Queeres Heranwachsen geht in Serie: «High School»

Clea DuVall im Interview mit MANNSCHAFT+

Die Serie «High School» (Bild: amazon)
Die Serie «High School» (Bild: amazon)

Seit kurzem ist der kostenfreie Streaming-Dienst Amazon Freevee (nach Deutschland, USA und Grossbritannien) auch in Österreich verfügbar. Gute Gelegenheit, auf eine kleine, queere Serienperle hinzuweisen, die es nur dort zu sehen gibt: «High School», basierend auf den Jugenderinnerungen des lesbischen Zwillings-Pop-Duos Tegan & Sara.

Kreativer Kopf hinter der Serie ist die lesbische Schauspielerin und Filmemacherin Clea DuVall, die einst mit «But I’m a Cheerleader» («Weil ich ein Mädchen bin»), «The Faculty» und «Girl, Interrupted» («Durchgeknallt») bekannt wurde, zuletzt auch in «Veep» oder «The Handmaid’s Tale» zu sehen war und sich mit «The Invitation» sowie der queeren Weihnachts-RomCom «Happiest Season» auch als Regisseurin etablierte.

Clea, Sie sind mit Tegan und Sara auch privat befreundet und lasen ihre Autobiografie schon bevor sie erschien. Warum hatten Sie das Gefühl, dass diese Geschichte das Zeug zu einer guten Serie hat? Mich hat diese Geschichte ihrer Jugend einfach sehr berührt, und ich fand, dass sie das Heranwachsen junger queerer Menschen auf eine Art und Weise einfingen, die ich so noch nicht unbedingt gesehen oder gelesen hatte. Ich hatte Lust darauf, von Identitätsfindung und diesem Entdecken der eigenen Persönlichkeit zu erzählen. Und am besten auf eine Art und Weise, die nicht nur ihre eigenen Erfahrungen inkludiert, sondern auch ihre Freund*innen und ihre Eltern. Gerade deswegen hatte ich Lust, mich erstmals nicht nur an einem Film, sondern einer Serie versuchen.

Sie sind praktisch im gleichen Alter wie Tegan und Sara, wuchsen allerdings nicht in Kanada, sondern in den USA auf. Haben Sie trotzdem auch eigene Erfahrungen in dieser Geschichte wiedergefunden? Absolut. Angefangen natürlich bei der Musik oder den Klamotten. Aber auch sonst gab es meine Parallelen, etwa was das Entdecken meiner Sexualität angeht. Ich hatte wirklich noch kein Buch gelesen, in dem so gut beschrieben wurde, was auch ich damals empfunden habe. Entsprechend war die Arbeit an «High School» für mich immer wieder ein sehr nostalgischer Prozess.

Hatten Sie denn auch damals in den Neunzigern schon – wie die Protagonistinnen in der Serie – einen queeren oder mindestens offen-experimentierfreudigen Freundeskreis? Das tatsächlich gar nicht. Ich bin überhaupt nicht mit anderen queeren Kids um mich herum grossgeworden. Im Gegenteil. Als ich 15 Jahre alt war, outete sich ein Junge an meiner Schule als schwul, das war eine total grosse, sehr unerwartete Sache. Ich kannte ihn praktisch nicht, aber natürlich hat mich das schwer beschäftigt. Aber er und irgendwann dann auch ich blieben damals die absolute Ausnahme. Erst als ich gerade meinen Abschluss gemacht hatte, gab es an der Schule plötzlich eine ganze Reihe von Kids, die sich outeten. Wäre ich doch mal ein Jahr später eingeschult worden!

Apropos Freund*innen: Sie haben ziemlich viele sehr coole, mit denen Sie immer auch kollaborieren, von Tegan und Sara über Cobie Smulders, die in «High School» die Mutter spielt, bis hin zu Melanie Lynskey oder Natasha Lyonne. Arbeitet es sich mit Freund*innen einfach am besten? Absolut, das würde ich sofort unterschreiben. Gerade mit Natasha zum Beispiel stehe ich wahnsinnig gerne vor der Kamera, denn dank unserer langen gemeinsamen Geschichte und unserer gleichen Wellenlänge macht die Arbeit nicht nur unglaublich viel Spass, sondern sie holt auch einfach das Beste aus mir heraus. Noch viel toller finde ich es allerdings, für meine Freund*innen zu schreiben. Die Vorstellung, dass ein Mensch, der mir viel bedeutet, meine Geschichte zum Leben erwecken wird, inspiriert mich wie kaum etwas sonst.

