20 Jahre QueerBW – «Seien Sie weiter stolz auf sich!»

Die Verteidigungsministerin dankte den queeren Soldat*innen für «Mut und Courage»

20 Jahre QueerBW: Anastasia Biefang, Alexander Schüttpelz, Botschafter Dion, Siemtje Möller u. Sven Bäring (v.l.n.r.) Foto: QueerBW
20 Jahre QueerBW: Anastasia Biefang, Alexander Schüttpelz, Botschafter Dion, Siemtje Möller u. Sven Bäring (v.l.n.r.) Foto: QueerBW

Der Verband, der vor 20 Jahren als «Arbeitskreis Homosexueller Angehöriger der Bundeswehr (AHsABe)» gegründet wurde, heisst längst QueerBW. Nun wurde in Berlin das Jubiläum gefeiert.

1996 wurde in München der Bundesweite Arbeitskreis schwuler Soldaten (BASS) gegründet, mit damals 20 homosexuellen Soldat*innen. Am 2. März 2002 folgte die Gründung des «Arbeitskreis Homosexueller Angehöriger der Bundeswehr (AHsABe)», der später in QueerBW umbenannt wurde.

Nun war es Zeit, das 20. Bestehen zu feiern, am vergangenen Freitag in der kanadischen Botschaft. Der Queer-Beauftragte, Sven Lehmann, war unter den Gästen, ebenso wie VelsPol-Vertreter*innen, lesbische, schwule und trans Polizeibedienstete aus Berlin, Brandenburg und Niedersachsen, und die Queer Officers aus der Schweiz.

Das Trio Piacere spielte Musik von Mozart und Beethoven, festliche Reden wurden gehalten, in denen immer wieder auch der Krieg gegen die Ukraine angesprochen wurde.

Immer wieder war der Krieg in der Ukraine und Putins Einmarsch Thema in den Reden, direkt oder indirekt. Der kanadische Botschafter Stéphane Dion etwa erklärte: «Wenn nur alle Staaten so freundlich miteinander wären wie Deutschland und Kanada – die Welt wäre ein sehr friedlicher Ort».

Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) schickte eine Video-Grussbotschaft. «Vielfalt macht uns stark», erklärte sie, die Gleichberechtigung von queeren Soldat*innen sei weder Luxus noch Ideologie. Sie dankte QueerBW für 20 Jahre Einsatz gegen Ausgrenzung und Diskriminierung, für 20 Jahre «Mut und Courage».

Noch bis ins Jahr 2000 galt bei der Bundeswehr, dass homosexuelle Neigungen die Eignung eines Soldaten zum Vorgesetzten ausschliessen. Erst im Sommer jenes Jahres wurde der diskriminierende Erlass aufgehoben, nachdem Verteidigungsminister Scharping (SPD) ohne Wissen der Generale im Bundestag angekündigt hatte, «einen Verhaltenskodex zu erlassen, […] der jede Form von Diskriminierung sanktioniert» (MANNSCHAFT+).

Auch heute gibt es immer noch Vorurteile und Diskriminierung in Bundeswehr. «Da müssen wir einschreiten», mahnt die Ministerin. «Jeder muss sich in Fällen von Ausgrenzung hinterfragen und die Frage stellen: Was kann ich selbst tun? – und vor dem eigenen Kasernentor kehren.»

Die Keynote hielt Staatssekretärin Siemtje Möller. Sie dankte QueerBW für 20 Jahre «bewundernswertes Engagement». Aus heutiger Sicht sei die Diskriminierung in der Bundeswehr, die es bis ins Jahr 2000 gab, kaum noch vorstellbar. Dies habe man zu Recht beendet. «Nun endlich, seit 2021, werden homosexuelle Soldat*innen rehabilitiert», so Möller und räumte ein: «Auch wenn es für viele nicht auskömmlich ist.»

