So tickt die queere Kunst- und Kulturszene des Balkans
Eine neue Ausstellung des Queer Museums Wien
Das Queer Museum Wien lädt zur Ausstellung «Arcadia – Queer Art of Diasporic Subjects» über die queere Kunst- und Kulturszene des Balkans ein. Gezeigt werden Werke von jungen queeren Künstler*innen.
So beeindruckt der serbische Multimediakünstler Stanko Gagrčin in Wien mit der virtuellen Installation «Yugowave». Dabei bewegen sich die Besucher*innen der Ausstellung durch einen dystopischen, verlassenen, industriellen und virtuellen Raum, in dem Fernsehbildschirme stehen.
Auf ihnen sind Musikvideos aus dem Jugoslawien der Achtzigerjahre zu sehen. Die Videos symbolisieren eine «unbeschwerte Zeit», als die verschiedenen Nationalitäten in Jugoslawien noch vereint waren. Die utopischen Videos mit Popmusik stehen im direkten Kontrast zu Audio-Einspielungen, die den Horror aus den späteren Jugoslawienkriegen verdeutlichen. Mit dieser virtuellen Installation lässt der Künstler die kulturelle Identität eines Volkes wieder aufleben, die im Krieg untergangen sind.
Auch die Arbeit von Kristina Tica beschäftigt sich teilweise mit dem Krieg. Die Künstlerin wurde in Belgrad geboren und lebt zurzeit in der oberösterreichischen Landeshauptstadt Linz. Das Besondere an ihren Kunstwerken ist die Auseinandersetzung mit maschinellem Lernen und Künstlicher Intelligenz. So kommt beim Projekt «War Stories», das in Wien zu sehen ist, unter anderem GPT-3 zum Einsatz, dem maschinellen Lernsystem, das von der US-Organisation OpenAI entwickelt wurde.
Auch die Belgrader Künstlerin Anastasija Pavić befasst sich in ihren Werken mit dem technologischen Fortschritt. Sie thematisiert unter anderem die Auswirkungen von neuen technologischen Entwicklungen auf das Selbstbild und auf soziale Beziehungen. In ihrem Werk «Vanilla Salvation» beziehungsweise «Sad Girl as the Internet Archetype» geht es um die Fetischisierung von weiblichem Schmerz und Aufopferung. Pavić befindet sich derzeit im letzen Jahr ihres Bachelorstudiums im Fachbereich Neue Medien an der Universität der Bildenden Künste in Belgrad. Sie nahm bereits an zahlreichen Ausstellungen in Serbien und im Ausland teil.
In Wien ist auch das Werk von Pavle Banović aus Belgrad zu sehen. Banović gewann einen Preis für junge zeitgenössische Künstler*innen und verbrachte dadurch 2023 zwei Monate in New York. Die Videoarbeit «Notes on Intimacy» erinnert an verschiedene Orte, die Banović in den vergangenen Jahren besucht hat. Die Sequenzen handeln von der Vergänglichkeit, aber auch von der Zerbrechlichkeit des Lebens und der Liebe – und dem Versuch, ein wenig darüber hinwegzukommen.
Transmedia-Künstler*in Hannah Neckel zeigt in Wien das Werk «Forever Fluid Fantasy». Es handelt vom Internet als utopischer Sehnsuchtsort und als Quelle für den Wunsch nach Befreiung und Gemeinschaft. Neckel ist Mitglied des interdisziplinären Künstlerkollektivs «room 69», das neue und progressive Ausstellungsformate entwickelt.
Die Ausstellung veranschaulicht, wie vielfältig und kreativ die queere Kunst- und Kulturszene des Balkans ist. Das Queer Museum Vienna möchte den queeren Künstler*innen aus der Region zu mehr Sichtbarkeit verhelfen. Denn queeres Leben am Balkan ist alles andere als einfach. In vielen Ländern werden queere Menschen angefeindet. Hinzu kommen nationalistische Bewegungen, die LGBTIQ-Personen explizit ausgrenzen.
Das Queer Museum Vienna gehört zu den spannendsten Kulturprojekten in Österreich. Die Initiator*innen arbeiten mit geringen finanziellen Mitteln und engagieren sich oft ehrenamtlich. Die verschiedenen Ausstellungen waren bislang an unterschiedlichen Wiener Orten zu sehen wie in diversen Museen, Kunstuniversitäten, auf Kunstmessen und bei Protestaktionen.
Die Ausstellung «Arcadia – Queer Art of Diasporic Subjects» ist Teil des Projekts «Is Queer Political?» des Queer Museums Vienna und bis 2. Februar 2024 im Wiener Otto-Wagner-Areal auf der Baumgartner Höhe zu sehen. Der Eintritt ist frei. Die Öffnungszeiten sind Donnerstag 11-20 Uhr, Freitag 14-18 Uhr, Samstag 14-18 Uhr, Sonntag 14-18 Uhr.
Mehr zum Thema: «Queere Vorbilder aus dem Balkan fehlen!» Die nach wie vor herrschende Schwulenfeindlichkeit macht es bi- oder homosexuellen Männern immer noch schwer, zu sich zu stehen (MANNSCHAFT+)
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