Queere Solidarität? Symbolik allein reicht nicht!

Lieber keine lauten Zeichen, wenn sie Teil einer Marketingshow sind, findet unser Autor

Foto: Unsplash/Nikolas Gannon
Foto: Unsplash/Nikolas Gannon

Wie geht eigentlich Solidarität mit LGBTIQ? Taten sind stärker als Worte und vor allem wichtiger als das Tragen bestimmter Textilien, meint unser Kommentator*.

Neulich las ich von einer kurzen Auseinandersetzung, deren ganz genaue Details hier keine Rolle spielen müssen. Jedenfalls ging es um, so nenne ich es mal, Zumutbarkeiten. Konkret: Einer postete etwas zu einem Zeichner, dessen Bilder auch queere Ratgeberbücher illustrieren – und lobte ihn. Ein anderer erwiderte, ach, das ist doch nur naiver Kram, künstlerisch sei damit kein Blumenpott zu gewinnen. Der Angesprochene fühlte sich nun, den Zeichner zu verteidigen, und zwar mit einem aktivistisch getönten Argument: Ja, das mag sein, dass es in der ästhetischen Weise der Zeichnungen ein gewisses Ungelenk gibt, aber die Geste zähle – der Zeichner meine es doch gut, und das solle man bitte wertschätzen und zwar, «damit es uns weiterbringt».

Das heisst: Wir als Angehörige der sogenannten LGBTIQ-Szene sollen nicht mehr streiten, urteilen, kritisieren etc. – sondern nur noch wertschätzen, denn alles diene unserer, der guten, ja, besten Sache. Ich teile diese Ansicht nicht, zumal viele meiner Kommentare und Statements auch heftig kritisiert werden, ohne dass sich auch nur ein Queerchen um Wertschätzungsoptimierungen mir gegenüber müht. Vor fast 30 Jahre schrieb ich in der Hamburger Ausgabe der taz eine Kritik über ein Konzert des schwulen Chores, das ich künstlerisch eher so lala fand, okay, aber nicht berauschend, doch der Applaus fiel so rauschend und prasselnd aus, dass man denken konnte, da habe eine alte Barbra Streisand glücklicher- und überraschender Weise wieder die höchsten Töne wie zu ihren Jugendtagen getroffen. Mein Kommentar: Offenbar sei es inzwischen so, dass selbst ein (« … » – schlimmes Wort, nicht mehr zitierbar) nur die Überschrift «schwul» bräuchte, um stärksten Applaus zu ernten.

Es war ein ungerechter Text, muss ich bald zugeben, unfair auch gegenüber der Idee selbst: Schwules nicht mehr diskret zu halten, sondern es zeigen. Denn damals ging es wirklich ja noch um schwule Sichtbarkeit, also um die explizite Betonung einer künstlerischen Darbietung als «schwul» (oder «queer», wie auch immer).

Das hat sich geändert, in jeder Hinsicht. In freien Ländern, zu denen Deutschland, die Schweiz, Österreich und Belgien ja zählen, in deren Metropolen zumal, ist LGBTIQ nicht zu übersehen, schon gar nicht während der CSD-Saison. Klar, manches könnte noch sichtbarer sein, etwa schwule Fussballer, von denen es im Profigeschäft in Deutschland niemanden gibt, der spielt, wie er eben spielt – und ausserdem keine Spielerliebste auf der Tribüne sitzen hat, sondern einen Liebsten. Da gibt es offenbar noch viel Furcht und Distanz.

Nicht jedoch ist ein Weg zu empfehlen, der uns aus Australien übermittelt wird: Sieben Spieler einer Rugby-Mannschaft aus Sydney weigerten sich, das von höchster Ebene des Vereins verordnete Regenbogentrikot sich überzustreifen (MANNSCHAFT berichtete). Die Spieler, die kein Rainbow-Jersey überziehen wollten, beriefen sich im Übrigen auf religiöse, familiäre und kulturelle Bedenken. Das galt nicht als gute Geste, weil ein ehemaliger Spieler, Ian Roberts, selbst spät selbstgeoutet, diese textile Symbolik angeregt hatte. Der antwortet seinen Kumpels aus dem Sport in einem Offenen Brief, ihm breche wegen der Weigerung, queere Solidarität zu üben, das Herz. Und so weiter und so fort.

Die sieben Spieler sind keine schlechten Menschen.

Ich aber würde meinen: Die sieben (vermutlich heterosexuell orientierten) Spieler durften (und dürfen) bekunden, das Dress nicht überziehen zu wollen. Sie sind deshalb keine schlechten Menschen. Könnte sein, dass sie aufrichtig sind: Keine Aktion mitzumachen, die sie nicht einsehen und nicht in ihren Herzen tragen. Mir ist es nämlich lieber, dass die Solidarität mit queeren Anliegen nicht Teil einer Marketingshow ist, die die Ausübenden nur mitmachen, weil es gerade cool ist oder angesagt: Charity ist imageförderlich, nicht wahr?

Lieber wäre mir, und das erfahren wir aus Australien nicht weiter, in einem Rugby- oder (wie meist in Europa) Fussballteam spielen schwule Männer mit. Dass sie im Team sind, nicht mit blöden Sprüchen traktiert werden, dass sie sich also sicher fühlen. Sporttrikots braucht es dann nicht als Symbol des guten Willens: Er wird einfach gelebt.



*Jeden Samstag veröffentlichen wir auf MANNSCHAFT.com einen Kommentar zu einem aktuellen LGBTIQ-Thema. Die Meinung der Autor*innen spiegelt nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wider.

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