Putin bekämpft in der Ukraine auch unsere Freiheit, unsere Werte, unsere freiheitliche Grundordnung.

Ein buntes Deutschland ist im Jahr 2022 Realität, erklärte Möller und mahnte: «Putin bekämpft in der Ukraine auch unsere Freiheit, unsere Werte, unsere freiheitliche Grundordnung. «Vielfalt ist eine Chance», so die Staatssekretärin. «Seien Sie weiter stolz auf sich, so wie wir stolz auf Sie sind.»

Auch Leutnant Sven Bäring, Vorsitzender von QueerBW mit heute knapp 350 Mitgliedern, erklärte seine Solidarität mit den Queers in der Ukraine und würdigte die Gründung der Verbandes: Sechs mutige Soldaten, ein Zivilist und ein Beamter gründeten ihn im Jahr 2000. Bäring erinnert an Winfried Stecher, der einst auf einem Luftwaffenstützpunkt bei Jever Soldaten ausgebildete. Bis er mit seinem Freund zusammenzog. Stecher wurde versetzt. Im vergangenen Jahr wurde er als einer der ersten früheren Soldaten der Bundeswehr für erlittenes Unrecht entschädigt (MANNSCHAFT berichtete).

Dienstrechtliche Benachteiligungen bis zum 3. Juli 2001 – zum Beispiel eine Entlassung oder wie im Fall Stecher die Ablösung als Ausbilder – werden nun mit einmalig 3.000 Euro entschädigt. Dafür, dass einst Karrieren zerstört oder verhindert wurden. Bäring nennt das «Symbolik». Denn es gebe Fälle von Soldaten, die als dienstunfähig entlassen wurden, denen heute Rentenansprüche von bis zu 500.000 Euro zustehen würden.

Hier müsse nachgebessert werden, sagt Bäring. Und die Wehrbeauftragte Eva Högl (SPD), die unter den Gästen ist, ruft an dieser Stelle laut vernehmlich: «Ja.»

Zu den Gründungsmitgliedern gehörte einst Alexander Schüttpelz – er ist Fregattenkapitän und damit einer der derzeit höchstrangigen Soldaten, die out sind. Er erinnerte daran, dass der Verband queerer Soldat*innen anfangs im Wehrbericht totgeschwiegen wurde; auch war das Verteidigungsministerium anfangs nicht zu einer Kooperation bereit.

Überhaupt gab es erst richtig Bewegung, als die Frauen das Ruder im Ministerium übernahmen. Die männlichen Vorgänger, Scharping mal ausgenommen, waren nicht in der Lage, das Thema anzugehen, so Schüttpelz. Der letzte Mann als Verteidigungsminister war Thomas de Maizière (CDU). Der habe immer erklärt, es gäbe kein Problem in der Bundeswehr, sagt Schüttpelz. Ende 2013 wurde de Maizière von seiner Parteifreundin Ursula von der Leyen abgelöst, der heutigen EU-Kommissionspräsidentin.

Die Ministerin hat durch den Workshop «Sexuelle Orientierung und Identität in der Bundeswehr» zu Beginn des Jahres 2017 allen Personen in der Bundeswehr die Möglichkeit gegeben, sich zu outen, die es wollten. Sie hatte mehrfach für Offenheit und Toleranz geworben: «Wir müssen gerade den jungen Menschen zeigen, dass Vielfalt nicht nur toleriert wird, sondern erwünscht ist.» Die Bild-Zeitung machte damals ein «Sex-Seminar» daraus.

Der durch von der Leyen angestossene Workshop war der Stein des Aufbruchs, sagt Schüttpelz heute. Auch die Entschuldigung von Nachfolgerin Annegret Kramp-Karrenbauer für erlittene Diskriminierung in der Bundeswehr (MANNSCHAFT berichtete) im Jahr 2020 sei wichtig gewesen. «Die männlichen Vorgänger waren nicht in der Lage, das Thema anzugehen», so Schüttpelz.

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