Bekommt die Schweiz ihr eigenes #OutInChurch?

Das kirchliche Arbeitsrecht ist immer noch diskriminierend

Foto: Henning Kaiser/dpa
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Auch in der Schweiz fürchten viele LGBTIQ-Mitarbeitende der katholischen Kirche das Coming-out. Doch nach der Aktion #OutInChurch in Deutschland rumort es auch hier.

Einen Job mit Verkündungs- und Lehrauftrag wie Priester, Ordensschwestern, Seelsorgende, Pastoralassistenten oder Religionspädagoginnen haben in der Schweiz über 2700 Menschen. Wie viele davon queer sind, ist nicht bekannt. Nun soll es aber laut Sonntagszeitung ein Treffen von LGBTIQ-Mitarbeitenden der katholischen Kirche am vergangenen Donnerstag gegeben haben.

Wer im kirchlichen Dienst seine homosexuelle Beziehung offenlegt, dem droht die Kündigung. Spricht man schon im Bewerbungsverfahren darüber, läuft man Gefahr, erst gar nicht eingestellt zu werden. Das gilt auch für Menschen, die eine zweite Partnerschaft nach einer Scheidung der kirchlichen Ehe führen.

Anfang des Jahres hatten sich in Deutschland 125 Katholik*innen unter dem Motto «Out in Church» geoutet (MANNSCHAFT berichtete). Ihre Forderung: eine Änderung des kirchlichen Arbeitsrechts, sodass die sexuelle Orientierung und die geschlechtliche Identität künftig kein Kündigungsgrund mehr sind. Ausserdem sollen diffamierende Aussagen zu Geschlechtlichkeit und Sexualität aus der kirchlichen Lehre gestrichen werden.

Auch der Schweizer Pierre Stutz hatte sich an der Aktion beteiligt. Der Kirchenmann hat vor 20 Jahren sein Amt als Priester niedergelegt. Er habe die «menschenunwürdige Sexualmoral der Kirche» nicht mehr ausgehalten, so Stutz zur Sonntagszeitung. Heute lebt er in Osnabrück und ist mit seinem Mann verheiratet. Aber er kämpft weiter gegen die «homophobe Lehre» im Katechismus. Stutz ist Träger des internationalen Herbert-Haag-Preises: Damit werden Menschen geehrt, die sich allen Widrigkeiten zum Trotz zu ihrer gleichgeschlechtlichen Orientierung bekennen bzw. Christ*innen auffordern, dies zu akzeptieren.

Noch immer noch fürchten sich auch viele LGBTIQ in der Schweiz vor einem Coming-out. «Weil sie nicht wissen, welche Konsequenzen es haben wird», sagt Meinrad Furrer, der offen schwule Beauftragte für Spiritualität bei Katholisch Stadt Zürich. Furrer hat zusammen mit Mentari Baumann von der Allianz Gleichwürdig Katholisch, eine Vernetzung von Queers in der katholischen Kirche aufgebaut. Im vergangenen Mai führte er Segensgottesdienste auf dem Platzspitz in Zürich durch (MANNSCHAFT berichtete). Nun hofft er, dass die Forderungen von «Out in Church» auch in der Schweiz Früchte tragen.

Tatsächlich herrsche in den Schweizer Bistümern «eine gewisse Willkür», erklärt Bruno Fluder, Sprecher von Adamim, dem Verein Schwule Seelsorger Schweiz. Dessen Präsident, ein Seelsorger aus Zürich, hat bereits einen Termin mit Bischof Bonnemain gemacht, wie die Sonntagszeitung berichtet: Dann will er sich offiziell outen.

Zwar sagte Bonnemain im Februar gegenüber dem katholischen Medienportal Kath.ch: «Jeder Mensch ist einmalig und wird von Gott geliebt.» Dies gelte auch für queere Menschen. «Wir dürfen einen Menschen nicht auf sein Empfinden reduzieren», so Bonnemain. »Etwas anderes ist das Verhalten oder die Lebenspraxis».

Durch die Aufmerksamkeit, die das Thema mittlerweile hat, werde sich wohl kaum noch ein Bischof trauen, LGBTIQ-Mitarbeitende zu kündigen, glaubt Fluder von Adamim. Sicher könnte man sich aber trotzdem nicht sein.

Viele Gläubige halten das kategorische Nein des Vatikan zur Segnung homosexueller Partnerschaften für falsch. Und Segnungsgottesdienste finden seither dennoch statt. Für den Würzburger Bischof ist das Thema längst nicht beendet – auch wenn Rom das so wolle (MANNSCHAFT berichtete).

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