Romy: Ein offenes Herz für die Nacht

Ein Gespräch über das Solodebüt «Mid Air», Clubkultur, Coming-out und queere Sichtbarkeit

Romy (Bild: VicLentaigne)
Romy (Bild: VicLentaigne)

Als Teil des Erfolgstrios The xx gelangte Romy Madley Croft aka Romy zu Weltruhm. Mit ihrem Solodebüt «Mid Air» (MANNSCHAFT berichtete) verbindet die Britin nicht nur ein intimes musikalisches, sondern auch ein persönliches Coming-out

In welchen Momenten war Musik für dich eine wichtige Unterstützung? Für mich ist Musik zu machen wie eine Selbsttherapie. Als ich eine Teenagerin war, entdeckte ich, dass ich durch das Schreiben von Texten und Gedichten besser verarbeiten kann, wie ich mich fühle. So geht es mir auch heute noch. Mein Songwriting hat mir in meinem Leben oft geholfen.



«Mid Air» ist das erste Album, das du ohne The xx veröffentlicht hast. Welche Herausforderungen hat die Arbeit ohne deine beiden Kollegen mit sich gebracht? Es war anders, Musik ohne Oliver und Jamie zu machen. Aber es war eine aufregende Gelegenheit, mich selbst herauszufordern, neue Fähigkeiten zu erlernen und neue kreative Verbindungen zu knüpfen. Natürlich war das manchmal auch schwierig, was aber dazugehört, wenn man Dinge ausprobiert. Ich bin froh, aus meiner Komfortzone herausgegangen zu sein.

Es heisst, «Mid Air» sei vor allem ein Album über das Nachtleben. Während Corona waren die Clubs leer. Hat sich das deiner Meinung nach auf die Art und Weise ausgewirkt, wie die Leute heute feiern? Ich habe die Verbindung und die Euphorie, die ich beim Feiern in Clubs stets verspürt hatte, während der Lockdowns wirklich vermisst. Ich weiss, dass es vielen Leuten so ging. In letzter Zeit hat die Popularität von DJs und Clubbing deutlich zugenommen. Das ist aufregend. Ich glaube, man schätzt die Möglichkeit, zusammenzukommen und sich vom Alltagsdruck zu befreien, mehr als vor Corona.

Was macht gute Clubmusik aus? Ich persönlich liebe Clubmusik mit viel Gesang, Melodie und Gefühl. Auf «Mid Air» habe ich versucht, Clubmusik zu machen, die auch ein erzählerisches Element besitzt. Ich mag es, wenn ich sehe, wie die Leute beim Tanzen zu meiner Musik mitsingen.

Warum hast du dich – ähnlich wie dein Kollege Oliver – erst im Zuge deines Soloprojekts dazu entschlossen, Geschichten über deine sexuelle Identität mit dem Publikum zu teilen? Ich bin jetzt an einem Punkt in meinem Leben, an dem ich offener sein und die Barriere zwischen meinem Privatleben und meiner Musik aufheben möchte. Es fühlte sich natürlich an, zu zeigen, wen ich liebe, und ich hoffe, dass ich durch das Teilen meiner persönlichen Erfahrungen mehr Repräsentation für andere queere Menschen schaffen kann.

Viele tun sich schwer damit, sich vor sich selbst, vor Familien oder grösseren Kreisen zu outen. Weshalb lohnt es sich dennoch? Ich verstehe wirklich, dass ein Coming-out kein einfacher Prozess ist und jeder Mensch anders ist. Es ist wichtig zu wissen, dass es in Ordnung ist, sich Zeit zu lassen und sich zu outen, wenn man bereit ist. Hier gibt es kein Richtig oder Falsch, man muss auf sich selbst hören und auf das vertrauen, was sich für einen richtig anfühlt.



Für mich war es wichtig, dass ich nicht das Gefühl hatte, etwas zu verbergen. Ich bin stolz darauf, wer ich bin und wen ich liebe. Ich bin dankbar, dass ich eine Familie um mich herum habe, die mich unterstützt und umarmt. Diese Liebe hat mir das Selbstvertrauen gegeben, mein Leben offenherziger zu leben.

Was sagst du dazu, dass es noch immer Länder gibt, in denen LGBTIQ-Menschen verfolgt oder bestraft werden? Leider gibt es immer noch so viele Teile der Welt, in denen es nicht sicher ist, so zu sein, wie man ist. Sich zu outen, ist dort verheerend. Ich weiss, welchen Einfluss es auf mich hat, wenn ich zu queeren Menschen aufschauen kann und wie sehr es mir das Selbstvertrauen gegeben hat, mich in meinem Privatleben und in meiner Musik stärker zu zeigen. Selbst wenn ich nicht in der Lage bin, an jeden Ort zu reisen, hoffe ich, dass sich mein Album und dessen Texte auf den Weg machen können und mit etwas Glück, Trost und Sichtbarkeit schenken.

Die libanesischen Behörden greifen Menschenrechtlern zufolge systematisch die grundlegenden Menschenrechte von LGBTIQ an (MANNSCHAFT berichtete).

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