Von Bienen und Müttern: Zwei Sommerfilme über trans Kinder

«20.000 Arten von Bienen» und «L’Immensità» gehören zu den Kino-Highlights der kommenden Wochen

Penélope Cruz als Mutter Clara im Film «L’immensità» (Bild: Pathé Film AG 2023)
Penélope Cruz als Mutter Clara im Film «L’immensità» (Bild: Pathé Film AG 2023)

«20.000 Arten von Bienen» und «L’Immensità» sind zwei Sommerfilme über trans Kinder, die auf einfühlsame Weise deren Geschichten erzählen. Beide Filme bieten eine erfrischende und herzliche Darstellung von Identität, Selbsterforschung und Beziehungen. Mit sensibler Erzählweise und fesselnder schauspielerischer Leistung versprechen sie zu den Kino-Highlights zu werden.

Dass auf grosser Leinwand die Geschichten von Kindern erzählt werden, die trans oder gender-nonconforming sind, ist keine komplette Neuigkeit. Schon 1997 etwa brachte der Belgier Alain Berliner «Mein Leben in Rosarot» (Ma vie en rose) ins Kino, die Geschichte eines Siebenjährigen, der unbedingt ein Mädchen sein will, später begeisterte Céline Sciamma mit ihrem Film «Tomboy», während sich in «Kleines Mädchen» (Petite fille) Sébastien Lifshitz dem Thema dokumentarisch näherte.



Diesen Sommer allerdings sind junge Menschen, die selbst zu bestimmen versuchen, wer und was sie sind, im Kino präsent wie nie. Denn mit «20.000 Arten von Bienen» und «L’Immensità – Meine fantastische Mutter» begeistern gleich zwei Filme über trans Kinder.

Die Regisseurin Estibaliz Urresola Solaguren erzählt in «20.000 Arten von Bienen» (ab 29. Juni im Kino) von einem Sommer der Veränderungen im spanischen Baskenland. Die Künstlerin Ane (Patricia López Arnaiz) fährt mit ihren drei Kindern in ihr Heimatdorf zur Familie, und während für sie selbst dort eine Konfrontation mit der eigenen Vergangenheit ansteht, wird in ihrer achtjährigen Tochter Lucía (Sofía Otero) endlich von allen als die akzeptiert zu werden, die sie ist.

Was schon mit dem Namen anfängt: mit dem Jungennamen Aitor, der ihr bei der Geburt gegeben wurde, möchte sie nicht mehr angesprochen werden, aber auch der irgendwie geschlechtsneutrale Spitzname Cocó (den irritierenderweise das Presseheft des Filmverleihs verwendet) ist ihr nicht wirklich angenehm.

Ane, die ihre Tochter aus vollem Herzen liebt, tut sich mitunter schwer mit diesen Identitäts- und Namenssuche, was auch daran liegt, dass sie ziemlich mit sich selbst beschäftigt ist, mit der eigenen Kunst, in der es auch um Weiblichkeit geht, der Auseinandersetzung mit dem verstorbenen Künstler-Vater und nicht zuletzt dem durchaus konfliktreichen Verhältnis mit der eigenen Mutter Lita (Itziar Lazkano), für die ihre Enkelin vor allem ein verwöhnt-verweichlichtes Bübchen ist.

Im offenen Umgang mit anderen Kindern kann Lucía viel eher ausprobieren, wer sie wirklich ist. Und dann ist da noch die Grosstante Lourdes (Ane Gabarain), Imkerin und Freigeist, die für die Kleine eine wundervoll empathische Mentorin wird.



Mit viel Feingefühl und sommerlicher Leichtigkeit sowie einer natürlich nicht zufälligen, weitgehenden Abwesenheit von Männern inszeniert Solaguren von dörflich-regionalen Traditionen und sozialen Gender- und Rollen-Konstrukten, von Artenvielfalt nicht nur bei Bienen und Selbstbestimmung und nicht zuletzt von Mutter-Tochter-Beziehungen. Besonders eindrucksvoll ist dabei, wie sie ihre junge Hauptdarstellerin inszeniert. Immer wieder reicht nur ein Blick ins Gesicht der kleinen Lucía, um zu verstehen, welche Emotionen in diesem Kind aufwallen. Dafür wurde die entzückende Sofía Otero bei der Berlinale als Beste Hauptdarsteller*in ausgezeichnet (MANNSCHAFT berichtete), doch ihre Regisseurin hätte den Preis wohl mindestens genauso verdient.

Wo Solaguren für ihren ersten Langfilm eng mit einer baskischen Organisation für trans Kinder zusammenarbeitete, verliess sich ihr italienischer Kollege Emanuele Crialese bei «L’Immensità – Meine fantastische Mutter» (ab 27.7. im Kino) vor allem auf eigene Erfahrungen. Der 57-jährige Regisseur, der bereits seit 25 Jahren Filme dreht und schon in Cannes und Venedig mit Preisen bedacht wurde, erzählt hier letztlich die nur leicht fiktionalisierte Geschichte seiner eigenen Kindheit und feiert so erstmals sein öffentliches Coming Out als trans Mann.

Auch bei ihm steht eine Mutter-Kind-Beziehung im Zentrum, die schon deswegen unter anderen Vorzeichen steht, weil wir uns im Italien der 1970er Jahre befinden. Als ältestes von drei Geschwistern wird Adri (Luana Giulani) von der Aussenwelt als burschikoses Mädchen wahrgenommen, doch der 12-jährie weiss längst, dass er ein Junge ist und Andrea genannt werden möchte. Mutter Clara (Penélope Cruz) versteht eher intuitiv, was in ihrem Kind vorgeht, wohl auch, weil sie sich in ihrer eigenen Rolle kaum weniger gefangen fühlt. Als Spanierin ist sie fremd in Rom, der Ehemann betrügt sie, und das Hausfrauen-Dasein ist eigentlich zu wenig für die Lebenslust dieser mit ihrer mentalen Gesundheit kämpfenden Frau, die sich in ihren Träumen als Popstar sieht.

Ähnlich sonnendurchflutet wie «20.000 Arten von Bienen» ist «L’Immensità – Meine fantastische Mutter» deutlich lebhafter und – aller der Geschichte innewohnender Tragik zum Trotz – bunter, schwungvoller und zum Teil auch konventioneller. Trotzdem ist Crialeses spürbar ungemein persönlicher Film keinen Deut weniger berührend. Und Cruz in der erwachsenen Hauptrolle ist einmal mehr eine Wucht, an der man sich kaum sattsehen kann.

Die «Sendung mit der Maus» des WDR hat schon viele Generationen durchs Kindesalter geführt. Bei Instagram setzt sie nun ein Zeichen für Vielfalt (MANNSCHAFT berichtete).

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