Dubiose Veränderungen im Schöneberger Regenbogenkiez
Der Military Store schliesst im Sommer 2019, der Hafen macht vorerst weiter
Es bewegt sich was im schwulen Berliner Kiez Schöneberg: Während die Zukunft der Hafen-Bar wohl vorerst gesichert ist, steht eine weitere Veränderung fest: Für den Military Store, keine 50 Meter Luftlinie entfernt, ist Ende Juli nach 19 Jahren in der Motzstrasse Ecke Eisenacher Schluss. Die Umstände sind dubios.
«Der Military Store war der erste Textilladen im Kiez, wir haben alles von Gummi und Leder über Militär- bis Polizeiuniformen.» Angefangen hatte man 1997 in der Bülowstrasse, danach ging es in der Kurfürstenstrasse weiter, erinnert sich Geschäftsführer Bernd Schulz im Gespräch mit MANNSCHAFT.
Dass die Tage des Ladens gezählt sind, steht schon seit 2016 fest. Kurz vor Weihnachten habe man die Kündigung von der Hausverwaltung erhalten. Die Eigentümer des Hauses, eine Erbengemeinschaft, habe davon aber nichts gewusst. Also verlängerte man den Vertrag nochmal. Im Juli ist aber nun endgültig Schluss, das Strassenfest ist das letzte, an dem man teilnimmt.
Grundsätzlich ist Schulz nicht böse drum. Die Umsätze gehen seit Jahren zurück, und die Kunden würden immer unfreundlicher. «Keiner sagt mehr Guten Tag, bitte oder danke. Es macht keinen Spaß mehr.»
Wer steckte hinter der Kündigung? Bernd Schulz glaubt, dass ein Kiez-bekannter Geschäftsmann hinter der Kündigung 2016 steckte: Mario Senkpiel, Inhaber des Tom’s Hotel sowie des Cafés Romeo und Romeo; auch das Berio hatte ihm einst gehört, wie man seinem LinkedIn-Profil entnehmen kann, von 1995 bis 2004.
Senkpiels Name fiel auch immer wieder im Zusammenhang mit der unsicheren Zukunft des Hafen. Senkpiel gab gegenüber MANNSCHAFT an, er sei am Hafen nicht interessiert und auch nicht am Military Store. Weiter wollte er sich vorerst nicht äussern.
«Schwule Juden schrecken häufig vor Coming-out zurück»
Schulz sagt allerdings, Senkpiel sei in der Vergangenheit immer wieder zu ihm in den Military Store gekommen, weil er den Laden haben wollte.
«Ihm ging es hauptsächlich um die Strassenfläche für Tische und Stühle. Wir haben hier den ganzen Tag Sonne, das Romeo und Romeo aber nur etwa bis 12.» Danach soll ihm Senkpiel einen Brief gezeigt haben, den er an die Hausverwaltung geschickt habe – Schulz glaubt aber nicht, dass es der tatsächliche Brief war. Sein Misstrauen gegenüber Senkpiel ist gross.
Aus dem Tom’s Hotel bekamen wir nun auf Nachfrage wiederum die Erklärung: «Bernd hat uns seinen Laden zum Kauf angeboten.» Danach sei ein Schreiben an die Hausverwaltung gegangen, doch bis heute hab es keine Reaktion gegeben. Somit steht Aussage gegen Aussage.
Was nun mit dem Military Store geschieht und ob es dort ein weiteres Café oder Restaurant geben wird, das wird sich zeigen. Die Hauseigentümer hätten bislang gesagt, sie wollten hier keine Gastronomie, sagt Schulz. Wir haben die Verwaltung um eine Stellungnahme gebeten, aber keine Antwort erhalten. Im Kiez erzählt man, es sei an dieser Stelle nicht erlaubt, einen gastronomischen Betrieb zu eröffnen. Also haben wir beim zuständigen Bezirksamt Schöneberg Tempelhof nachgefragt. Dort erhielten wir die Auskunft:
Ausgeschlossen ist nichts «Das Grundstück Eisenacher Straße 114 (Ecke Motzstraße) liegt an der nord-östlichen Straßenecke und somit eigentlich außerhalb (bzw. an der Grenze) des Bereichs, in dem seit 2012 die Ansiedlung (nicht Verhinderung!…) von Gastronomiebetrieben aus städtebaulichen Gründen gesteuert wird.» Und dann der entscheidende Satz: «Unabhängig davon unterliegt natürlich jeder (Neu-)Antrag der Prüfung im Einzelfall.» Ausgeschlossen ist hier also gar nichts.
Wenn auch Senkpiel offiziell nicht am Military Store interessiert ist, so sucht er doch seit einem Monat via Linked In einen «kreativen Kopf, welcher für ein Einzelhandelsgeschäft einen kleinen Verkaufsraum gestaltet». Vielleicht ist es Zufall, vielleicht auch nicht.
Berlins LGBTIQ-Community will den «Hafen» nicht gehen lassen
Derweil scheint für den Hafen zumindest eine vorübergehende Lösung gefunden zu sein. Am 3. Januar 2019, dem eigentlich letzten Tag der Bar, gab es eine enorme öffentliche Resonanz. Die Kult-Bar im Regenbogenkiez hatte zu einer Solidaritätskundgebung aufgerufen, dem gut Tausend Unterstützer und Freunde gefolgt sind. Nicht nur die Stammgäste, Nachbarn und Freunde hatten sich für den Erhalt des Hafens ausgesprochen, sondern auch etliche Stimmen aus Politik und Kultur. Der bisherige Betreiber Ulrich Simontowitz zeigt sich gerührt: «Es war ein wunderbarer Tag und eine einmalige Nacht!»
Veränderungen im Hafen Der öffentliche Druck hat einiges in Bewegung gebracht. So habe der Hafen eine Verlängerung von bis zu einem Jahr in Aussicht gestellt bekommen. Allerdings wird den nicht Simontowitz unterschreiben, der den Laden seit 1990 vom Betreiber der Tom’s Bar nebenan untermietet. Künftiger Hafen-Chef soll Simontowitz‘ langjähriger Mitarbeiter Sebastian Pagel werden. Offenbar gab es von Seiten der Tom’s Bar Vorbehalte gegen seinen bisherigen Chef.
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