Super Typ. Super Kampagne.

Im September und Oktober für nur 40 Franken zum STI-Test

Mikki Levy-Strasser ist eines von mehreren Gesichtern der SUPER-Kampagne. (BIld: zvg/Aids-Hilfe Schweiz)
Mikki Levy-Strasser ist eines von mehreren Gesichtern der SUPER-Kampagne. (BIld: zvg/Aids-Hilfe Schweiz)

Komplimente statt Hashtags: Die Aids-Hilfe Schweiz wirft mit einer neuen Kampagne die gängigen Schönheitsideale der Schwulenwelt über Bord und bietet zudem vergünstigte Tests an.

Mikki Levy-Strasser ist eines der Models, das sich für die «Super»-Kampagne der Aids-Hilfe Schweiz auszog.

«Wärst du 20 Kilo leichter, wärst du mein Traummann.» Es war bereits spätabends und der Bekannte leicht angeheitert, als er Mikki Levy-Strasser diesen Satz an den Kopf warf. Letzterer ist gewöhnlich nicht auf den Mund gefallen, doch dieser Spruch war unerwartet und machte selbst ihn sprachlos.

«Ich lasse mir selten von Leuten sagen, dass ich nicht richtig aussehe», sagt Mikki. Als Set Designer ist er im Kulturbereich tätig und es gewohnt, vor einem Publikum auf der Bühne zu stehen – auch oben ohne. Der 30-Jährige ist mit seinem Gewicht zufrieden. «Es gab Zeiten, da war ich schwerer. Ich weiss also am besten, wenn ich mich wohl und wenn ich mich unwohl fühle. Ich möchte mich nicht verändern müssen, nur weil ich meinen Datingpool erweitern will.»

In einer von Gyms und Fitness besessenen Community fällt Mikki auf. Das kriegt er auch immer wieder bei Dating-Plattformen zu hören. «Wenn ich einem Chatpartner sage, dass ihm das Äussere scheinbar sehr wichtig sei, reagiert er oft perplex. Er sei ja nur ehrlich», erzählt Mikki. «Aber das bin ich ja auch, wenn ich sage, dass es ihn offenbar nicht interessiert, wie der Mensch hinter der Fassade aussieht.»

Schlagfertig und selbstbewusst sind Eigenschaften, die Mikki seinem Freundeskreis verdankt. «Meine Freund*innen lieben mich so, wie ich bin, und zeigen mir das auch. Bei ihnen schöpfe ich die Kraft, über solchen Aussagen zu stehen», sagt er. Daher könne er grundsätzlich gut mit Sprüchen über sein Äusseres umgehen. Es gebe jedoch Menschen, für die solche Bemerkungen vernichtend sind und das sei gefährlich, gerade im virtuellen Raum.

Mikki musste nicht zweimal überlegen, als ihn sein guter Freund Florian Vock von der Aids-Hilfe Schweiz fragte, ob er nicht bei der neuen Kampagne mitmachen wolle. Statt nur Body Positivity zu zelebrieren, fordert sie die Community auf, selbst aktiv zu werden und authentische Komplimente zu verteilen. «Schlussendlich geht es darum, die Person kennen zu lernen, die hinter der Verpackung steckt», sagt er. «Wenn du weisst, dass du ein super Mensch bist, dann spielt es keine Rolle, wie du aussiehst. Das ist die Botschaft dieser Kampagne. Sie schenkt Selbstvertrauen.»

Sich nicht in Muster pressen lassen In der Schwulenszene sei der Druck gross, in ein bestimmtes Bild zu passen. «Ich nenne das gerne Homonormativität», sagt er lachend. «Statt zu geniessen, dass wir von der Heteronormativität befreit sind, pressen wir uns in ein Muster, wie wir auszusehen haben, und eifern Pornodarstellern hinterher.» Ihm sei es jedoch wichtig anzufügen, dass er grundsätzlich am Sport oder am Gang ins Fitnessstudio nichts einzuwenden habe. «Ich finde es nicht scheisse, wenn Leute durchtrainiert sind. Im Gegenteil: Ich schau mir das ja selbst gerne an», sagt Mikki. «Wenn du das für dich tust und du Freude daran hast, bin ich voll dafür. Tu es jedoch nicht, weil du dir dadurch erhoffst, abgeschleppt zu werden oder einen Freund zu finden. So wirst du nie die Beziehung finden, in der du dich wirklich zuhause fühlst.»

aids hilfe kampagne
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Mit seinem Bekannten pflegt Mikki seit Kurzem wieder Kontakt. Er sagte ihm, dass ihn die Bemerkung von jenem Abend getroffen hätte. «Er entschuldigte sich mehrmals und fand es selbst total daneben», erzählt er. «Er sagte auch selbst, dass er damals auf der Suche nach einem bestimmten Bild war und nicht nach einer Person, mit der er zusammen sein konnte.»

Andere auf unangebrachte und verletzende Bemerkungen hinzuweisen setze eine gewisse Energie und Selbstbewusstsein voraus. «Wenn man den anderen dazu noch attraktiv findet und ihm imponieren will, wird es noch schwieriger», sagt Mikki. «Im Idealfall sollte man sofort etwas sagen, wenn man einen Spruch als nicht richtig empfindet. Ich selbst hätte das viel besser sofort angesprochen, als lange mit mir herumgetragen. Ich habe daraus gelernt.»

