Hassgewalt in Wiener Hotel: «Diese Schwu***eln gehören umgebracht!»

Ein schwules Paar wird verprügelt, die Täter nicht belangt

Foto: Marten Bjork/Unsplash
Foto: Marten Bjork/Unsplash

In einem Wiener Luxushotel wurde 2018 ein schwules Ehepaar von einem ukrainischen Abgeordneten und seinen Begleitern brutal zusammengeschlagen und verletzt. Vier Jahre später ist der Vorfall immer noch nicht aufgeklärt.

Am Abend des 18. August 2018 war das schwule Ehepaar im Hotel Meliá im DC Tower essen, dem höchsten Wolkenkratzer Österreichs. In Hörweite sassen drei Männer und sagten: «Schaut euch diese Schwuchteln an, solche gehören umgebracht». Weitere homophobe Beleidigungen folgten. Als einer der Eheleute den Kopf auf die Schulter des anderen legte, sagte einer aus dem Trio, man solle ihm den Kopf abschlagen und zwischen die Beine legen.

Nach Mitternacht begab sich das Ehepaar zum Aufzug, um ins Zimmer zu gehen. Die drei Männer folgten ihnen. Einer rief: «Die fahren jetzt auf ihr Zimmer, um zu ficken». Beim Betreten des Liftes sagte einer der Eheleute zu diesem Mann, dass er seinen Wortschatz korrigieren solle. Als Antwort erhielt er einen Faustschlag ins Gesicht. Die drei Angreifer zerrten das Ehepaar aus dem Lift, schlugen auf sie ein und traten ihnen gegen die Beine. Bis sich das Ehepaar schliesslich losreissen konnte. Anschliessend sollen die Schläger mit dem Aufzug in ihre Zimmer gefahren sein (MANNSCHAFT berichtete).

Polizei und Justiz ermitteln mit auffallender Unwilligkeit und äusserst schlampig.

Das Ehepaar wurde erheblich verletzt. Die Männer riefen die Polizei, die die Sache aufnahm und Verletzungen dokumentierte. Eine Hotelangestellte, die den Vorfall miterlebt hat, bestätigte die Angaben des Ehepaares. Mit den Tätern, die im selben Hotel wohnten, nahmen die Polizeibeamten aber keinen Kontakt auf. Sie stellten auch weder die Gästeblätter der Täter sicher noch die vom Hotel angefertigten Ausweiskopien.

Das Rechtskomitees Lambda (RKL) beklagte Ende 2021: «Polizei und Justiz ermitteln mit auffallender Unwilligkeit und äusserst schlampig, um über drei Jahre später das Verfahren mangels Nachweisbarkeit des Tathergangs einzustellen.»



Mario Lindner, SPÖ-Sprecher für Gleichbehandlung, Diversität und LGBTIQ und SoHo-Vorsitzender, den wir zum 4. Jahrestag des Hassverbrechens um ein Statement baten, erklärte: «Jeder Mensch hat das Recht auf vollen Schutz und Anerkennung durch den Rechtsstaat. Die offensichtlichen Ermittlungsfehler der Polizei werfen Fragen auf, die vor allem das Innenministerium zu klären haben. Wir haben deshalb schon bei Bekanntwerden des Falles parlamentarische Anfragen eingebracht und werden weiter für volle Aufklärung kämpfen – in diesem Fall, genauso wie in allen Fällen von Hasskriminalität, egal wer die Betroffenen sind!»

Im Dezember 2021 hatte Lindner eine Anfrage gestellt, u.a. mit den Fragen: Gab es gegen die ermittelnden Polizeibeamt*innen interne Untersuchungen oder dienstrechtliche Konsequenzen? Und: Warum wurde gegen die mutmasslichen Täter nicht sofort eine internationale Fahndung ausgeschrieben? – Fragen, die bis heute nicht geklärt sind.

Obwohl nach dem Vorfall eine Hotelangestellte mitgeteilt hatte, dass eine Videoaufnahme existiere, wurde diese nicht direkt sichergestellt. Am nächsten Morgen riefen die Opfer neuerlich die Polizei, weil sie die drei Täter im Frühstücksraum wiedersahen. Während sich das Ehepaar mit den eintreffenden Polizeibeamten, andere als in der Nacht zuvor, unterhielt, kamen ihnen die drei Männer entgegen. Obwohl von den Opfern darauf aufmerksam gemacht, reagierten die Beamten nicht und verliessen das Hotel. Denn die Sache sei ja ohnehin bereits in der Nacht aufgenommen worden.

Nun endlich forderte die Polizei vom Hotel die Videoaufnahme der Tat an. Nach Übermittlung durch das Hotel, hat sie den Datenträger jedoch nicht sofort, sondern erst nach geraumer Zeit gesichtet, schildert das RKL das Versagen der Polizei. Stellte doch dann fest, dass er leer war. Zu diesem Zeitpunkt war die Videoaufnahme im Hotel bereits gelöscht.

Die Wiener Polizei, vier Jahre nach dem Vorfall von MANNSCHAFT auf diese Aufnahme angesprochen, verweist knapp auf den leeren Datenträger. Kein Wort des Bedauern oder der Einsicht in Ermittlungsfehler.

