«Solange die queere Community keine Probleme macht, lässt man uns in Ruhe»

Zu Besuch in der «Stranger Bar» in Bangkok – im schwulen Herzen der Stadt

M Stranger Fox alias M Stranger Fox. (Bild: Mannschaft Magazin)
M Stranger Fox alias M Stranger Fox. (Bild: Mannschaft Magazin)

In Thailand haben es Bars und Clubs für Schwule und trans Frauen vor allem auf westliche Kundschaft abgesehen. Chakgai Jermkwan will das ändern. Seine Bar in Bangkok ist in erster Linie ein Treffpunkt für die lokale LGBTIQ-Bevölkerung.

Silom ist das schwule Herz Bangkoks. Hier gibt es Clubs mit muskulösen Tänzern, sogenannte «Entertainment Bars» mit «Boy Shows» sowie Massagesalons, die nicht nur die traditionelle Thaimassage im Angebot haben.

Wie von draussen schon zu vermuten war, ist die Stranger Bar alles andere als geräumig. Nebst einer Bar haben lediglich ein paar Stehtische Platz, im hinteren Teil des Raums thront eine kleine Bühne. Über eine kleine Treppe gelangen wir in den ersten Stock, der komplett von der Lichttechnik und vom Soundsystem vereinnahmt wird. Im zweiten Stock befindet sich der Backstagebereich, wo uns eine Handvoll trans Frauen und Dragqueens willkommen heissen.

Eine Insel der Freundschaft «Hier bin ich glücklich», sagt Chakgai Jermkwan. «Alle dürfen diese Fläche nutzen, um sich zu schminken und vorzubereiten.» Und fügt lachend hinzu: «Solange sie mich als ihre einzig wahre Königin anerkennen!»

Im Raum muss eine Glitzerexplosion sondergleichen stattgefunden haben. Der Boden ist übersät mit offenen Koffern und Kostümen, da und dort liegen High Heels und an den Wänden hängen die unterschiedlichsten Perücken. Überall stehen kleine runde Spiegel und Körbchen mit Make-up. Für Ordnung ist keine Zeit, denn alle bereiten sich für den Abend vor. Einige treten als Dragqueens auf, andere machen sich schön, um als Hostessen die Gäste in Empfang zu nehmen und mit ihnen zu plaudern.

Die Stranger Bar setzt auf ein vielseitiges Programm. In dieser Nacht wechseln sich alle halbe Stunde Dragshows ab. Wichtige Daten des LGBTIQ-Kalenders wie etwa der Welt-Aids-Tag, der Coming-out-Tag oder der «Transgender Remembrance Day» werden gebührend gefeiert, gerne darf ein Abend auch einfach im Zeichen einer Geburtstagsparty stehen. Damit eben aus Fremden Freunde werden.

Tolerantes Thailand? Mehr Schein als Sein

«Manchmal mehr als Freunde», sagt Chakgai lachend. Der 33-Jährige räumt ein paar Perücken von einem Stuhl und bittet mich, Platz zu nehmen. Zusammen mit seinem britischen Ehemann hat er die Stranger Bar 2012 eröffnet. «Damals war Silom nur ein Viertel für Touristen, die auf der Suche nach einheimischen Jungs waren. Die Atmosphäre war sehr negativ», sagt er. «Wir wollten eine Community bilden und ihr eine Bar bieten, um sich zu treffen und eine gute Zeit zu verbringen. Viele Paare haben sich hier kennen gelernt, und auch ich habe schon viele neue Freundschaften geschlossen.»

Statt Akzeptanz nur Toleranz Im Westen gilt Thailand als besonders LGBTIQ-­freundlich und auch im Alltag Bangkoks sind viele queere Menschen sichtbar, etwa auf der Strasse oder im öffentlichen Verkehr. Daraus auf eine hohe Akzeptanz in der Bevölkerung zu schliessen, wäre jedoch falsch. Toleranz oder Friedfertigkeit – die Grundwerte des Buddhismus – seien eher das richtige Wort, meint Chakgai. «Solange wir keine Probleme bereiten, kümmert man sich nicht um uns», sagt er. «Das heisst nicht, dass man uns akzeptiert. Viele LGBTIQ-­Menschen ziehen in die grösseren Städte, weil sie auf dem Land nicht offen leben können.»

