Bechtler Museum of Modern Art zeigt Annemarie Schwarzenbach
Der Titel «Aufbruch ohne Ziel» bezieht sich auf ein Leben geprägt von grosser Rastlosigkeit und Heimatlosigkeit
Charlottes Museum für moderne Kunst präsentiert Annemarie Schwarzenbach: Es ist die US-Premiere einer Fotoausstellung.
Die Schriftstellerin, Journalistin, Fotografin, Kosmopolitin und Modeikone Annemarie Schwarzenbach (1908-1942) war eine der schillerndsten und widersprüchlichsten Figuren der modernen Schweizer Kulturgeschichte. Von Fernweh, dem Wunsch nach sozialem Fortschritt und Abenteuerlust getrieben, reiste Schwarzenbach zwischen 1933 und ihrem Tod im Jahr 1942 ausgiebig durch Europa, Zentralasien, Zentral- und Nordafrika sowie die Vereinigten Staaten. Obwohl sich Schwarzenbach in erster Linie als Schriftstellerin verstand, war sie eine Pionierin des Fotojournalismus in der Schweiz. Ihre Arbeit als Journalistin, ihre Herkunft aus der Oberschicht und ihr Status als Ehefrau des französischen Diplomaten Claude Clarac gewährten ihr eine für die damalige Zeit aussergewöhnliche Reisefreiheit.
Annemarie Schwarzenbach: Abflug ohne Ziel, präsentiert in Zusammenarbeit mit dem Zentrum Paul Klee in Bern, Schweiz, ist die erste grosse Retrospektive, die der Fotografie von Annemarie Schwarzenbach gewidmet ist. Das Bechtler Museum of Modern Art präsentiert die US-Premiere von Schwarzenbachs Werk, das bis zum 19. Juni 2022 zu sehen ist. Die von Martin Waldmeier in Zusammenarbeit mit dem Zentrum Paul Klee kuratierte Ausstellung zeigt Archivmaterial, Filme und 200 Fotografien aus dem rund 7000 Fotografien umfassenden Nachlass von Annemarie Schwarzenbach, der sich im Schweizerischen Literaturarchiv in Bern befindet.
Schwarzenbach wurde 1908 in die wohlhabende Zürcher Industriellenfamilie Schwarzenbach-Wille hineingeboren und absolvierte ein Geschichtsstudium in Zürich und Paris. Aufgrund ihrer politischen und sexuellen Orientierung wandte sie sich von ihrer konservativen Familie ab und knüpfte Kontakte zur deutschen literarischen Diaspora, insbesondere zu den Geschwistern Klaus und Erika Mann. 1931 lebte sie in Berlin, bevor sie nach der nationalsozialistischen Machtergreifung nach Spanien, Russland und in den Iran zog, wo sie Prosa und journalistische Schriften veröffentlichte.
Trotz ihres jahrelangen Kampfes mit der Drogenabhängigkeit professionalisierte sich Schwarzenbach im Laufe der 1930er Jahre als Reise- und Reportagejournalistin. Auf gemeinsamen Reisen mit Schriftstellerinnen und Fotografinnen wie Ella Maillart, Marianne Breslauer und Erika Mann wendet sie sich sozialen und politischen Themen zu, darunter dem Aufstieg des Nationalsozialismus, der Arbeiterbewegung in den Vereinigten Staaten, den Folgen der Modernisierung und der Rolle der Frau in der Gesellschaft. Ihre Fotografien offenbaren aber auch eine Sehnsucht nach fremden Ländern und der Poesie des Reisens. Zu ihren Lebzeiten wurden rund 300 Artikel von Schwarzenbach in Schweizer Zeitschriften und Zeitungen veröffentlicht. Ab 1933 wurden diese Artikel zunehmend von ihren eigenen Bildern begleitet, obwohl die meisten von Schwarzenbachs Fotografien bis zu ihrem Tod im Alter von 34 Jahren unveröffentlicht blieben.