Vom ÖVP-geführten Innenministerium wollten wir wissen, ob Angehörige der österreichischen LGBTIQ Community fürchten müssen, dass Täter, die sie bedrohen oder verletzen wie in diesem Fall, nicht belangt werden. Ein Sprecher reagierte verschnupft mit den Worten, die Frage sei absurd. Denn: «Gerade das BMI macht seit Jahren extrem viel in diesem Bereich und nimmt hier sogar eine Vorreiterrolle ein.» Man verwies auf medienöffentliche Informationen, Folder, Statistiken und Berichte rund um das Thema Hassverbrechen.

Doch was ist mit den Tatverdächtigen? In ihrem Abschlussbericht vom Oktober 2018 gab die Polizei an, dass «über die Hotelverwaltung» nur einer der drei Täter, ein ukrainischer Parlamentsabgeordneter von der Mitte-Rechts-Partei Petro Poroschenko Block ausgeforscht werden konnte. Die Identität der beiden Mittäter war angeblich nicht klärbar. Einvernahmen, so die Polizei, hätten nicht durchgeführt werden können, da die Beschuldigten «bereits am nächsten Tag abgereist» seien.

Zum tätlichen Angriff hat die Staatsanwaltschaft laut RKL alle Ermittlungsschritte zur Ausforschung der beiden unbekannten Mittäter nur auf hartnäckiges Betreiben der Opfer gesetzt. Etwa die Beischaffung der Ausweiskopien der Hotelgäste der betreffenden Nacht. Da war allerdings schon über ein Jahr vergangen: Das Hotel hatte die Ausweiskopien der Hotelgäste vom August 2018 bereits vernichtet.

Die Opfer beantragten daraufhin, aus dem nach dem Meldegesetz zu führenden (und 7 Jahre lang aufzubewahrenden) Gästeverzeichnis die Hotelgäste der Tatnacht auszuforschen, Lichtbilder dieser Personen zu ermitteln und den Opfern sowie der Zeugin zur Identifikation vorzulegen.

Die Staatsanwaltschaft lehnte das ab und das Landesgericht für Strafsachen Wien sowie das Oberlandesgericht Wien bestätigten diese Entscheidung. Das betreffende Hotel verfüge über mehr als 250 Zimmer und die Überprüfung all dieser Gäste (auch nur der erwachsenen männlichen) bloss, um ein oder zwei Täter ausfindig zu machen, verletze das Recht der unschuldigen Gäste auf Datenschutz.  Auch wären die beantragten Ermittlungen sehr aufwändig und auch von daher unverhältnismässig (ebendort). Tatsächlich wird das Gästeverzeichnis aber gerade auch für polizeiliche Ermittlungen geführt, so das RKL.

Wieder erst auf Antrag der Opfer, so das RKL, beauftragte die Staatsanwaltschaft die Einvernahme der Assistent Front Managerin, die dem Ehepaar am Morgen nach der Tat mitgeteilt hatte, dass die Namen der Täter bekannt sind. Plötzlich konnte das Hotel nun doch einen weiteren Täter identifizieren. Warum das für den dritten nicht möglich war, ist weiter unklar.

Die Staatsanwaltschaft hat im Rechtshilfeweg die ukrainische Generalstaatsanwaltschaft um Vernehmung der beiden Beschuldigten ersucht und die Beschuldigten zur Fahndung ausgeschrieben. Allerdings: nur im Inland. Wieder erst auf Antrag der Opfer, so das RKL, habe sie die Fahndung auf ganz Europa ausgedehnt.

Als die Einvernahme des ukrainischen Abgeordneten (er verweigerte Angaben zur Sache) eintraf, wartete die Staatsanwaltschaft die Einvernahme des zweiten Beschuldigten erst gar nicht ab und stellte das Verfahren ein (StA Wien 10 St 304/19y). Der Tathergang sei nicht mit der erforderlichen Sicherheit nachweisbar.

Im Dezember 2021 liess die Staatsanwaltschaft die Beschuldigten aus dem Beweisnotstand laufen, den die «von Schlamperei und auffallendem Desinteresse» gekennzeichneten Ermittlungen verursacht haben, «insbesondere durch die Verschlampung der Videoaufnahme der Tat», kritisiert Helmut Graupner, Rechtsanwalt des Ehepaares und RKL-Präsident. Nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) hätten Opfer von Hassdelikten das Recht auf eine wirksame, umfassende und erschöpfende Untersuchung und auf wirksame Strafverfolgung der Täter.

Die Chancen für eine Wiederaufnahme des Falles sind gering. Jetzt, im August vier Jahre später, erklärt Graupner auf MANNSCHAFT-Anfrage, wäre das nur bei neuen Beweisen möglich, die jedoch nicht zu erwarten seien. Zudem sei der Hauptbeschuldigte vom Block Petro Poroschenko in der Ukraine tot aufgefunden worden. Und was das betroffene Ehepaar betrifft: «Meine Mandanten wollen auch abschliessen und von der Sache nichts mehr hören», so der RKL-Präsident.

Der Verein queerer Polizist*innen, GayCopsAustria, hat sich im Herbst 2021 bei seiner Generalversammmlung aufgelöst (MANNSCHAFT+).

Das könnte dich auch interessieren