Ugandas Botschafter für Vielfalt
Michael Kajubi betreibt seit einigen Jahren ein Reisebüro, das sich an die internationale Community richtet
Neben Jamaika, Saudi-Arabien und Brunei gilt Uganda als eins der homophobsten Länder weltweit. Dort betreibt Michael Kajubi ein inklusives Reisebüro. Er hat nicht weniger vor, als die Leute und sein Land zu verändern.
Als Michael im Jahr 2013 seinen Job im Vertrieb einer Brauerei verlor, geschah das nicht, weil er sich geoutet oder jemand ihn verraten hätte. Der Verdacht allein genügte seinem Chef – so erfuhr er später von seinen Kollegen –, um seinen Mitarbeiter vor die Tür zu setzen.
Mit dem was er damals verdiente, hat er lange Zeit seine Familie unterstützt: Seine Mutter und seine Grossmutter, bei der die beiden lebten. Michaels Oma kümmerte sich um ihre Tochter, die unter schwerem Rheuma und Arthritis litt. Als die beiden kurz nacheinander verstarben, widmete Michael seine Energie älteren Leuten in der Nachbarschaft, organisierte Fahrdienste und Ausflüge. Um das effektiv machen zu können, überlegte er, ein Auto anzuschaffen, von seinem Ersparten, zur Not mit einem Kredit. Doch dann verlor er seinen Job.
Sich nochmal der Willkür eines Arbeitgebers aussetzen, das wollte er nicht, also beschloss der damals 29-Jährige aus Jinja, der viertgrössten Stadt des Landes an der Küste des Viktoriasees, sich selbständig zu machen. 2013 gründete er Mc Bern Tours and Travel – benannt nach einem Onkel, einer Art Vaterfigur für Michael. Safaris durch die grossen Nationalparks in Ost-Afrika bietet ebenso an wie hochwertige Geschäftsreisen; zudem hilft er Studenten, die für Recherche-Projekte oder Praktika ins Land kommen.
Seine Kundschaft kommt aus den USA, aus Australien und auch aus europäischen Ländern wie Deutschland oder Grossbritannien und selbst eine Gruppe aus Japan hatte er schon. Mit McBern Tours and Travel kann man derzeit Kenia, Tansania, Ruanda, Sansibar und natürlich Uganda bereisen. Aber er will über Ostafrika hinaus expandieren.
Sein Büro befindet sich in Mukono, 30 Kilometer östlich der Hauptstadt Kampala. Dort beschäftigt er drei Vollzeitmitarbeitende, alle queer, alles junge Leute, die Schwierigkeiten haben, einen Job zu finden, weil man Schwule oder Lesben nicht haben will. Und nebenbei kümmert er sich um Senior*innen. «Wir helfen jungen und alten Leuten, bringen Tourist*innen nach Uganda und tun somit was für die Wirtschaft.» Für ihn ist das eine eindeutige «Win-Win-Situation» – ein Begriff, mit dem er sehr gerne beschreibt, was er tut.
Nach homophobem Gesetz viele Stornierungen Im zweiten Jahr von McBern erlitt das junge Unternehmen einen herben Rückschlag: Präsident Yoweri Museveni, seit 1986 im Amt und Vater einer offen lesbischen Tochter, unterschrieb im Februar 2014 ein Gesetz, das lebenslange Haftstrafen für «schwere homosexuelle Handlungen» vorsah. Ein ursprünglicher Entwurf sah sogar die Todesstrafe vor. Viele Tourist*innen, schwule wie heterosexuelle, stornierten ihre Buchungen.
«Es tat weh zu sehen, wie mein Traum von selbstsüchtigen Regierungsvertretern und religiösen Führern zerstört wurde», erinnert sich Michael. Doch auch dem Staat drohten finanzielle Einbussen: Die Niederlande wollten ihre Hilfszahlungen wegen des Gesetzes einstellen. Zuvor hatten bereits Norwegen und Dänemark aus Protest ihre finanzielle Unterstützung ausgesetzt. Stattdessen wollte man geplante Zahlungen für die Regierung an private Hilfsorganisationen umleiten. Glücklicherweise trat die Gesetzesverschärfung am Ende nie in Kraft, da es vom Verfassungsgericht noch im selben Jahr als ungültig erklärt wurde – aus formalen Gründen.
Schwuler Mann soll nach Uganda abgeschoben werden
Alle Menschen sind gleich? Auch wenn Artikel 21 der Verfassung Ugandas erklärt, dass vor dem Gesetz alle Menschen gleich sind, sieht die Realität anders aus: Für LGBTIQ-Rechte spricht sich derzeit keine ugandische Partei aus. Nicht ausdrücklich jedenfalls, erklärt Michael. «Aber im letzten Wahlkampf forderte ein Kandidat: Wir brauchen Grundrechte für alle! Offener konnte er es nicht ausdrücken und LGBTIQ beim Namen nennen, sonst hätte er sich angreifbar gemacht, er musste vorsichtig sein. Aber: Seine Stimme wurde gehört.»
Das gilt aber auch für die des Ethikministers des Landes Simon Lokodo. Der hatte 2016 die Anschaffung eines «Schwulendetektors» angekündigt. «Die Maschine überführt Homos und Pornodarsteller und vor allem solche, die Apps wie WhatsApp für sexuelle Handlungen missbrauchen», hatte der Minister grossspurig angekündigt. Man wolle die Maschine in Südkorea kaufen und damit «das Böse entlarven.» Wenig später musste Lokodo jedoch einräumen, dass man sich das Wundergerät für 80 000 Euro nicht leisten könne.
