Antidiskriminierung wozu? Die Hinhaltetaktik der Bundesregierung
Die Grosse Koalition in Berlin interessiert sich nicht für den Kampf gegen Diskriminierung - ein Kommentar von Kriss Rudolph
Vor sechs Monaten verabschiedete Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Christine Lüders, aus ihrem Amt. Giffey attestierte ihr großes Engagement und viel Herzblut im Kampf gegen Antidiskriminierung.
Seit sechs Monaten ist die Antidiskriminierungsstelle des Bundes nun ohne Führung. Wir haben das bei MANNSCHAFT kürzlich bereits thematisiert: Queerpolitiker fast aller Parteien haben kritisiert, dass nach Ausscheiden von Christine Lüders aus dem Amt keine neue Führung gefunden wurde.
Der LINKE-Bundestagsabgeordnete Achim Kessler hakte in der vergangenen Woche nach und stellte eine schriftliche Frage an die Regierung: «Wann gedenkt die Bundesregierung, die vakante Stelle der Leiterin/des Leiters der Antidiskriminierungsstelle des Bundes neu zu besetzen?»
Am heutigen Donnerstag erhielt Kessler folgende Antwort: «Die Besetzung der Leitung der Antidiskriminierungsstelle erfolgt durch die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend aufgrund eines Vorschlags der Bundesregierung.» Das ist nun nichts Neues und sollte die insgesamt schmallippige Antwort wohl lediglich etwas aufbauschen. Danach folgen zwei weitere Sätze, die wenig Klarheit schaffen. Im Gegenteil ist die Verwirrung nun noch größer.
«Der von der Bundesregierung beschlossene Vorschlag kann derzeit wegen verwaltungsgerichtlicher Verfahren nicht umgesetzt werden. Die Besetzung soll unmittelbar nach Verfahrensabschluss erfolgen», lautet die Antwort des Ministeriums.
Unpräziser geht es kaum. Der Verdacht liegt nahe, dass man sich hier an einer Verschleierungs-. und Verzögerungstaktik versucht.
Ich hatte nie ein Vier-Augen-Gespräch mit der Bundeskanzlerin
«Ich hatte nie ein Vier-Augen-Gespräch mit der Bundeskanzlerin», hatte Lüders in ihrem letzten Amtsjahr gegenüber dem Portal queer.de erklärt. Ein weiteres Indiz dafür, welchen Stellenwert der Kampf gegen Diskriminierung für die Regierung hat. Dabei bekennt man sich im Koalitionsvertrag ja zur Arbeit der Antidiskriminierungsstelle; zudem wolle man Aktionspläne gegen Rassismus und Diskriminierung «fortführen und weiterentwickeln», heisst es im Vertrag. Auch hier ist bisher nichts passiert.
Grosses Engagement und viel Herzblut Am 27. April 2018 war es, dass Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Christine Lüders, aus ihrem Amt verabschiedet hat. Lüders habe mit grossem Engagement und viel Herzblut Antidiskriminierung und Gleichstellung in unserem Land vorangebracht, sagte Giffey. Die 65-Jährige beendete nach zwei Amtszeiten ihre Tätigkeit an der Spitze der Behörde. Seither wird sie kommissarisch geführt.
Michael Kauch, Bundesvorsitzender der Schwulen und Lesben in der FPD (LiSL) hatte uns auf Anfrage in der vergangenen Woche mitgeteilt: «Diese Bundesregierung scheint sich soweit mit ihren internen Querelen zu beschäftigen, dass sie selbst in notwendigen Personalangelegenheiten ihren Job nicht macht.» Angesichts der Machtkämpfe in der Union darf man wohl vor Ende des Jahres nicht damit rechnen, dass die Antidiskriminierungsstelle des Bundes wieder eine hauptamtliche Führung bekommt. Das ist zutiefst traurig und blamabel.
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