Zürcher Alterswohnungen für LGBTIQ: Gefahr der «Ghettoisierung»?

Es entstehen 26 Wohnungen und zahlreiche Pflegeplätze nur für ältere Angehörige der Community

Hier soll ab 2025 Lebensraum für ältere LGBTIQ-Personen entstehen. (Bild: Stiftung Alterswohnungen der Stadt Zürich)
Hier soll ab 2025 Lebensraum für ältere LGBTIQ-Personen entstehen. (Bild: Stiftung Alterswohnungen der Stadt Zürich)

Mitten in Zürich entstehen bis 2025 Alterswohnungen für LGBTIQ-Senior*innen. Der mitwirkende Verein Queer Altern muss auch kritische Fragen zum Pionierprojekt beantworten.

Beste Lage in der Stadt Zürich, eingebettet in einen Park, gut mit dem ÖV erreichbar: Die Siedlung Espenhof im Zürcher Quartier Albisrieden bietet zweifellos beste Voraussetzungen für das Wohnen im Alter. 135 neue Wohnungen für ältere Menschen sollen hier bis 2025 entstehen – 26 Wohnungen sowie ein Grossteil der 24 Plätze in den drei Pflegewohngruppen sind für Angehörige der LGBTIQ-Community reserviert. Ein schweizweit einmaliges Konzept, das eine der ersten Massnahmen der Altersstrategie 2035 der Stadt Zürich darstellt (MANNSCHAFT berichtete).

Entwickelt und betreut wird das Projekt Espenhof von der Stiftung für Alterswohnungen der Stadt Zürich, den Gesundheitszentren für das Alter der Stadt Zürich sowie Queer Altern. Wer als queerer Mensch im Espenhof leben möchte, muss über 60 sein und seit mindestens zwei Jahren in Zürich wohnen.

Ganzheitliches Angebot Geplant sei ein ganzheitliches Angebot. Dieses erlaube, «im fliessenden Übergang von selbständigem Wohnen über Unterstützungsangebote nach Bedarf bis zur stationären Pflege in Pflegewohngruppen in einer vorurteilsfreien Gemeinschaft älter zu werden», wie der Verein Queer Altern auf seiner Website schreibt.

Viele Schwule, Lesben, nicht-binäre und trans Menschen seien heutzutage nicht mehr bereit, sich zu verstellen oder zu verstecken – das soll sich im Alter nicht ändern, findet Christian Wapp, Vizepräsident von Queer Altern. Im Interview mit dem Magazin Artiset sagt er: «Sie möchten sich in einer Altersinstitution nicht wie ein Alien fühlen. Und sie haben es satt, sich ständig aufs Neue outen zu müssen.»

Gefahr der Segregation? So sinnvoll und wichtig das Pionierprojekt klingt: Christian Wapp muss auch kritische Fragen dazu beantworten. So etwa im Interview mit dem sozialen Netzwerk Seniorweb. Ein Journalist der Plattform wollte von Wapp wissen, ob im Espenhof ein queeres Ghetto entstehe. Diese den queeren Menschen vorbehaltene Institution drohe nämlich statt der Integration von LGBTIQ in die Gesellschaft eine Segregation zu verursachen.

Vom Begriff «Ghetto» will sich Christian Wapp deutlich distanzieren. «Juden mussten ihre Leben in Ghettos abgesondert und ohne Kontakt zur nicht-jüdischen Bevölkerung leben. Doch wir sind Teil eines Ganzen.» Der Espenhof soll ein Safe Space werden. «Wir werden Veranstaltungen für alle Siedlungs- und Quartierbewohnenden organisieren», so Wapp weiter.

Auch auf der Website geht Queer Altern auf das «Ghetto-Argument» ein: «Wir wollen uns nicht abschotten, sondern uns gegenseitig unterstützen.» Es handle sich nur um ein Haus einer Siedlung mit mehreren Häusern, integriert in ein Wohnquartier in der Nähe der Stadtgärtnerei. «Wir wollen uns schon vor Bezug des queeren Lebensortes möglichst breit vernetzen.»



Veranstaltungshinweis HAB Queer Bern organisiert am 18. März 2023 eine Veranstaltung zum Thema «Schwule und bi Männer altern anders – oder doch nicht?». Auf dem Programm stehen diverse Inputs, Workshops und ein Apéro. Dabei sollen die Erfahrungen und Befürchtungen der Teilnehmer im Hinblick auf das Älterwerden tiefsinnig reflektiert werden.

Der Anlass dauert von 13:30 Uhr bis 21:00 Uhr und findet in der Villa Bernau in Wabern bei Bern statt. Mehr Infos und die Möglichkeit zur Anmeldung gibt es unter diesem Link.

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