«Und Priester sind bekanntlich alle schwul und kriminell»

Im neuen «Tatort» geht es u.a. um Beichtgeheimnis und Zölibat

Hütet das Beichtgeheimnis: Pfarrer Tobias Flügge (Nikolai Kinski). Foto: WDR/Martin Valentin
Hütet das Beichtgeheimnis: Pfarrer Tobias Flügge (Nikolai Kinski). Foto: WDR/Martin Valentin

Freie Liebe, sinnliches Trommeln, polyamore Beziehungen und Seitenhiebe auf die katholische Kirche. Die «Tatort»-Ermittler aus Münster haben mit Leichen zu tun, aber auch mit allerlei eigenen Problemchen. Von Yuriko Wahl, dpa

Ein bisschen nackte Haut, freie Liebe, polyamore Beziehungen, Trommeln bis zur Extase. Das ist eine ungewohnte Welt für die «Tatort»-Ermittler Frank Thiel und Professor Karl-Friedrich Boerne aus Münster. Der Weg in die schräge Community mit Hippie-Touch, Bauwagen und Alpakas führt über eine Leiche. Männlich, nackig, eines Morgens in einem Moorgebiet im Gebüsch entdeckt. Es handelt sich um das junge Aktmodel Maik Koslowski, Mitglied der spirituell angehauchten Kommune «Erlenhof», Anbieter von Kursen wie «Sexualität und Tantra», umschwärmt von Männern wie Frauen.

In der Folge «Rhythm and Love» am Sonntag (20.15 Uhr) im Ersten hat Kommissar Thiel (Axel Prahl) schnell einen Verdächtigen im Visier – und beisst sich ausgerechnet am angesehenen Polizeipressesprecher Johannes Hagen (August Wittgenstein) fest. Dafür kassiert er Spott und Rüffel von Staatsanwältin Wilhelmine Klemm (Mechthild Großmann). Obwohl sich herausstellt, dass der Ehemann und Familienvater Hagen ein Verhältnis zu dem Opfer gehabt hatte und der vermeintliche Vorzeige-Typ von Münsters Polizei auch unschöne Schattenseiten hat.

Rechtsmediziner Boerne (Jan Josef Liefers) schwenkt nach den üblichen bissigen Attacken gegen Thiel überraschend auf dessen Kurs ein. Das geschieht aus einer persönlichen Krise heraus. Denn Hagen droht Boerne, nachdem er gerüchteweise von einem drohenden Plagiatsverfahren gegen den eitlen Professor hörte. Hat Boerne bei einer Forschungsarbeit von einem renommierten Kollegen abgekupfert?

Das Ganze nagt an dem sonst vor Selbstbewusstsein strotzenden Boerne. Sein Darsteller kämpft auch im realen Leben gerade mit mächtig Gegenwind. Seit Tagen hagelt es Kritik an einer Promi-Aktion, an der Liefers mit beteiligt ist: Unter dem Motto #allesdichtmachen hatten Dutzende Schauspieler die Corona-Politik der Bundesregierung mit ironisch-satirischen Clips kommentiert.

Zurück zum Krimi: Auch Thiel hat so sein Päckchen zu tragen. Sein Vater Herbert alias Claus Dieter Clausnitzer ist mal wieder höchst anstrengend. Aber dann spielt «Vaddern» doch noch eine gar nicht unwesentliche Rolle in dem Fall. Fast schon warm ums Herz kann einem werden bei einer Szene auf dem Seziertisch. Wo tagtäglich Leichen aufgeschnitten werden, sitzt das normalerweise dauerzankende Duo Thiel-Boerne betrunken-einträchtig nebeneinander und beschliesst: Man ist eben einfach zu blöd für die Ermittlungen. Verraten werden darf: Sie knacken das Rätsel trotzdem. Leider braucht es dafür noch einen weiteren Toten.

Ich muss ja nicht jeden Scheiss mitmachen, der gerade in Münster hip ist.

Die Folge teilt Seitenhiebe auf die katholische Kirche aus – es geht etwa um Beichtgeheimnis und Zölibat (eine Mehrheit der Katholiken ist seit Jahren für die Abschaffung – MANNSCHAFT berichtete). So kommt auch ein beharrlich schweigender Priester (Nikolai Kinski) als Täter in Frage. Als Grund dafür, dass der Verdacht schliesslich auf ihn fällt, mutmasst der Geistliche selbst: «Ich bin Priester. Und Priester sind bekanntlich alle schwul und kriminell.» Und Thiel entgegnet breit grinsend auf die Frage, ob er nicht katholisch ist: «Ich muss ja nicht jeden Scheiss mitmachen, der gerade in Münster hip ist.»

Dann ist da noch Thiels Assistent Mirko Schrader, gut gespielt von Björn Meyer. Er ringt mit einem peinlichen Bluff. Und Silke «Alberich» Haller (ChrisTine Urspruch) wird wegen eines groben Patzers von Gewissensbissen gegenüber Boerne geplagt. Am Ende laufen beide zur stunt-reifen Höchstform auf. Nervenkitzel kommt nicht auf in «Rhythm and Love». In puncto Spannung ist ebenfalls viel Luft nach oben. Aber es gibt viel zu lachen und zu schmunzeln.

In diesem Zürcher «Tatort» ging es um ein schwules Opfer, ein zerstrittene Familie und erstaunlich wenig Schokolade (MANNSCHAFT berichtete).

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