In der queeren Community kennt man sich Auch im Jahr 2019 finden Partys oder Events für die queere Community weiter im Verborgenen statt. «Zwar gibt es bei uns Bars oder Clubs, von denen man weiss, dass da Schwule hingehen – da ist dann keine Regenbogenflagge draussen, drinnen findet man sie aber schon», erklärt Michael. «Es ist eine kleine Community, man kennt sich.»
Er selbst ist erst seit vorletztem Jahr out. Dass er schwul ist, hatte er vorher immer für sich behalten. Natürlich hat er schwule und lesbische Freund*innen, nahm auch an der Pride teil – 2015 konnte sie zum vierten und letzten Mal stattfinden, damals noch an einem bis zum Schluss geheim gehaltenen Ort; danach wurde sie stets von der Polizei verhindert oder aufgelöst. «Ich hatte Glück, dass sie mich nicht erwischt haben», sagt er.
Als Tourveranstalter positioniert er sein Unternehmen als offen für alle. Auch wenn er damit die Mitglieder der LGBTIQ-Community meint, so kann er das nicht so deutlich nach aussen kommunizieren. Auch eine grosse Regenbogenflagge findet man in seinem Büro nicht, das wäre zu gefährlich. Aber wer zwischen den Zeilen lesen kann und auf der Homepage weit genug nach unten scrollt, versteht die Zeichen. Dort ist der Button der internationalen LGBTQ-Travel Association (IGLTA) unterbracht, der er vor zwei Jahren beigetreten ist und seither gezielt LGBTIQ-Kund*innen anspricht. Die IGLTA veranstaltet alljährliche internationale Kongresse. 2018 war man in Toronto, in jenem Jahr erhielt Michael ein Stipendium. Die Organisation hilft so, kleineren Unternehmen auf die Beine zu kommen.
Positive Zusagen aus dem Ministerium Probleme mit Behörden hatte der schwule Unternehmer bisher nicht. «Sie wissen ja nicht, was wir machen», sagt er mit einer gewissen Genugtuung. Auf der Berliner Reisemesse ITB im März traf er den Chef des ugandischen Tourismusverbandes und den zuständigen Minister zum Gespräch. Erklärte ihnen, warum das, was er tut, für das Land Win-Win bedeutet. «Wir wollen doch, dass alle zu uns kommen und alle sich willkommen fühlen – das ist gut für die Wirtschaft», erklärte er. Sie sagten ihm zu, dass seine Kund*innen in Unganda sicher seien. Ob er ihnen glaubt? «Ich muss ihnen glauben!»
Natürlich fragt seine Kundschaft genau danach: Ist es für mich überhaupt sicher, nach Kenia oder Tansania zu reisen? «Ja, solange man sich an die Gesetze und die Kultur vor Ort hält – zum Beispiel, was öffentliche Zärtlichkeiten angeht», erklärt Michael. «In afrikanischen Ländern ist es ja selbst für Frau und Mann nicht üblich, Händchen haltend spazieren zu gehen. In Tansania wiederum kann man zwar Männer beobachten, die Hand in Hand durch die Strassen gehen, die sind aber nicht schwul.»
Doppelbett für Männerpaare Michael arbeitet beständig daran, seine Kontakte mit Verbündeten im Tourismussektor des Landes zu verbessern. Ein Doppelzimmer für zwei Männer in einem Hotel zu kriegen, ist aber schon jetzt kein Problem. «Das gehört bei unseren Hotels dazu, und ich arbeite daran, mit weiteren Hotels zu kooperieren. Dass homosexuelle Paare nicht nur ein gemeinsames Zimmer haben, sondern ausdrücklich ein Doppelbett.»
Auch wenn Homophobie in Uganda noch weit verbreitet ist, nimmt Michael die Situation als fortschrittlich wahr. Vor fünf oder zehn Jahren wurde das Thema Homosexualität totgeschwiegen. «Jetzt reden die Leute darüber. Und je mehr man über etwas spricht, desto besser ist es.» Immer häufiger bekommt er mit, dass, wenn jemand über eine Person sagt, er oder sie sei homosexuell, als Reaktion ein Achselzucken folgt. «Und wenn?», sagen dann Leute, vor allem jüngere. Die jüngere Generation ist da offener, die kümmert das nicht. Es geht voran.»
Auch er selber spricht das Thema Homosexualität an – dort, wo immer wieder heftig gegen Schwule und Lesben gehetzt wird: in der Kirche. Nach der Predigt spricht er den Priester an, unter vier Augen: Er habe eine andere Meinung, sagt er, ohne sich zu outen. Für diese Gespräche finde er immer ein offenes Gegenüber. Unter seinen Freunden sind auch katholische Priester. Einem von ihnen hat er damals erzählt, dass er zur IGLTA-Konvention nach Toronto geht. Er wollte seinen Segen dafür haben. «Ich hätte eine negative Reaktion erwartet, aber er wünschte mir Glück. Das fand ich ein gutes Zeichen.»
Hilfsfonds für junge Queers Michael hat ehrgeizige Ziele. So will er einen Fonds für junge queere Leute einrichten, die von ihren Eltern verstossen werden. Mit dem Geld sollen Schul– und Ausbildung bezahlt werden. Noch fehlen ihm die Mittel, aber im August soll das Programm an den Start gehen. Und noch ein Ziel hat er: In zehn Jahren soll es 50 LGBTIQ-Unternehmen geben, in Uganda und in anderen afrikanischen Ländern. «Es wäre ein Gewinn für unsere Wirtschaft, aber auch für die LGBTIQ-Community», glaubt er. Denn wer auf Reisen geht, der verändert – sich selbst und den Ort, an den er reist, und die Menschen, die er trifft. Win-Win für alle.
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