Unsere Queergida: So wird «cis, weiss, männlich» diffamiert

Die Queergida möchte, dass sich alle geschlechtlich auflösen und exkommuniziert alle Penisträger, kommentiert Jan Feddersen

Foto: AdobeStock
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Ab sofort gibt es jeden Samstag bei MANNSCHAFT.com einen Kommentar zu einem aktuellen Thema, das die LGBTIQ-Community bewegt. Die Meinung der Autor*innen spiegelt nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wider.

von Jan Feddersen

Ein nervendes Gemurmel geht aktuell durch unsere Community, und wenn ich von einer solchen Community spreche, dann ist damit die Gemeinde der Lesben, Schwulen, Trans*gender, Intermenschen und solche gemeint, die sich identitär, vom Selbstverständnis her, als queer verstehen. Was genau queer ist, lässt sich nicht so präzise sagen. Jedenfalls etwas, das nicht, wie es heisst, Männer betrifft, die sogenannt toxische Gewalt in sich und nach aussen tragen. Nach deren Verständnis: alle Männer. Fast alle – bis auf jene, die nicht männlich aussehen. Queer – kann ein Mann nur sein, der in der äusseren Erscheinung nicht mehr wie ein Macho aussieht und sich am besten auch nicht so verhält.

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So oder so: Aus der «queer community» herausfallen tun alle, die, so lautet die Bannformel «cis, weiss, männlich» sind. Also auch schwule Männer. Sie seien nicht, wie es der queerwillige Autor Peter Rehberg neulich im Berliner Regionalmagazin Siegessäule mitteilte, Teil des «queeren Projekts».

Ehe hier alles Verständnis vom Gesagten flöten geht, sei erläutert: Das, was der Autor unter «Projekt» versteht, gibt es in der Regenbogencommunity nicht. Oder wenn, dann nur in kleineren Teilen, vor allem akademischen. «Projekt» meint aber: ein Zirkel, der die meisten ausschliesst. Ich nenne sie: «Queergida». Wie Pegida, der Mob von rechts gegen die liberale Republik. Schwule Männer, die partout sich äusserlich nicht weiblicher machen wollen als sie innerlich – wie alle Menschen, Männer sowieso – ohnehin sind: Die gehören zum Feindbild.

Die Queergida belegt mithin alle mit einem Fluch, die einfach nur schwul sein wollen. Man muss Jüngeren allerdings sagen: Es ist seit den frühen siebziger Jahren ein mächtiger Fortschritt, dass homosexuelle Männer sich nicht mehr verhuscht (im Deutschen) als «gay» oder «homophil» bezeichnen, sondern, eben, die einstige Schmähvokabel „schwul» sich selbst anhefteten und zu einem stolzverheissenden Wort machten.

Solche Lebensstilvorgaben gab es früher nur seitens des religiösen Systems Die Queergida will das nicht, sie möchte, dass alle geschlechtlich sich auflösen – und exkommuniziert schon mal alle Penisträger, abgesehen von jenen, die eine trans Identität ihr eigen nennen. Die «Queers» machen moralische Vorgaben, wer zu den Guten und wer zu den Bösen zu zählen ist. Wer sie nicht befolgt, wird ausgesondert. Ich möchte sagen: Solche Lebensstilvorgaben gab es früher nur seitens des religiösen Systems, seitens der Heterowelt. Früher hat man uns vorschreiben wollen, wie wir zu leben haben – versteckt, schuldbewusst, misslungen, aussätzig, nicht gesellschaftsfähig.

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Den gleichen moralischen Furor entwickelt sich die Queergida, die selbsternannte Klugscheisser*innensekte der «Queers»: Wer den Lebensstilvorgaben nicht folgt, ist ein Gegner, muss ausgegrenzt und eigentlich ins mindestens moralische Fegefeuer. Insofern gehört diese ideologische Richtung so bekämpft, wie wir das früher auch gegen den Klerus, gegen Pfaffen und Pfäffinnen getan haben. Die Queergida – das ist eigentlich eine moderne Homophobiebewegung – nur von links und von Judith Butlers Gnaden, der akademischen Hohepriesterin all jener, die nicht über Sexuelles reden wollen, dann im Wort „schwul» war ja noch das Andersbegehrende im fleischlichen Sinne sofort markiert, queer aber ist ein Wort, das gnädig, ja, prüde über die sexuelle Differenz hinweg geht.

Ich möchte mir in mein Leben durch keine Queergida hineinquatschen lassen, das entscheide ich immer noch allein.

Schwule wollen schwule Männer sein, queer ist ihr Sein als Menschen möglicherweise im Blick der heteronormativ Anderen: Ich möchte mir in mein Leben durch keine Queergida hineinquatschen lassen, das entscheide ich immer noch allein. Für Lesben gilt das Gleiche: Lesben wollen Lesben sein – wenn sie denn souverän mit ihrem Begehren umgehen. Früher gab es Millionen Homos beiderlei Geschlechts, die glaubten, verschwiegen sie ihr Schwul- oder Lesbischsein ginge die heterosexuelle Mehrheitsgesellschaft freundlicher mit ihnen um. Bleierne Zeiten, Gott (!) sei Dank vorbei. Queergida formuliert jetzt das Rollback – gegen alle jene, die in den vergangenen 50 Jahren bürgerrechtliche Fortschritte erkämpft haben, buchstäblich. Verbotsbestimmungen getilgt, schlimme Paragraphenwerke von Homophobem gesäubert, die Ehe für alle als Respektsinstitut für lesbische und schwule Paare – Heteros sollten keine Privilegien als solche mehr haben.

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Was die Einzelnen mit diesen Fortschritten anfangen, bleibt immer ihnen überlassen. Sie können ja weiter versteckt leben – und etwa sagen: Oh, nein, ich bin nicht schwul (oder lesbisch), sondern queer. Blümchensprache, nichts sonst, ist das.

Die Bewegung tut links und ist eine rechte Wehret den Anfängen: Die Queergida ist eine Bewegung, die links tut und eine rechte ist. Sie will Gemeinschaft, keine Gesellschaft der Differenten. Wer hätte das gedacht vor 40 Jahren: Dass unsereins mal von links als «cis, weiss, männlich» und privilegiensatt diffamiert werden würde. Nichts davon ist wahr: Die Butlers & Co. [Judith Butler stiess mit ihrem Buch Das Unbehagen der Geschlechter (1990) die Diskussion um die Queer-Theorie an, Anm. d. Red.] haben nicht gekämpft gegen die homophobe Mächtigkeit, sie haben an ihrer Agenda gestrickt. Nämlich: Schwule und Lesben moralisch zu vernichten.

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