«Anschlag» auf Minister-Haus durch «militante Transaktivist*innen»?

In Gelsenkirchen wurde das Privatwohnhaus des Bundesjustizministers «markiert»

Symbolfoto: Denny Muller / Unsplash
Symbolfoto: Denny Muller / Unsplash

Unmittelbar vorm CSD in Gelsenkirchen, der am 20. Mai stattfand, wurde das Haus von Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) in der Stadt beschmiert, auch die Scheibe einer Tür wurde eingeschlagen. Die Polizei prüft einen linksextremen Webportal-Eintrag, in dem ein «transfeindlicher Einfluss» als Grund angegeben wird.

Der Vorfall liegt bereits zwei Wochen zurück. Er blieb jedoch bis jetzt von den Medien unbeachtet, gleichwohl Buschmann selbst umgehend eine Strafanzeige gestellt hatte, nachdem Nachbar*innen den Vorfall bemerkt und der Polizei gemeldet hatten.

Marco Buschmann
Marco Buschmann

Dann griff jedoch die Bild-Zeitung den Fall diese Woche gross auf (nachdem zuerst das Springer-Blatt Die Welt in einer Glosse darüber berichtet hatte, während Buschmann dazu geschwiegen hatte). Es war jetzt die Rede von einem «Anschlag». An der Eingangstür sei der Schriftzug «Selbstbestimmung statt bathroom bills» geschrieben sowie ein Transgender-Anarchie-Symbol gemalt worden, heisst es.

Bild zitiert Polizeisprecherin Merle Mokwa mit den Worten: «Wir können bestätigen, dass wir am 19. Mai Ermittlungen wegen Sachbeschädigung aufgenommen haben. Und das an einem Haus, in dem auch der Bundesjustizminister Marco Buschmann gemeldet ist. Der Staatsschutz ermittelt. Bislang gibt es keine Hinweise zu Tatverdächtigen.»

«Architektonische Umgestaltung» Obwohl es keine Tatverdächtigen gebe, sei auf der «linksextremen Plattform» Indymedia der Vorfall bekannt gegeben worden. Als Begründung für die Aktion heisst es dort: «Da er als Bundesjustizminister massiv transfeindlichen Einfluss auf den Entwurf des Selbstbestimmungsgesetzes nimmt.» Dieses Statement wurde am Donnerstag von verschiedenen Tageszeitungen zitiert. Es ist ferner die Rede davon, dass man das Haus von Buschmann «markiert» habe.

Zur eingeschlagenen Glaseingangstür erfährt man auf der Online-Plattform: «Auch im Bezug auf die Glaselemente des Eingangs kam er (Buschmann; Anm.) in Genuss einer architektonischen Umgestaltung.»

Unterzeichnet sei der Post mit der Aufforderung zu weiteren radikalen Protestaktionen «für die militante Selbstverteidigung von trans und queeren Menschen! Zurückschlagen, wenn wir Menschen zweiter Klasse sein sollen!» Die Bild-Zeitung zitiert weiter: «Wenn Rechtfertigungen für transmisogyne Diskriminierung erstmals ins Recht aufgenommen werden sollen (…), dann können Autonome, die für trans Befreiung und Anarchafeminismus einstehen wollen, dies nicht unbeantwortet lassen.»

«Grenzüberschreitung» Buschmann bestätigte am Mittwoch den Vorfall auf Twitter und zeigte kein Verständnis für die Täter. «Demokraten streiten mit Argumenten – nicht mit Gewalt und Sachbeschädigungen.». Seine politische Meinung könne man mit derlei Aktionen nicht beeinflussen.

FDP-Parteikollege Konstantin Kuhne schrieb auf Twitter, dass solch «zunehmende Angriffe» auf Politiker «Anlass zu grosser Sorge» seien und dass diese «Grenzüberschreitung» aufhören müsse. Er sagte, es könne nicht sein, dass sich Bundesminister und andere Menschen, die sich politisch engagieren, am eigenen Wohnort nicht sicher fühlen könnten: Politiker seien nicht «die Fussabtreter der Gesellschaft».

Im Tagesspiegel äussert sich Volker Beck (Bündnis 90/Die Grünen) und mahnt «mehr Geschmeidigkeit in der Strategie» an. Er kommentiert den Streit um das Selbstbestimmungsgesetz: «Angesichts der Schärfe der Auseinandersetzung und der Denunziation des Anliegens von Rechts ist in der Mitte der Gesellschaft Verunsicherung entstanden. Darauf muss man reagieren. Das ist im Interesse aller, für die dieses Gesetz gemacht wird», so Beck. Den derzeit vorliegenden Vorschlag nennt er «eine wichtige Brücke, zum Beispiel auch zur Position der FDP».

«Zutiefst falsch und niederträchtig» Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Die Grünen), die zusammen mit Buschmann das Selbstbestimmungsgesetz entworfen hat, zeigte sich entsetzt über den Vorfall in Gelsenkirchen, sie sagte zur Bild-Zeitung: «Volle Solidarität mit meinem Kollegen Marco Buschmann. In der Sache streiten ja! Das ist auch gut für den demokratischen Diskurs. Sachbeschädigung nein! Das ist gefährlich und entwertet nur eigene, mögliche Argumente.»

Der Queerbeauftragte der Bundesregierung, Sven Lehmann (Die Grünen), schrieb derweil auf Twitter: «Es ist zutiefst falsch und niederträchtig, private Wohnungen oder Häuser von Politiker*innen anzugreifen. Es ist auch kein ‚Aktivismus‘, sondern eine Straftat. Wer so agiert, erreicht das Gegenteil von dem, was sie*er vorgibt erreichen zu wollen.»

Nach Bild-Informationen habe das BKA den Justizminister trotz des Vorfalls nicht eine Sicherheitsstufe höher eingestuft.

Details zum geplanten neuen Selbstbestimmungsgesetz liegen seit April vor und sorgen für heftige Diskussionen (MANNSCHAFT berichtete).

 

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