabe des Berliner Stadtmagazins Siegessäule («We Are Queer Berlin»): «Was genau steckt hinter dem offenen Brief? Populismus? Oder ein PR-Stunt?» Und weiter: «Wenn es darum geht, Migrant*innen zu dämonisieren, werden rechte Demagog*innen, die sonst Gift und Galle gegen nicht heterosexuelle Menschen speien, von jetzt auf gleich zu ‹Verbündeten› der LGBTIQ*-Community.» Eine Äusserung, die sich auf die Zeitungen des Springer Verlags bezieht und darauf, dass deren Busche-Berichterstattung nun «von der rechten Influencer-Welle virusartig verbreitet» werde: «Eine erfundene Gefährdung wird zum gefundenen Fressen für all jene, die ‹den muslimischen Mann› als Erzfeind der queeren Community darstellen.»
Dudley nennt in diesem Zusammenhang das Schlagwort «Homonationalismus» (MANNSCHAFT berichtete): «Braunes wird pink gespült.» Die Autorin findet es «besonders bedauerlich», dass «ausgerechnet queere Menschen» auf solchen Homonationalismus hereinfallen und meinen würden, «den eigenen Schlächter wählen zu müssen», weil dieser eine konsequentere «Sicherheitspolitik» anböte.
«Nebelkerzen und braune Rauchschwaden» Dudley spricht von einer «selbstzerstörerischen Tendenz». Und fügt hinzu: «Es muss überdies laufend betont werden, dass es Asylbewerbende gibt, die queer sind und schon deswegen die Flucht ergriffen haben. Ihre Schutzbedürfnisse – sowohl innerhalb ihrer Herbergen als auch auf offener Strasse – müssen wahrgenommen werden. Tacheles müssen wir alle miteinander reden dürfen, aber eben mit Respekt für die Menschenwürde und mit Rücksicht auf die Chancen dieser bunter werdenden Gesellschaft, ein harmonisches Zusammenleben zu ermöglichen. Was auch immer das peinliche Schreiben aus der Busche bewirkt, ist eine Sache klar: Es beinhaltet keinen Fortschritt, wenn die Regenbogen-Community Nebelkerzen anzündet und braune Rauchschwaden verbreitet.»
Auf solche Vorwürfe reagierte Carla Pahlau am Donnerstag dieser Woche mit einem Interview mit der Tageszeitung Die Welt, die ebenfalls zum Springer Verlag gehört. Das Interview (hinter einer Bezahlschranke) trägt den Titel «Grossteil der Täter sind Migranten, die queere Menschen nicht anerkennen». Darin fragt Nicolas Walter u.a. nach Pahlaus Antwort auf die Kommentare in LGBTIQ-Medien, sie hätte sich rechtspopulistischen Positionen angenähert.
«Integratives Konzept» Pahlau dazu: «Um es gleich klarzustellen: Ich habe nichts gegen Geflüchtete und lasse mich auf keinen Fall in eine rechtsradikale Ecke schieben.» Allerdings fügt sie hinzu, dass es «nun mal eine Tatsache» sei, dass sich das Heim unmittelbar an einer Partymeile befinde, «auf der neben jungen Frauen auch Transgender und viele andere Menschen aus der queeren Szene unterwegs sind.» Sie erklärt: «Flüchtlinge mit syrischem, afghanischem oder türkischem Hintergrund kommen aus einer Gegend, in der Schwulsein überhaupt keine Akzeptanz findet. Und es ist ja nicht so, dass das Heim um die Ecke wäre – nein, es soll quasi direkt gegenüber von meinem Laden eröffnet werden.»
Der Welt-Journalist wirft ein, dass Befürworter*innen eines integrativen Konzepts es für sinnvoll halten könnten, dass Asylbewerber*innen «in unmittelbarer Nachbarschaft zu einem Club für Schwule und Lesben direkt lernen, dass Akzeptanz und Toleranz zu unserer Kultur dazugehören …»
Pahlau entgegnet: «Letztlich bin ich für die Sicherheit meines Ladens, meiner Angestellten und meiner Gäste verantwortlich – nicht für Integration. Ich will auf keinen Fall sagen, dass alle 650 Flüchtlinge, die dort unterkommen sollen, gegen Schwule sind. Es gibt aber immer einen gewissen Prozentsatz, das braucht man nicht beschönigen.»
Sie erwähnt, dass viele Gewerbetreibende aus ihrer Nachbarschaft ihr sagen würden, sie solle weiter für ihre Position einstehen. Dass sie aber selbst Angst davor hätten, dass durch entsprechende öffentliche Äusserungen ihre eigenen Namen «mit rechtsradikalen Tendenzen» in Verbindung gebracht werden könnten. «Es ist eine traurige Entwicklung, dass man manche Dinge nicht mehr ansprechen darf», so Pahlau zur Welt.
«Dessen Brot ich esse, dessen Lied ich singe» Sie wird auch darauf angesprochen, woher sie eigentlich ihre Zahlen zu den erwähnten Straftaten habe. Antwort: «Unterhalten Sie sich mit Polizisten und versichern Sie Ihnen, dass Sie ihre Namen nicht veröffentlichen werden. Und sprechen Sie mit Personen, die von solchen Straftaten betroffen sind. Ich sage nicht, dass nur Migranten Täter sind. Es gibt darunter natürlich auch deutsche Straftäter, aber der Grossteil sind Migranten, die queere Menschen nicht anerkennen.»
Laut Pahlau seien diejenigen, die ihr nun rechte und rechtspopulistische Positionen unterstellen, Menschen, die «um Fördergelder und staatliche Jobs» werben würden. Dadurch brächten sich diese queeren Aktivist*innen «in eine Abhängigkeit». «Dieser Teil der Szene ist der Teil, den man in den Medien hört, sieht und liest», so Pahlau. „Frei nach dem Motto: ‹Dessen Brot ich esse, dessen Lied ich singe.›»
Sie bemühe sich jedenfalls weiter, die Unterbringung von Asylsuchenden direkt vor ihrem Club zu verhindern. Ob sie die teils heftigen Reaktionen aus der queeren Szene weiterhin werde «aushalten» können, wisse sie allerdings nicht. Das werde sich zeigen, sagt Pahlau zur Welt.
Die liberale Ibn Rushd-Goethe Moschee in Berlin-Moabit hat anlässlich des CSD 2023 vorm Freitagsgebet eine Regenbogenfahne gehisst – in Anweisenheit des Regierenden Bürgermeisters Kai Wegner (MANNSCHAFT berichtete).
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