Wie ich dann als Regisseurin bin, müssten Sie die anderen fragen. Aber für meinen Teil kann ich nur sagen, dass es zum Beispiel wahnsinnig viel Spass gemacht hat, Cobie in «High School» zu inszenieren. Wir haben uns angefreundet, als sie in meiner allerersten Regiearbeit mitgespielt hat, und es war eine Freude, dass sie nun bei dieser so besonderen Serie wieder mit dabei war.

Ihre Kollegin Sarah Polley sagte kürzlich, dass zwei Faktoren dazu führten, dass sie mit dem Regieführen anfing: schlechte Erfahrungen als Schauspielerin und die Begegnung mit einer tollen Filmemacherin. Was war es bei Ihnen? Auf jeden Fall war die Arbeit mit dem Regisseur Robert Rodriguez damals bei «The Faculty» sehr prägend, denn er liess uns alle immerzu an seiner Arbeit teilhaben und vermittelte dadurch das Gefühl, dass Filmemachen nichts Elitäres ist. Aber tatsächlich hat mich auch Sarah Polley selbst inspiriert. Zu sehen, wie eine tolle, unglaubliche smarte Schauspielerin diesen Wechsel ins Regiefach angegangen ist und dort bis heute auftrumpft, hat mich nachhaltig beeindruckt.



Aber Ihnen macht, anders als ihr, auch hin und wieder noch die Schauspielerei Spass, oder? Ja, aber natürlich habe ich aufgrund der anderen Projekte längst nicht mehr so viel Zeit dafür wie früher. Was ich aber auch ganz gut finde, denn so bin ich wirklich selektiv und überlege mir sehr genau, welche Rollen ich spiele.

Durch meine Arbeit als Autorin und Regisseurin hat sich auch mein Blick auf die Schauspielerei ein wenig verändert. Ich sehe heute schneller, ob mir eine Rolle wirklich liegt oder ob es nicht vielleicht andere gibt, die darin besser wären. Man muss sich ja als Schauspielerin immer anpassen, an die Figur und an die Vision der Person hinter der Kamera. Das kann oder will ich nicht immer. Aber dann gibt’s auch Sachen wie kürzlich die Serie «Poker Face», für die ich eine Folge lang wieder mit Natasha vor der Kamera stand und den Spass meines Lebens hatte!

Stichwort Spass und Natasha: Ihr gemeinsamer Film «But I’m a Cheerleader» war 1999 kein grosser Hit, ist aber inzwischen echter Kult und in den letzten paar Jahren populärer denn je. Wann haben Sie gemerkt, dass dieser kleine Film scheinbar ein langes Leben hat? Das fing vor ungefähr fünf Jahren an, würde ich sagen. Aber wie gross die Fangemeinschaft des Films ist, wurde mir dann erst im vergangenen Sommer bewusst. Da gab es ein riesiges Open Air-Screening in Los Angeles, auf dem Hollywood Forever-Friedhof. Ich wurde gebeten, dabei zu sein und ein paar Worte zur Begrüssung zu sagen. Und da sassen doch tatsächlich über 4.000 Leute! Das war schon irre. Übrigens nicht nur Menschen meiner Generation, sondern auch viele junge Kids. Dass «But I’m a Cheerleader» immer noch neue Fans findet, die die Geschichte relevant und witzig finden, ist echt verdammt cool.

Eine Nacht mit … Jodie Foster: Starke Frauenrollen, sensible Darstellungen von Personen, die Gewalt ausgesetzt sind und schräge Komödien. Foster kann auf eine lange Karriere zurückblicken (MANNSCHAFT berichtete).

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