Versammlung in Rom: «Es ist keine Synode über Homosexualität»

Das Kirchentreffen soll nicht nach deutscher Art ablaufen, heisst es

Der Vatikan in Rom (Foto: Pixabay)
Der Vatikan in Rom (Foto: Pixabay)

Ein Luxemburger leitet in diesem Monat die Weltsynode im Vatikan. Der Vertraute von Papst Franziskus hat ein Faible für Japan und für die asiatische Kultur der Konfliktlösung. Ein anderes Land sieht er ausdrücklich nicht als Vorbild.

Von: Robert Messer und Christoph Driessen, dpa

Fünf Kardinäle haben Papst Franziskus kurz vor der Weltsynode in Rom in einem kritischen Brief zur Klärung zentraler Fragen der katholischen Lehre aufgefordert. Die als konservativ geltenden Kirchenmänner, darunter der Deutsche Walter Brandmüller, stellten dem Oberhaupt der katholischen Kirche in einem sogenannten Dubia-Schreiben fünf kritische Fragen zu kontrovers diskutierten Themen, wie Brandmüller auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur am Montag bestätigte. Zuvor hatten mehrere katholische Medien berichtet.

In einem Dubia-Schreiben werden theologische Fragen als Zweifel formuliert, auf die der Papst üblicherweise in einem «Ja-oder-Nein»-Format antwortet. Medienberichten zufolge wollten die Kardinäle etwa wissen, ob Segensfeiern für homosexuelle Paare sowie die Frauenordination weiter verboten bleiben sollen. Sie nahmen auch auf die am Mittwoch beginnende Weltsynode Bezug und fragten, ob diese eine Entscheidungsmacht ausüben könne, die vornehmlich dem Papst oder dem Bischofskollegium vorbehalten sein sollte. Beobachtern zufolge stehen die fünf den Reformansätzen des Papstes kritisch gegenüber.

Die Kardinäle verschickten bereits im Juli eine erste Version des Schreibens, auf die der Papst auch antwortete. Seine Antwort war Medienberichten zufolge jedoch nicht in dem üblichen Dubia-Format ausgefallen, weswegen die Kardinäle im August erneut einen Brief mit umformulierten Fragen an den Pontifex schrieben. Auf diesen erhielten sie keine Antwort.



Was die am Mittwoch beginnende Weltsynode konkret bewirken soll, ist lang nicht allen Beteiligten klar. Eines aber steht nach den Worten des Koordinators Jean-Claude Hollerich fest: Das Kirchentreffen soll nicht nach deutscher Art ablaufen. Denn diese deutsche Art sei einfach zu «konfrontativ» und wirke auf Angehörige anderer Kulturkreise etwa aus Asien «sehr grob», verkündete der Erzbischof von Luxemburg im Juni in Rom. Was die Deutschen betrifft, so hat er die Erfahrung gemacht: «Wenn sie diskutieren, werden sie sauer und aufgeregt.»

Hollerich, der direkt an der deutschen Grenze in Vianden aufgewachsen ist, perfekt Deutsch spricht und sich mit den Nachbar*innen von daher eigentlich auskennen müsste, schob auch gleich noch eine Erklärung für deren Mentalität nach: Die schroffe Art der Deutschen sei eine Reaktion auf den Nationalsozialismus, der erst durch ihr Schweigen möglich gemacht worden sei. Als Lehre daraus setzten die Deutschen seit Kriegsende auf ungeschminkte Wahrheit.

Hollerich, mit offiziellem Titel «Generalrelator» der Weltsynode, gilt als ein enger Vertrauter des Papstes und ist wie dieser Jesuit. Mittlerweile wird der 65 Jahre alte Kardinal sogar schon selbst als «papàbile» gehandelt, als möglicher Anwärter auf das Papstamt.



Papst Franziskus stellt die Weltsynode als grosses Mitbestimmungsprojekt dar. An der Konferenz vom 4. bis zum 29. Oktober nehmen 365 stimmberechtigte Mitglieder teil. Die grosse Mehrheit von ihnen sind zwar Bischöfe, es sind aber auch andere Geistliche und Laien – Nicht-Kleriker – dabei. Erstmals in der Geschichte der katholischen Kirche werden auch knapp 55 Frauen als stimmberechtigte Mitglieder teilnehmen. Dazu kommen Expert*innen, die nicht abstimmen dürfen.

Dass der Papst das Gespräch mit den Gläubigen sucht, wird in der Kirche durchweg positiv gesehen. Allerdings gibt es die Befürchtung, dass es letztlich nur darum geht, mal miteinander zu reden – dass aber letztlich nichts geregelt werden soll. So hat die Deutsche Bischofskonferenz das Arbeitspapier, das die Grundlage für die Beratungen bildet, als zu unkonkret kritisiert.

