Es knistert im Knast – queerer Gefängnisalltag in TV und Film

Wie realistisch sind die Sexszenarien?

Aus einem Machtspiel wird ernst: Tobias (Lee Tergesen) und Chris (Christopher Meloni) entwickeln in «0z» echte Gefühle füreinander. (BIld: HBO)
Aus einem Machtspiel wird ernst: Tobias (Lee Tergesen) und Chris (Christopher Meloni) entwickeln in «0z» echte Gefühle füreinander. (BIld: HBO)

Harte Jungs und böse Mädchen weggesperrt und ganz unter sich. Raue Sitten und beengter Raum. Schon immer haben Gefängnisszenarien in Film und Fernsehen die Fantasie der Zuschauer*innen angeregt. Eingesperrt – ausschliesslich mit dem eigenen Geschlecht. Was mag da in den wenigen unbeobachteten Momenten wohl passieren?

Angesichts eines solchen Mikrokosmos ist es wenig verwunderlich, dass in fiktiven Darstellungen vom Gefängnisalltag häufig auch von gleichgeschlechtlicher Sexualität erzählt wird, zuletzt im Kinofilm «Grosse Freiheit» (MANNSCHAFT berichtete). Aber ist Sex im Knast wirklich an der Tagesordnung oder doch nur reine Fiktion?

Der Gefängnisfilm wird ab den 1930er-Jahren zu einem eigenständigen Genre und hat auch den Sprung ins Serienformat geschafft. Einer der wohl wichtigsten Vertreter der Filmgattung erschien bereits 1985. Der Film «Kuss der Spinnenfrau» erzählt von der Liebesbeziehung zweier Gefangener in einem brasilianischen Gefängnis (so wie dieses Paar im echten Leben – MANNSCHAFT berichtete). Beide versuchen dem tristen Alltag hinter Gittern zu entfliehen, indem sie sich gegenseitig Geschichten erzählen. Trotz des seinerzeit gewagten Themas gewann der Film zahlreiche Preise, und Hauptdarsteller William Hurt wurde sogar mit dem Oscar ausgezeichnet.

Auch Jim Carrey und Ewan McGregor verlieben sich im Gefängnis ineinander. In der Komödie «I Love You Phillip Morris» geht ein verurteilter Trickbetrüger eine Beziehung mit seinem Zellengenossen ein. Der recht klischeebehaftete Film aus dem Jahr 2009 fand aufgrund schwuler Sexszenen lange Zeit keinen US-Verleih und musste sogar umgeschnitten werden.

Auf insgesamt fünf Staffeln brachte es die Gefängnisserie «Prison Break» mit dem offen schwulen Hauptdarsteller Wentworth Miller. Im Laufe der Jahre gab es auch eine Vielzahl queerer Charaktere wie den Gewaltverbrecher T-Bag, der seine Zellengenossen zum Sex zwingt und unterwirft. Doch das Coming-out von Hauptdarsteller Miller liess die Macher*nnen noch progressiver werden. Im 2017 gestarteten Revival steht mit Sid (Kunal Sharma) ein Mann im Zentrum der Handlung, der wegen seiner Homosexualität in einem jemenitischen Gefängnis sitzt und schwerste Misshandlungen erleiden muss. So wird aus einer Actionserie für ein eher heterosexuelles Publikum eine Serie mit starker LGBTIQ-Botschaft und ernsten Themen. Einen deutlich realistischeren Ansatz hat die bereits 1997 gestartete HBO-Serie «Oz», in der die Insassen nach Nationalität, Religionszugehörigkeit aber auch Sexualität getrennt werden. Ein zentrales Thema ist das massive Mobbing der Schwulen durch homophobe Gangs.

Filme über weibliche Straftäterinnen und Frauengefängnisse waren hingegen lange ein beliebtes Subgenre des Exploitationfilms, weshalb es in diesen Produktionen weniger anspruchsvoll als vielmehr heiss hergeht und sie meist an der Schwelle zur Pornografie stehen. So auch der 1983 veröffentlichte Film «Chained Heat» mit Linda Blair, der vor allem für die stereotypisierte Darstellung lesbischer Frauen kritisiert wird. Enormer Popularität erfreut sich hingegen die deutschsprachige Gefängnis-Soap «Hinter Gittern», die in 16 Staffeln auf überzogene Weise den Gefängnisalltag darstellt.

Für viele unvergessen ist Kathy Karrenbauer in der Rolle der lesbischen Walter. 2015 versuchte man bei RTL eine weitere Serie über ein Frauengefängnis zu starten. «Block B» wurde jedoch nach wenigen Folgen wieder aus dem Programm genommen. Die Serie ist eine Adaption der australischen Serie «Wentworth», die von Bea (Danielle Cormack) handelt, die ihren Mann umgebracht hat und sich nun in der Knasthierarchie nach oben arbeitet. Deutlich humorvoller ist «Orange Is the New Black». Die vielfach ausgezeichnete Netflix-Serie mit trans Frau Laverne Cox endete 2019 nach 91 Folgen und erfuhr viel Lob für die Darstellung queerer Figuren.

Gefängnisse sind stark homophobe Orte.

Es verwundert wohl kaum, dass echte Gefängnisse wenig mit den fiktionalen Darstellungen in Film und Fernsehen zu tun haben. Auch eine australische Studie räumt mit dem Mythos auf, dass es im Gefängnis übermässig oft zu homosexuellem Sex kommt. Gefängnisse sind stark homophobe Orte, weshalb nur etwa 7 % Prozent der Männer eine gleichgeschlechtliche Erfahrung gemacht haben. Mit 36 % liege der Anteil sexueller Kontakte in Frauengefängnissen laut Studie aber deutlich höher. Es knistert also weit weniger im Knast, als uns Film und Fernsehen weismachen wollen.

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