So queer war der Deutsche Filmpreis 2020
Kein roter Teppich, keine Gala - aber immerhin gab es diesmal einige wenige LGBTIQ-Lichtblicke
Wer die Sendung zum Filmpreis 2020 gesehen hat, fragt sich: Warum sind die meisten deutschen Filme so unqueer? Es liegt u. a. am Förder- und Redaktionssystem, das schon in der Entstehungsphase der Filme bewährte Erfolgsrezepte bevorzugt und die Nischen und Experimente eher meidet, schreibt Patrick Heidmann in seinem Samstagskommentar*.
Alles lief anders in diesem Jahr bei der Verleihung des Deutschen Filmpreises, der am Freitagabend verliehen wurde. Statt wie sonst mit grosser Gala, rotem Teppich und ausschweifender Aftershow-Party wurde Corona-bedingt ein neues Show-Konzept erprobt: der als Moderator engagierte Schauspieler Edin Hasanovic stand in einem Studio ohne Publikum (und war trotzdem mit vollem tänzerischen Körpereinsatz am Start), die Laudator*innen und Nominierten wurden aus ihren Wohnzimmern und Küchen dazugeschaltet. Nur eines war wie immer: die queere Ausbeute fiel auch beim Filmpreis 2020 recht gering aus.
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Anders als bei den Oscars – wo in den vergangenen Jahren von «Moonlight» über «The Favourite» und «Bohemian Rhapsody» bis hin zu «Green Book» die unterschiedlichsten Filme mit LGBTIQ-Figuren und –Themen unter den Gewinnern gab – tut man sich bei den Lolas, wie der Deutsche Filmpreis auch genannt wird, mit Queerem immer eher schwer. Die Gründe dafür sind vielfältig und reichen von einem Förder- und Redaktionssystem, dass schon in der Entstehungsphase der Filme bewährte Erfolgsrezepte bevorzugt und die Nischen und Experimente eher meidet, bis hin zu einem Abstimmungssystem innerhalb der Deutschen Filmakademie, durch das kleine queere Filme wie etwa «Heute oder morgen» (einem der charmantesten deutschen Filme des vergangenen Jahres) kaum eine Chance haben.
Immerhin: Anders als in vielen Jahrgängen gab es in diesem Jahrgang überhaupt etwas Queeres zu entdecken auf den deutschen Leinwänden und damit auch beim Filmpreis. Als Bester Nebendarsteller war Pasquale Aleardi nominiert, der in der Musical-Verfilmung «Ich war noch niemals in New York» den schwulen Zauberer Costa spielt (hier geht es zum MANNSCHAF-Interview mit dem Schweizer Darsteller). Auch in «Das perfekte Geheimnis», der einen Sonderpreis als besucherstärkster Film erhielt, ist einer der Protagonisten schwul (wodurch allerdings das Drehbuch unerfreuliche homophobe Schlagseite bekommt).
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In der zweimal nominierten Romanadaption «Narziss & Goldmund» betont Regisseur Stefan Ruzowitzky das homoerotische Begehren des von Sabin Tambrea verkörperten Mönchs.
Und durch «Berlin Alexanderplatz» der wegen Corona aktuell noch auf einen Kinostart wartet, aber insgesamt gleich für elf Lolas ins Rennen ging, weht gar eine Queerness (und Diversität), wie man sie in der hiesigen Kinolandschaft sonst nicht kennt.
Für «Berlin Alexanderplatz», in dem er den Drogen-Ganster Reinhold spielt, wurde Albrecht Schuch als Nebendarsteller ausgezeichnet – und gewann kurz darauf für «Systemsprenger» wenig später auch noch die Lola als Bester Hauptdarsteller. Ohne Frage ein verdienter Doppel-Preisträger, der da mit Kopfhörern auf den Ohren und leicht überfordert vor seinen Filmplakaten sass.
Wie es überhaupt letztlich wenig auszusetzen gab an den Gewinner*innen des Abends. Der Filmpreis in Gold und sieben weitere Lolas (darunter für die junge Hauptdarstellerin Helena Zengel) gingen an das tolle Drama «Systemsprenger», dessen Macherin Nora Fingscheidt gerade an einem Film mit Sandra Bullock arbeitet.
«Berlin Alexanderplatz» erhielt letztlich fünf Preise, darunter den Filmpreis in Silber. Und auch gegen die anderen ausgezeichneten Filme, von «Es gilt das gesprochene Wort» über «Lindenberg! Mach dein Ding» bis hin zu «Born in Evin» oder «Als Hitler das rosa Kaninchen stahl», gibt es wenig einzuwenden. Was aber nicht heisst, dass wir uns für die Zukunft nicht trotzdem noch mehr LGBTIQ-Repräsentation wünschen.
*Jeden Samstag veröffentlichen wir auf MANNSCHAFT.com einen Kommentar zu einem aktuellen Thema, das die LGBTIQ-Community bewegt. Die Meinung der Autor*innen spiegelt nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wider.
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