Von Obsessionen und Self-Empowerment: Queere Kunst in Wien

Die neue Schau wird diese Woche eröffnet

Die Ausstellung «The Beauty of Diversity» im Aufbau (Foto: Facebook @AlbertinaMuseum)
Die Ausstellung «The Beauty of Diversity» im Aufbau (Foto: Facebook @AlbertinaMuseum)

Mit ihrer Frühjahrsausstellung setzt die Albertina Modern ein Zeichen gegen Rassismus und Queerfeindlichkeit.

Die Albertina Modern zeigt ab Freitag mit «The Beauty of Diversity» eine grosse Ausstellung, bei der LGBTIQ-Künstler*innen, Frauen und People of Color im Mittelpunkt stehen. Die Albertina Modern gehört in Österreich zu den führenden Kunstmuseen für moderne und zeitgenössische Kunst von Weltrang.



Wie es im Ausstellungskatalog selbstkritisch heisst, hat die Albertina in der Vergangenheit Diversität kleingeschrieben. Denn es wurden meist Werke von weissen, heterosexuellen Männern gezeigt – wie von Albrecht Dürer, Egon Schiele und Pablo Picasso. Mit der jetzigen Ausstellung wird ganz bewusst ein anderer Schwerpunkt gesetzt.

Die Werke setzen sich mit unter anderem identitätspolitischen Themen rund um gender, race und Klasse auseinander. Sie hinterfragen alte Identitätsmodelle und machen auf die Schönheit des Diversen, Fremden und Anderen aufmerksam. Ein grosser Stellenwert wird in der Ausstellung Künstler*innen von anderen Kontinenten wie Afrika, Asien, Südamerika und Australien eingeräumt.

Auch der Zeitpunkt der Schau ist bemerkenswert. Denn in Österreich wird dieses Jahr ein neues Parlament gewählt. Umfragen zufolge dürfte dann die rechtsextreme Freiheitliche Partei (FPÖ) zur stimmenstärksten Partei aufsteigen. Die FPÖ lehnt Verbesserungen für queere Menschen und weitere Minderheiten ab. Mit der Ausstellung «The Beauty of Diversity» macht die Albertina deutlich, dass sie Queerfeindlichkeit und Rassismus ablehnt.

Die Kurator*innen haben die Werke in verschiedene Themenbereiche, die für LGBTIQ-Künstler*innen, Frauen und People of Color wichtig sind, aufgeteilt. So sind im Bereich «Self-Empowerment» beispielsweise provokative Fotografien des deutschen Künstlers Jürgen Klauke zu sehen. Klauke gehört zu den Pionieren der queeren Kunst im deutschsprachigen Raum. Er hat die sogenannte ‹Bodyart› mitbegründet. Das bedeutet, dass er seinen eigenen Körper zum Medium von verschiedenen Performances macht. In seinen Arbeiten beleuchtet er kritisch gesellschaftlich vorgegebene Geschlechteridentitäten.

Sehenswert sind auch die in der Albertina Modern ausgestellten Werke zum Thema Obsessionen. Darunter wird umgangssprachlich eine intensive Begeisterung für ein spezielles Thema oder eine Arbeit verstanden. In der Psychologie sind Obsessionen wiederkehrende und unkontrollierbare Gedanken. Diese können sexueller Natur sein, aber auch gesellschaftliche und persönliche Tabus beinhalten.

Obsessionen schreiben Lebensgeschichten, wirbeln Existenzen durcheinander, treiben zu Höchstleistungen an – und können vernichten

Nicht selten drücken Künstler*innen ihre Obsessionen in der Kunst aus. Manche von ihnen werden daher als Grenzgänger*innen bezeichnet. «Obsessionen schreiben Lebensgeschichten, wirbeln Existenzen durcheinander, treiben zu Höchstleistungen an – und können vernichten. Die, die sie kennen, lieben und hassen sie; die, die sie nicht kennen, fühlen sich ausgeschlossen aus dem Olymp der Eingeweihten», schreiben dazu die Kurator*innen im Ausstellungskatalog.



Wie Obsessionen und Sexualität zusammenhängen, verdeutlichen die in der Albertina ausgestellten Werke «Are You Me» und «The Decorated» des in Tel Aviv geborenen und in Dänemark lebenden Künstlers Tal Rosenzweig, bekannt unter seinem Pseudonym Tal R.

Manchmal wird in Kunstwerken auch das Dunkle, Rätselhafte und Geheimnisvolle dargestellt. Entsprechende Werke der Künstlerinnen Eva Beresin, Miriam Cahn und Aïcha Khorchid sind in der Albertina im Bereich «Traum und Trauma» zu sehen. Sie bilden einen Kontrast zum Rationalen und Vernunftmässigen in der modernen und westlichen Welt. Doch viele traumatische Ereignisse wie Missbrauch und Gewalt lassen sich nicht so einfach vergessen und verdrängen.

Sie «können sich im Imaginären der Kunst und des Traumes manifestieren. Wie die Spitze eines Eisberges tauchen Ereignisse, die aus dem Tagesbewusstsein abgeschoben wurden, aus der Verborgenheit auf und zeigen sich dort, wo auf halbem Weg zur Klarheit des Wachbewusstseins Bilder aus dem Inneren zugelassen werden», heisst es dazu im Ausstellungskatalog.

Im Ausstellungsbereich «Hybride Formen» geht es um das Verwischen von verschiedenen Grenzen, die Verschmelzung von Frau und Mann, um Trans- und Interkulturalität und um künstlerische Ausdrücke, die nicht der Heteronormativität entsprechen. In einem Bild des österreichischen Malers Franz Ringel gibt es beispielsweise eine Figur mit männlichen und weiblichen Geschlechtsorganen.

Eine andere Figur hat drei Köpfe und zwei Penisse. In Bildern des griechisches Künstlers Jannis Varelas sind abstrakte und mythologisch wirkende Gestalten gleichermassen mit Penis, Brüsten und Vagina zu sehen. Der für seine Crossdressing-Performances bekannte englische Künstler Grayson Perry und die trans Künstlerin Verena Bretschneider hinterfragen in ihren Arbeiten ebenfalls herkömmliche Rollenmodelle und setzen sich intensiv mit gender auseinander.

Ein grosser Bereich der Ausstellung widmet sich der Black Lives Matters Bewegung. Hier sind viele Werke von BIPoC-Personen zu sehen. Die Abkürzung BIPoC steht für Schwarze, Indigene und People of Color. Damit sollen explizit Schwarze und indigene Identitäten sichtbar gemacht werden. BIPoC-Personen sind in der westlichen Kunstwelt noch immer unterrepräsentiert. Künstler*innen wie der franko-senegalesische Künstler Alexandre Diop und die in Tansania lebende Sungi Mlengeya treten mit ihren beeindruckenden Arbeiten gegen Rassismus und Diskriminierung auf.

Die Albertina Modern ist täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Die Ausstellung «The Beauty of Diversity» ist bis zum 18. August zu sehen. Nach dem Motto «Queer durchs Museum» werden während des Pride-Monats im Juni spezielle Führungen angeboten.

Der trans Mann Matteo H. aus St. Pölten erlebte einen Schock, als seine Versicherung die bereits zugesagte Übernahme der Kosten für eine geschlechtsangleichende Operation nun doch nicht voll übernimmt (MANNSCHAFT berichtete).

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