Für die AfD zählt nur Vater-Mutter-Kind – Sachsen wählt (5)
Wir untersuchen die anti-queerpolitischen Passagen des «Regierungsprogramms»
Am 1. September wird in Sachsen ein neuer Landtag gewählt. Aktuellen Umfragen zufolge wird die AfD vielleicht nicht stärkste Kraft, könnte aber die Koalitionsbildung zumindest erschweren. Was hat die Partei vor? Im letzten Teil unserer Serie zur Sachsenwahl untersuchen wir die anti-queerpolitischen Passagen des «Regierungsprogramms».
Wenn es um das Thema Familie und das Verankern von LGBTIQ-Vielfalt in den Lehrplänen geht, so lässt das «Regierungsprogramm» der AfD in Sachen keinen Zweifel. «Die meisten Familien in Sachsen leben ein traditionelles Familienmodell, eine verbindliche, dauerhafte Partnerschaft von Mann und Frau, die darauf angelegt ist, für das geborgene Aufwachsen eigener oder angenommener Kinder ein Schutzraum zu sein», heisst es darin.
Sachsen hat viele LGBTIQ-Baustellen – und die AfD legt zu
«Die AfD will wirtschaftliche und rechtliche Benachteiligungen des Mehrheits-Familienmodells beseitigen.“ Welche das sein sollen, die Erklärung bleiben die Rechtspopulisten schuldig. Die AfD werde „darauf hinwirken, auch die ideelle Relativierung der Familie aus Mann, Frau und deren Kindern in der Öffentlichkeit und im Bildungsbereich zurückzudrängen».
Wir haben die AfD gefragt, was sie genau mit den «rechtlichen Benachteiligungen» meint, unter denen das Mehrheits-Familienmodell leidet (gemeint ist das Modell Vater-Mutter-Kind). Die Antwort, die wir von Bodo Walther, dem Pressesprecher des Leipziger Kreisverbandes erhalten, sollte offenbar ein Witz sein – oder der Versuch, die wahren Ziele der Rechtspopulisten zu verschleiern. Denn mit der genannten Passage signalisiert die Partei, die immer gegen die Öffnung der Ehe war und das Adoptionsrecht von homosexuellen Paaren ablehnt, ihren Wählern: Das Modell Vater-Mutter-Kind ist das einzig wahre. Hier wird so getan, als hätten Regenbogenfamilien Vorteile gegenüber dem «Mehrheits-Familienmodells» – dabei ist das Gegenteil der Fall – Stichwort: Abstammungsrecht.
Hier nun die absurde Antwort, die uns Bodo Walther per Mail zukommen liess: «Als Vater zweier erwachsener, studierender, Söhne kann ich den Unterhalt für diese, den ich jeden Monat nach Berlin überweise, NICHT von der Steuer absetzen. Von der Steuer absetzen kann ich lediglich die Kosten für mein Automobil. Für Gärtner und Putzfrau, die ich mir leisten könnte, wenn ich nicht Kinder zu unterhalten hätte (Was eines Mannes Pflicht ist) … also für Gärtner und Putzfrau könnte ich die Kosten von der Steuer absetzen. Das meinen wir.»
«Dann machen wir es halt noch bunter!» – Sachsen wählt (3)
Natürlich meinen sie das nicht, denn was Walther hier anführt hat mit Mehrheitsfamilie oder Nicht-Mehrheitsfamilie überhaupt nichts zu tun. Das was er hier als nicht absetzbar kritisiert, ist schliesslich etwas, das auch Regenbogenfamilien träfe.
Weiter heisst es im AfD-Programm: Es sollten «abweichende Lebensmodelle … nicht mehr Raum einnehmen, als sie im Alltagsleben haben. Toleranz ist geboten, aber kein Kind soll zur Akzeptanz gedrängt werden», heisst es im Programm. Man lehne «jede Frühsexualisierung“ ab. Wörtlich: «Sexualerziehung an sächsischen Kindertagesstätten und Schulen muss natürliche Schamgrenzen respektieren und die Kinder altersgerecht aufklären, ohne sie zu überfordern.»
Die AfD will erreichen, dass menschliche Vielfalt in der Schule nicht mehr thematisiert wird. Wo dies bislang geschieht, wird es als Frühsexualisierung diffamiert. Oder gar mit Pornografie in Verbindung gebracht, wie das Beispiel zeigt, das uns Danilo Ziemen vom Verein Gerede erzählt.
Die AfD im Freistaat hat Projekte wie den LGBTIQ-Verein auf dem Kieker. Auf der Homepage des Ministeriums ist einsehbar, wie viel Geld an welche Projekte verteilt wird. «Vor ein paar Jahren hat die AfD im Landtag aber nochmal explizit nachgefragt nach diesen Förderungen und die Zahlen dann skandalisiert und behauptet, wir würden für ‚Porno-Unterricht‘ öffentliche Mittel bekommen», so Ziemen.
Noch etwas schrieb uns Walther, ungefragt. Möglicherweise handelt es sich hierbei um eine Episode, auf die der AfD-Mann stolz ist.
«Ich war in der DDR zwei Mal von der Stasi mitgenommen worden und war insgesamt drei Jahre inhaftiert unter Männern, die seit ewigen Zeiten keine Frau gesehen hatten. Und ich war erst 19, als ich da rein kam. Hatte keinen Bartwuchs und keine Haare auf der Brust. Alle 3 Monate hatten wir zu einem Vortrag der Urania im Zuchthaus Brandenburg damals anzutreten. Da wurde uns von der DDR-Wissenschaft erklärt, dass Homosexualität etwas ganz natürliches sei. Was ich nicht bestreite.
Ich hoffe, Sie nehmen es mir nicht persönlich übel, dass ich damals, 1981, trotzdem dem ersten Mitgefangenen, der mir an den Popo fasste, eine in die F.. gehauen hatte. Hat uns beiden je drei Wochen Arrest eingebracht. Als wir wieder aus dem Arrest raus kamen, hatten wir uns dann ganz gut verstanden. Es war ausgekämpft. Nichts für ungut.»
Die AfD fragt … und danach war es ein Missverständnis?
Am Sonntag wird nun im Freistaat gewählt. Der LSVD Sachsen erklärt: «Es geht um jede Stimme in Sachsen. Wir dürfen der AfD mit ihrer menschenfeindlichen Ideologie nicht das Feld überlassen. Wer Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans* und intergeschlechtliche Menschen wieder in die Unsichtbarkeit verbannen möchte und mit Minderheitenfeindlichkeit auf Stimmenfang geht, hat in unserem Landtag nichts verloren», so Tom Haus aus dem Landesvorstand des LSVD.
«Wir möchten die Menschen in Sachsen ermutigen, Parteien zu wählen, die unsere Gesellschaft stärken und Vielfalt schätzen. Es geht um unser aller Freiheit. Hass und Hetze dürfen nicht gewinnen.»
Mehr zur Wahl in Sachsen und zur Situation der LGBTIQ-Vereine im Freistaat steht in der September-Ausgabe der MANNSCHAFT (Deutschland): Hier geht es zum Abo Deutschland und hier zum Abo Schweiz.
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