In Thailand brachte der buddhistische Gelehrte Bunmi Methangkun Homosexualität und Transgeschlechtlichkeit mit einer niedrigen Spiritualität in Verbindung, eine Folge von Sünden in einem vergangenen Leben. Das könnte einer der Gründe sein, weshalb heute vor allem trans Frauen von der thailändischen Gesellschaft geächtet werden und als Konsequenz oftmals keine andere Beschäftigung finden als in der Unterhaltungsindustrie oder der Prostitution.

«Man traut uns keine seriösen Berufe zu», sagt Chak­gai. «Ein offen schwuler Mann in einem hohen Amt oder eine trans Frau als Ärztin kannst du vergessen. Das alles braucht seine Zeit.»

Meine Kandidatur ist eine symbolische Geste. Ich muss nicht gewinnen, das kann die nächste Generation.

Pionierarbeit für die nächste Generation Trotz hoher Sichtbarkeit in den touristischen Zentren fehlt es trans Menschen an grundlegenden Rechten. Transgeschlechtlichkeit gilt als psychische Krankheit, zudem besteht keine Möglichkeit, das Geschlecht in amtlichen Dokumenten zu ändern. Seit 2015 gilt in Thailand ein Schutz vor Diskriminierung auch für LGBTIQ-Menschen, allerdings mit Ausnahme von Religion, Bildung und «öffentlichen Interessen».

Ein erster Wandel zeichnete sich im Vorfeld der Parlamentswahlen Ende März ab. Unter den Kandidat*innen für den Posten des Ministerpräsidenten befand sich mit Pauline Ngarmpring erstmals eine trans Frau. Dass eine solche Aufgabe für viele Thais nicht mit einer trans Person vereinbar ist, bewiesen die Kommentare, die Ngarmpring nach der Bekanntgabe ihrer Kandidatur zu hören bekam. «Leute kamen auf mich zu und meinten: ‹Oh, du bist trans und willst Premierministerin werden? Das wäre lustig, das wäre eine sehr seltsame Geschichte›», sagte sie gegenüber Associated Press. Ngarmpringe betont auch, dass sie nicht mit einem Wahlsieg rechne: «Meine Kandidatur ist eine symbolische Geste. Ich muss nicht gewinnen, das kann die nächste Generation.»

Tatsächlich zog aber bei der Wahl mit der Filmmacherin Tanwarin Sukkhapisit erstmals eine trans Abgeordnete ins Parlament ein.

Brunei rechtfertigt Steinigung von Schwulen

«Ein guter Anfang …» Mehr Chancen dürfte die Einführung eines Partnerschaftsgesetzes haben, das aufgrund des Militärcoups von 2014 um mehrere Jahre verzögert wurde und nun vom neuen Parlament verabschiedet werden soll. Der Gesetzesentwurf klammert das Adoptionsrecht aus, was bei thailändischen LGBTIQ-Organisationen auf heftige Kritik gestossen ist. Stattdessen sieht das Gesetz eine rechtliche Anerkennung gleichgeschlechtlicher Paare mit einigen eheähnlichen Rechten vor. Damit sollen sich auch diejenigen absichern können, die im Ausland geheiratet oder eine registrierte Partnerschaft abgeschlossen haben und nun in Thailand leben, darunter Chakgai und sein britischer Ehemann. Die beiden haben 2012 in den USA geheiratet, um ihre Partnerschaft wenigstens in irgendeiner Form rechtlich festhalten zu können. «Wir wollten im Falle eines Notfalls die Möglichkeit haben, füreinander da zu sein», sagt Chakgai. «Damals glaubte ich noch nicht daran, dass dies in Thailand jemals möglich sein könnte.»

In den Strassen von Bangkok, Pattaya und Phuket sowie in der Unterhaltungsindustrie sind LGBTIQ-Menschen schon lange sichtbar. Gemäss Chakgai birgt die Politik das grösste Potenzial, um die Anliegen der Community nach vorne zu katapultieren. «Das Gesetz ist ein guter Anfang. Es müssen nicht gleich die Eheöffnung und das Adoptionsrecht sein. Schon nur die Tatsache, dass die Regierung sich über gleichgeschlechtliche Partnerschaften äussert und sagt, dass sie in Ordnung sind: Das wäre ein grosser Schritt», sagt er. «Das wäre das, was uns hier in der Stadt und den jungen Menschen auf dem Land Hoffnung geben wird.»

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