Nach Brand in Apollo-Sauna: Prozessbeginn wegen «fahrlässiger Tötung»
Zwei Jahre nach dem verheerenden Feuer stehen jetzt in Berlin vier Männer vor Gericht und müssen sich verantworten. Seltsamerweise fällt dabei nie das Wort «schwuler Sexclub»
Unter den Namen «Apollo Sauna» bzw. später «Apollo Splash Club» war der Club in der Kurfürstenstrasse, gegenüber vom Aquarium und in der Nähe vom Bahnhof Zoo, fast vier Jahrzehnten eine Berliner Institution. Dann brach 2017 ein Feuer aus, drei Männer starben. Seit Freitag wird nun Tareq T., Fabian W., Marcel M. und Timo Z. vorm Berliner Amtsgericht der Prozess gemacht. Vorwurf: Fahrlässige Tötung und fahrlässige Körperverletzung.
Die Apollo Sauna eröffnete 1981 und war für viele Schwule das Berliner Äquivalent zu den grossen Sextempeln in New York City und San Francisco, z. B. dem Everard oder den Continental Baths. Während jene US-Institutionen alle nach Ausbruch der Aids-Krise geschlossen wurden und damit ein sehr spezielles (und wichtiges) Kapitel schwuler Geschichte endete, machte die Apollo-Sauna weiter und florierte in den Jahren vorm Mauerfall. Nach 1989 kamen immer mehr Saunen in Berlin hinzu – auch im Ostteil der Stadt – und machten Konkurrenz.
Trotzdem operierte das Apollo weiter, obwohl es irgendwann im neuen Millennium eine eher bemitleidenswerte Aura ausstrahlte. Vom einstigen Glanz war nicht mehr viel übrig geblieben. Trotzdem vermerkte der «Spartacus Travel Guide» noch 2016: «Auf zwei Ebenen finden sich viele Kabinen, Spielflächen und ein Dunkellabyrinth, sowie eine Dampf- und Trockensauna. Wer mag, kann dort auch die beliebten Schaumpartys besuchen.» Von diesen Schaumpartys zur Adventszeit gibt es aus dem Jahr 2013 sogar noch ein Promo-Video auf YouTube.
Dann kam es Anfang Februar 2017 zu einem verheerenden Brand. (MANNSCHAFT berichtete.) Wie Zeuge Jens R. vorm Berliner Amtsgericht aussagte, bemerkte er am 5. Februar kurz nach 22 Uhr in seiner Kabine Brandgeruch. «Ich war schon angezogen und im Gehen», erzählt der 50-jährige Bauingenieur. Als er die Tür öffnete, sei ihm schwarzer Qualm entgegengekommen.
Die Gerichtsreporterin der Zeitung B.Z. fasst den Bericht von Jens R. zusammen: «Er lief in den Poolraum. Dachte: Da ist Luft und vor allem Wasser. Dann ging plötzlich das Licht aus. Und auch der Qualm habe sich durch die Tür gefressen. Er habe sich mit der Taschenlampe seines Handys zur Treppe getastet. Irgendwo piepte ein Rauchmelder dünn vor sich hin. Auf der Treppe schnappten mich dann Feuerwehrleute.»
Nackt auf der Strasse Die Sauna wurde evakuiert, Gäste musste teils nur mit Handtüchern um die Hüften oder mit Bademänteln bekleidet auf die schneebedeckte nächtliche Strasse. Einsatzkräfte der Feuerwehr mussten das Stahlgitter eines Eingangstores nebenan aufsägen, um an den Brandherd zu kommen. Die Rettungsarbeiten gestalteten sich schwierig, weil die Räumlichkeiten im Untergeschoss des Apollo bekanntermassen «labyrinthartig» angelegt waren.
Drei Saunabesucher schafften die Flucht nach Draussen nicht, sie starben an Rauchgasvergiftung. Jens R. lag fünf Tage im Krankenhaus und musste eine Sauerstofftherapie machen. Danach war er drei weitere Wochen lang krankgeschrieben.
Kurz nach dem Brand besichtigten Mitarbeiter der Bauaufsicht zusammen mit Polizei und Feuerwehr die Reste der Sauna und erteilten den Betreibern eine sogenannte «Nutzungsuntersagung». Das heisst, seither ist das Apollo geschlossen und Geschichte.
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Über zwei Jahre später sitzt jetzt der Verursacher des Feuers auf der Anklagebank: Tareq T. (37) hatte damals eine Zigarettenkippe mangels Aschenbecher in einem mit einer Plastiktüte ausgekleideten Kunststoffmülleimer entsorgt. Daraus entwickelte sich das Flammeninferno.
Das grosse Schweigen Neben ihm auf der Anklagebank: die beiden Geschäftsführer Fabian W. (44) und Marcel M. (42) sowie der damalige Betriebsleiter des Sauna-Clubs, Timo Z. (33). Laut Anklage waren in der Apollo-Sauna seit 2009 die Brandschutzbestimmungen grob verletzt worden. Beide Geschäftsführer sollen es unterlassen haben, Umbaumassnahmen an die baurechtlichen Bestimmungen anzupassen.
Schon vorher sollen laut Anklage nicht genehmigte Änderungen im Kellergeschoss vorgenommenen worden sein. So sei etwa eine feuerbeständige Wand an mehreren Stellen durch Lüftungsleitungen ohne die erforderlichen Brandschutzklappen unterbrochen gewesen. In der Anklageschrift heisst es, die Entlüftungsanlage zur Entrauchung der Räume sei nicht funktionsfähig gewesen und zur Tatzeit seien darüber hinaus die Notausgänge und Rettungswegpiktogramme zugestellt gewesen.
Die B.Z.-Gerichtsreporterin berichtet: «Während zwei der Angeklagten zunächst schwiegen, liess der Betriebsleiter durch seine Anwälte sein Bedauern über das Geschehen ausdrücken. Und seine Unschuld beteuern. Er sei strafrechtlich nicht zur Verantwortung zu ziehen und hoffe, rehabilitiert zu werden. Einzig Marcel M. äusserte sich umfassend, berief sich auf eine strikte Aufgabenteilung zwischen den Geschäftsführern. Er habe sich um das Kaufmännische gekümmert. Bau- und Sicherheitsbereich hätte W. damals zu verantworten gehabt.»
Akzeptanz sexueller Vielfalt in Brandenburg – noch viel zu tun
Kein Wort über Sex Der Prozess wird am 4. September fortgesetzt. Interessanterweise sprechen die B.Z. und andere Nachrichtenportale, ebenso dpa, immer nur von einem «Sauna-Club» und erwähnen mit keinem Wort, dass es sich um eine schwule Institution handelt(e), die einst Teil des LGBTIQ-Lebens in Berlin war, bevor es Partys wie Pornceptual und Locations wie Berghain und Lab.Oratory, KitKatClub oder Events «für zivilisierte Leute» gab, wie «Spartacus» das formuliert.
Ist es eine Form von Homophobie, diese Information zu unterschlagen? Soll es die Angeklagten (und die Toten) schützen vor einem Zwangsouting? Ist die sexuelle Orientierung der Apollo-Besucher und -Opfer unwichtig, wenn es um eine Brandkatastrophe geht?
Darüber kann man geteilter Meinung sein.
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