Erster schwuler Ermittler im Bremer «Tatort»
Patrick Güldenberg hatte sich 2021 im Rahmen von #Actout geoutet
Kommissarin Liv Moormann ist die Sympathieträgerin beim «Tatort» aus Bremen. Tough ist sie, eigensinnig, aber auch verschlossen. An ihrer Seite: der erste schwule Ermittler.
Von: Friedemann Kohler, dpa
Bremerhaven an der Nordsee ist einer der grössten Häfen für Autotransporte in Europa. Gigantische Frachter bringen und holen jährlich bis zu zwei Million Fahrzeuge. Doch aus einem dieser unzähligen Neuwagen sickert Blut, ein Toter liegt im Kofferraum. Als spektakuläre Kulisse kommt nun auch Bremerhaven in dem neuen «Tatort» von Radio Bremen vor: «Donuts» am Sonntag um 20.15 Uhr im Ersten ist ein nächtlich dunkles Drama mit grellen, bunten Lichtern, rasanten Stunts und schnellen Schnitten – mehr Kino für junges Publikum als Sonntagabendkrimi. Der «Tatort» macht auf «Fast and Furious».
Für mich ist mit dem Dreh in meiner Heimatstadt ein kleiner Traum in Erfüllung gegangen
Regisseur Sebastian Ko stammt selbst aus der Küstenstadt an der Wesermündung. Er hat am Drehbuch mitgeschrieben, man spürt, dass er Stadt und Leute kennt. «Für mich ist mit dem Dreh in meiner Heimatstadt ein kleiner Traum in Erfüllung gegangen», sagt Ko. Vom Meer her wirke Bremerhaven mit seiner Skyline und dem gigantischen Hafen wie eine Metropole. Doch dahinter verberge sich eine «kleine Stadt mit grossen sozialen Verwerfungen». Das arme Bremerhaven hat seit Jahren eine der höchsten Arbeitslosenquoten in Deutschland.
Für die Bremer Ermittlerin Liv Moormann (Jasna Fritzi Bauer) und ihre Kolleg*innen bedeutet ihr vierter Fall also ein Auswärtsspiel. «Jein», antwortet BKA-Analystin Linda Selb (Luise Wolfram) auf die Frage, ob die Bremer Polizei überhaupt zuständig sei. Der Überseehafen in Bremerhaven sei formal Bremer Stadtgebiet. «Der Bürgermeister Smidt hat vor 200 Jahren 120 Goldtaler dafür gelatzt», sagt Selb. «Seitdem ist es kompliziert. So wie in jeder guten Beziehung.»
Spuren in der Mordsache führen zu den jugendlichen Autotuner*innen Marie (Luisa Böse), Gheorghe (Adrian But) und Oleg (Jonas Halbfas). Sie schnappen sich heimlich Autos für nächtliche Rennen. Nur ist diesmal der gestohlene Wagen eine Nummer zu heiss für sie. Vor allem Marie ist ein As am Steuer, risikosüchtig. Sie lässt die Autos mit qualmenden Reifen im Kreis schlittern. «Donuts» heisst dieses Kunststück im Slang.
Liv Moormann ist in ihrer Heimatstadt Bremerhaven weitgehend auf sich gestellt. Immerhin wird sie dort als Eigengewächs akzeptiert. Zur Seite steht ihr der örtliche Kollege Robert Petersen (Patrick Güldenberg), mit dem sie schon früher zusammen Dienst geschoben hat.
Güldenberg ist der erste schwule «Tatort»-Ermittler. «Ich spiele einen schwulen Kommissar, der einen Vorgesetzten mit einer toxischen Männlichkeit hat», sagte der Schauspieler in der Bunten. Seine Homosexualität werde aber eher nebensächlich erzählt. «Und das ist gut so», findet Güldenberg. Gerade diese Beiläufigkeit habe durchaus etwas Progressives.
Die Heimat umarmt mich wie ein böser Tiger
Krimi-Puristen streiten, wie viel man über das Privatleben von Kommissar*innen wissen will – nach diesem «Tatort» weiss das Publikum mehr über die zerrütteten Familienverhältnisse von Liv Moormann, als die toughe Polizistin je freiwillig preisgeben würde. «Die Heimat umarmt mich wie ein böser Tiger», sagt sie. Denn auch die Auto-Närrin Marie heisst mit Nachnamen Moormann. Und es dauert unzulässig lange, bis die Polizistin bei ihren Kolleg*innen mit dieser Wahrheit herausrückt.
«Bringt dir das ’nen Kick, die ganze Bremerhavener Polizei abzuhängen?», faucht die ältere Halbschwester die jüngere an. «Steckst mich in den Knast?», gibt Marie zurück. «Würde ja passen, alles für die Scheisskarriere!» In den Szenen mit der dazugehörigen Mutter (Angelika Richter) trägt der Film ziemlich dick auf.
Gegen Ende spitzt sich das psychologische Drama zwischen den ungleichen Schwestern zu. Kann die Ermittlerin die kleine Schwester vor noch mehr Unheil bewahren? Und welche Entscheidungen trifft Marie? Noch einmal heult ein Motor auf, der Drehzahlmesser dreht hoch, Reifen quietschen … Dann wird alles still, sehr still.
Der zweite Fall der Bremer «Tatort»-Kommissar*innen Moormann, Andersen und Selb war mehrsprachig, manchmal witzig und gewürzt mit mehr oder weniger fundierten Lebensweisheiten (MANNSCHAFT berichtete).
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