Diese Themen sind drängend und können von einer synodalen Kirche nicht mehr sehr lange aufgeschoben werden

Weltweit drängende Fragen wie die Position der Frau in der Kirche oder die Weiterentwicklung der katholischen Sexuallehre würden nicht genug in den Blick genommen: «Diese Themen sind drängend und können von einer synodalen Kirche nicht mehr sehr lange aufgeschoben werden», so die deutschen Bischöfe.

Es sind auch die Themen des Reformprozesses Synodaler Weg, den die deutschen Katholik*innen 2019 als Konsequenz aus dem Missbrauchsskandal initiiert hatten. Sie wollten damit die Strukturen ändern, die den sexuellen Missbrauch von Kindern in der Kirche jahrzehntelang begünstigt hatten. Im März dieses Jahres wurde der Prozess mit einer Reihe von Reformvorschlägen vorerst abgeschlossen. So sollen Segensfeiern für homosexuelle Paare künftig offiziell möglich sein – sofern der jeweilige Ortsbischof zustimmt.



Der Vatikan hatte vor allem auf diesen Vorstoss denkbar abweisend reagiert. Sogar die Nummer zwei hinter dem Pontifex, Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin, zeigte sich damals irritiert und sagte, die deutsche Kirche könne keine Entscheidungen treffen, die auch die Weltkirche betreffen. Hinter den Vatikanmauern wird das Auftreten der Deutschen generell als zu forsch wahrgenommen. Auch Hollerich betont immer wieder, dass der Synodale Weg in Deutschland «kein Vorbild» für die Weltsynode sei: «Die beiden Initiativen sind sehr, sehr unterschiedlich.»

Es ist keine Synode über Priesterweihe, Diakonenweihe der Frauen, es ist keine Synode über Homosexualität

In dem katholischen Podcast Himmelklar unterstrich Hollerich kürzlich: «Es ist keine Synode über Priesterweihe, Diakonenweihe der Frauen, es ist keine Synode über Homosexualität.» Aber was ist es dann? Seine Antwort: «Es ist eine Synode über Synodalität.» Das klingt nicht wirklich konkret. Alles, was sich Hollerich für den Abschluss der Synode Ende Oktober erhofft, ist «ein kurzes Papier», eine «Roadmap», wie es danach weitergehen soll. Denn nach der Synode ist vor der Synode: Papst Franziskus hat die Generalversammlung der Bischofssynode zweigeteilt und nächstes Jahr im Herbst geht’s weiter.

Bei der Deutschen Bischofskonferenz und erst recht beim Zentralkomitee der deutschen Katholik*innen – der Vertretung der normalen Gläubigen aus den Gemeinden – herrscht dagegen ganz stark das Gefühl vor, dass der Kirche die Zeit davonläuft. 2022 sind in Deutschland mehr als eine halbe Million Menschen aus der katholischen Kirche ausgetreten – so viele wie noch nie. Umfragen zeigen, dass eine grosse Mehrheit der Gläubigen weitgehende Reformen wie die Öffnung des Priesteramts für Frauen, die Aufhebung der verpflichtenden Ehelosigkeit für Priester (Zölibat) und ein Ende der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Paare befürwortet.

Hollerich entgegnet darauf, dass vieles, was die deutschen Katholiken anstrebten oder sogar schon praktizierten, in Ländern wie Polen als Häresie – als Ketzerei – empfunden werde. Die Weltkirche mit 1,2 Milliarden Gläubigen deckt ein riesiges Meinungsspektrum ab. Um sie zusammenzuhalten, muss man nach Überzeugung von Hollerich umsichtig und diskret vorgehen. Der Luxemburger ist dabei nach seinen eigenen Worten stark geprägt durch zwei mehrjährige Japan-Aufenthalte. Wenn es in Japan einen Konflikt gebe, vermeide man unter allen Umständen eine Kampfabstimmung und führe stattdessen in Gesprächen hinter den Kulissen einen Kompromiss herbei, berichtet er in dem Podcast. «Synodalität wird in Asien auch als Harmonie verstanden.»

Nach allem was man weiss, ist das auch die Haltung des Papstes. Franziskus hat in seiner mittlerweile schon zehnjährigen Amtszeit zwar immer wieder Probleme angesprochen und atmosphärisch viel bewirkt, aber an den Strukturen der Kirche und erst recht an ihrer Lehre hat er viel weniger verändert als von Reformern anfangs erhofft worden war. Zurzeit deutet alles darauf hin, dass es mit der Weltsynode genauso laufen wird: Man wird zwar viel reden und diskutieren, aber letztlich vereinbart man, sich im nächsten Jahr wieder zu treffen.

An britischen Schulen war es bis 2003 verboten, positiv über Homosexualität zu sprechen. «Blue Jean» von Regisseurin Georgia Oakley thematisiert die einschneidenden Auswirkungen des einstigen Verbots (MANNSCHAFT+).

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