Mikki glaubt nicht daran, dass sich die Community jemals von ihren Idealen lösen werde. Das sei aber auch nicht das Ziel der Kampagne der Aids-Hilfe. «Es geht darum, den Individualismus zu stärken und verschiedene Körperformen zu zeigen», sagt er. «Ob in der Hetero- oder Homowelt: Eine Normativität wird es immer geben. Wichtig ist, dass Menschen realisieren, dass sie von dieser Norm abweichen können und sich dabei auch wohlfühlen dürfen.»

Im September und Oktober zahlen Männer, die mit Männern Sex haben, nur 40 Franken für einen Test für HIV, Syphilis, Chlamydien und Tripper.Hier gehts zu den Teststellen: https://drgay.ch/deine-kontakte#super-test



«Wir sind Täter und Opfer zugleich»

aids-hilfe florian
aids-hilfe florian

Florian Vock ist Programmleiter bei der Aids-Hilfe Schweiz.

Florian, Body Positivity ist schon lange ein Trend.  Naja, aber wir finden: Ein Trend, der nicht unbedingt was bringt. Nur, weil mir Plakate, Flyer und süsse Videos sagen, dass ich mich doch endlich selbst lieben solle, geht es ja nicht automatisch einfacher. Soziale Normen sind komplizierter und wir können uns da nicht wegen einem Hashtag-Trend plötzlich davon lösen. Wir alle haben viel Arbeit vor uns, wenn wir vielfältigere und bessere Zugänge zu unseren Körpern haben wollen.

Nicht gut genug zu sein: Wir alle kennen das. Wieso ist mangelndes Selbstwertgefühl gerade in unserer Community so präsent Schwule und bisexuelle Männer, aber auch trans Menschen, sind besonders gefährdet, weil sie täglich um ihren Platz in der Gesellschaft kämpfen müssen. Diskriminierende und abwertende Erfahrungen schaden unserer Psyche. Wir sind oft Täter und Opfer zugleich! In der Schwulenkultur herrscht heute das Bild eines weissen, jungen, muskulösen Mannes vor. Wir erfreuen uns an diesen Körpern – in der Pornografie, in der Werbung oder an einer Party. Wir loben Sixpacks und bejubeln den Jungbrunnen. Wir Schwulen sind sehr gut darin, alles zu hypen, was diesem Adonis nahekommt, ohne dass wir es je erreichen werden. Wir vergessen dabei, dass Ideale zwar schön zum Anschauen sind, die Realität jedoch eine andere, eine vielfältigere ist.

War es einfach, Models zu finden, die sich gerne so zeigen wollten, wie sie sind?  Ja! Das hat mich gefreut und gleichzeitig traurig gemacht. Gefreut, weil unsere Community einfach einen tollen Zusammenhalt hat. Ich muss niemanden davon überzeugen, dass wir gemeinsam anpacken müssen, wenn wir etwas verändern wollen. Traurig machte es mich, weil ich keinem Model erklären musste, warum die Kampagne so wichtig ist. Es war völlig logisch, dass das ein grosses Problem ist. Egal, ob mit Sixpack oder nicht – kein Model war mit sich selbst zufrieden. Obwohl wir auf den Bildern ja offensichtlich zeigen können, wie sexy jeder Mensch eigentlich ist.

Was für Feedback habt ihr bereits zur Kampagne bekommen?  Die Checkpoints und andere Fachstellen haben Freude daran – denn die Kampagne verknüpft das Testen mit Body Positivity. Das macht Sinn: Ein gutes Körpergefühl und ein bisschen Selbstliebe helfen dabei, regelmässig zum Test zu gehen. Oft fällt es uns schwer, einen Test zu machen, weil wir uns selbst gar nicht wirklich gönnen wollen, dass es uns gut geht. Viel zu viele schwule und queere Männer haben das Gefühl, es nicht verdient zu haben, gesund zu sein. Mit dieser Kampagne sagen wir auch: Wir finden schon, dass du es verdient hast.

Die Kampagne fordert uns auf, Komplimente zu machen. Es ist aber auch nicht einfach, Komplimente anzunehmen. Du musst es nur glauben und dann «Danke!» sagen. Aber es stimmt, Komplimente geben ist einfacher als annehmen. Darum mein Tipp: Verteile selbst Komplimente. Denn auch jemanden zum Lächeln zu bringen, wird dir selbst ein tolles Gefühl geben. Auf unserer Website kann man sogar Vorlagen für Instagram und Whats­app benutzen. Es war nie einfacher, ein Kompliment zu verschicken!

Was erhoffst du dir von dieser Kampagne? Einen kleinen Beitrag für all jene, die zu oft an sich selbst zweifeln. Aber das wird nur klappen, wenn die ganze Community mitmacht.

Vorlagen für Komplimente, beteiligte Teststellen und vieles mehr zur SUPER-Kampagne findest du auf drgay.ch/super

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