Wo bleibt der selbstbestimmte positive dritte Geschlechtseintrag?
Bundesweite Aktionswoche für selbstbestimmten dritten Geschlechtseintrag - gegen Fremdbestimmung
Vor einem Jahr, am 10. Oktober 2017, entschied das deutsche Bundesverfassungsgericht, dass das Grundgesetz auch die geschlechtliche Identität der Personen schützt, die sich dauerhaft weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen lassen. Unter Federführung des Innenministeriums hat die Regierung einen Gesetzentwurf vorgelegt, der die Möglichkeit eines dritten positiven Geschlechtseintrags unter der Bezeichnung „divers“ vorsieht – allerdings nur für Personen, die mit einer ärztlichen Bescheinigung nachweisen können, dass bei ihnen eine „Variante der Geschlechtsentwicklung“ vorliegt. Der selbstbestimmte positive dritte Geschlechtseintrag ist weiterhin nicht in Sicht.
Der bisherige Entwurf soll am 11. Oktober 2018 im Bundestag und am 19. Oktober 2018 im Bundesrat diskutiert werden. Er wird von der Bundesvereinigung Trans* (BVT*) und zahlreichen weiteren Fachgesellschaften viel kritisiert – und begleitet von einer bundesweiten Aktionswoche der Aktion Standesamt.
Im Rahmen der „Aktion Standesamt 2018“ hat am Dienstag Sven Lehmann MdB, Sprecher für Queerpolitik der Grünen Bundestagsfraktion, Kölner*innen während einer kleinen Inszenierung als „Standesbeamter“ symbolisch neue Geburtsurkunden mit dem richtigen Namen und Geschlechtseintrag und Namen ausgestellt. „Über das eigene Geschlecht kann niemand besser bestimmen als jeder Mensch selber“, so Lehmann.
Inter Menschen genauso wie alle trans Menschen, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen, werden ausgeschlossen
Cathrin Ramelow vom Vorstand der BVT* kritsiert: „Während die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts fast revolutionär war, stellt sich aktuell das, was der Gesetzgeber bislang aus dem Auftrag gemacht hat als ausschließend und pathologisierend dar. Der Gesetzentwurf zwingt Menschen weiterhin, sich ohne Notwendigkeit medizinisch begutachten zu lassen. Indem der Zugang zum dritten Geschlechtseintrag nur denjenigen eröffnet wird, die bestimmte medizinische Diagnosen vorweisen können, werden einige intergeschlechtliche Menschen genauso wie alle trans* Menschen ausgeschlossen, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen.“
EU-Gerichtshof fasst Schutz vor geschlechtsbezogener Diskriminierung sehr weit Ihnen bleibe das Recht auf einen dritten Geschlechtseintrag versagt. Und dies obwohl der Beschluss des Bundeverfassungsgerichts explizit darauf verweise, dass der Gerichtshof der Europäischen Union den Schutz vor geschlechtsbezogener Diskriminierung weit fasse und auch trans* Menschen einschließe. „Wir fordern ein Gesetz, das auf Selbstbestimmung basiert und menschenrechtskonform der Geschlechtervielfalt von inter* und trans* Menschen Rechnung trägt! Dies haben bereits einige europäische Länder wie Malta, Dänemark und Irland erfolgreich vorgemacht und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat eine positive Verpflichtung zur Anerkennung des Geschlechts für europäische Staaten festgelegt“, so Ramelow.
Wir lassen uns von unserem Recht auf einen selbstbestimmten positiven dritten Geschlechtseintrag nicht abbringen!
Frank Krüger vom Beirat der BVT* ergänzt: „Bereits über 36.000 Menschen haben unsere Unterschriftenkampagne ‚Gleiches Recht für jedes Geschlecht – Stoppt Seehofers Gesetzentwurf zur dritten Option! Geschlechtervielfalt und Selbstbestimmung jetzt!‘ unterstützt.“ Der aktuelle Gesetzentwurf nehme weder Bezug auf die Empfehlungen der Fachgesellschaften noch auf die Ergebnisse der interministeriellen Arbeitsgruppe (IMAG) oder das Gutachten des Deutschen Instituts für Menschenrechte. Krüger weiter:
„Wir hoffen, dass die Bearbeitung in den Ausschüssen im Bundestag und die Bundesratsinitative zum Thema den aktuellen Entwurf verbessern. Wir unterstützen die bundesweite Aktionswoche der Aktion Standesamt und rufen mit dazu auf diese Woche Anträge für einen selbstbestimmten Geschlechtseintrag oder seine Streichung bei den Standesämtern zu stellen. Wir lassen uns von unserem Recht auf einen selbstbestimmten positiven dritten Geschlechtseintrag nicht abbringen!“
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