«Annemarie Schwarzenbach war ein Multitalent – als Schriftstellerin, Journalistin und Fotografin – in einer Zeit, in der nur wenige Frauen in diesen Bereichen vertreten waren», sagt Todd D. Smith, Executive Director des Bechtler Museum of Modern Art. «Der Dialog, der sich zwischen Schwarzenbachs Texten und Fotografien entfaltet, öffnet den Blick für die Umwälzungen und Konflikte der 1930er Jahre. Gleichzeitig erkundet Schwarzenbachs dokumentarischer Blick die Themen auf poetische und erstaunlich zeitgenössische Weise.»
In den 1980er Jahren wurde Annemarie Schwarzenbach als Schriftstellerin, Pionierin und Homosexuellen-Ikone gefeiert.
Als ihr literarisches Werk in den 1980er Jahren wiederentdeckt wurde, wurde Schwarzenbach als Schriftstellerin, Pionierin und Homosexuellenikone gefeiert. Ihr geschlechtsspezifischer Sinn für Mode und ihr Lebensstil waren die Inspiration für Clare Waight Kellers Frühjahr/Sommer-Kollektion 2019 für das Modehaus Givenchy.
Erst in jüngster Zeit wurden Schwarzenbachs Beiträge zur Fotografie anerkannt. Ihre Bilder und Schriften sind eng miteinander verwoben und dokumentieren die Umwälzungen, Spannungen und Konflikte der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg. Schwarzenbachs Fotografien vermitteln auch private Themen wie das Leben im Exil, die Suche nach Identität, Homosexualität und den Wunsch, die konventionellen Geschlechterrollen zu überschreiten. Vor allem aber drücken die Fotografien Schwarzenbachs unbändige Reiselust aus – und ihre Suche nach Begegnungen mit dem Unbekannten, dem «Aufbruch ohne Ziel» als existenzielle Erfahrung.
Der Ausstellungstitel «Aufbruch ohne Ziel» bezieht sich auf das Leben von Annemarie Schwarzenbach, das von grosser Rastlosigkeit, Heimatlosigkeit, Entwurzelung, Aufbruch und der Suche nach Hoffnung in der Fremde geprägt war. Diese Themen ziehen sich wie ein roter Faden durch ihre Schriften und ihr fotografisches Werk und verbinden das Werk mit der literarischen Tradition der Moderne.
Das Bechtler Museum of Modern Art ist nach eigenen Angaben das einzige Museum im Süden der Vereinigten Staaten, das sich ausschliesslich der europäischen und amerikanischen Kunst der Moderne und ihrem Erbe widmet. Die Sammlung des Bechtler Museum of Modern Art aus der Sammlung der Zürcher Familie Bechtler umfasst Werke von einigen der wichtigsten und einflussreichsten Persönlichkeiten der Moderne, darunter Alexander Calder, Le Corbusier, Edgar Degas, Max Ernst, Alberto Giacometti, Barbara Hepworth, Jasper Johns, Paul Klee, Alfred Manessier, Joan Miró, Kenneth Noland, Pablo Picasso, Bridget Riley, Nicolas de Staël, Andy Warhol und vielen anderen Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts.
Das von dem Schweizer Architekten Mario Botta entworfene Museum wird durch das ikonische Werk Le Grand Oiseau de Feu sur l’Arche von Niki de Saint Phalle auf dem Eingangsplatz geprägt. Das Bechtler befindet sich im Herzen von Uptown und ist ein lichtdurchfluteter Gemeinschaftsraum, der sowohl Erstbesucher*innen als auch langjährige Unterstützer*innen inspirieren und ansprechen soll.
Mit ihren beklemmenden Porträts und menschlichen Figuren hat Marlene Dumas die grössten Museen weltweit bespielt. Nun sind in Italien u.a. ihre Porträts berühmter Homosexueller zu sehen (MANNSCHAFT berichtete).
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