Polens Botschafter: «LGBT-Ideologie können Katholiken nicht billigen»
Andrzej Przyłębski äussert Verständnis für die Anti-LGBTIQ-Resolutionen zahlreicher Kommunen und verharmlost sie
Andrzej Przyłębski äussert Verständnis für die Anti-LGBTIQ-Resolutionen zahlreicher Kommunen in Polen – es sei «ein Widerspruch gegen die LGBT-Ideologie, die manchmal brutal durchgesetzt werde».
Der polnische Botschafter in Deutschland äusserte sich auf der Website der Republik Polen «zur Kritik in den deutschen Medien zu den sog. «LGBT-freien Zonen» in Polen und des neuesten Protests gegen «LGBT-freie Zonen» in Polen, der sich am 7. März 2020 in Berlin vor dem Polnischen Institut ereignete».
Gut 100 polnische Städte und Gemeinden haben sich in den letzten Monaten zu «LGBT-freien Zonen» erklärt. Um zu verdeutlichen, welches Ausmass der Homohass erreicht hat, haben Aktivist*innen eine interaktive Karte erstellt – gegen die die Initiator*innen der Ausgrenzung jetzt klagen (MANNSCHAFT berichtete).
Polen sei als EU-Mitglied an die Einhaltung von Rechtsvorschriften gebunden, erklärt nun Botschafter Przyłębski. «So bestimmt sich nach Art. 21 Abs. 1 der EU-Grundrechtecharta, dass niemand aufgrund des Geschlechts, der Rasse und der sexuellen Orientierung diskriminiert werden darf. Daran hat sich Polen mit all seinen staatlichen Organen, sowie Behörden zu halten.»
Pogrome verhindern – Polen braucht unsere Pride-Power!
Die polnische Regierung stelle sich gegen jegliche Handlungen, die die humanen Rechte eines anderen Menschen verletzen würden. «Umso wichtiger ist uns dabei, eine offene und sachliche Debatte zu führen, über Sachverhalte, die die Bevölkerung vielleicht spalten und differenzieren mögen.» Der polnische Staatspräsident, Andrzej Duda, habe solche Debatte auch «mit den LGBT-Kreisen» nicht ausgeschlossen, schreibt Polens Botschafter.
Polen biete auch jedermann die Möglichkeit, ohne auf die Weltanschauung und persönliche und individuelle Schaffung zu achten, in jeder Richtung erfolgreich zu sein. «Ein ausserordentliches Beispiel dafür ist ein Kandidat für den Präsidenten der Republik Polen, der offen homosexuell lebt und aufgrund seiner sexuellen Orientierung keinerlei Nachteile hinsichtlich seiner Kampagne erleidet.» Gemeint ist Robert Biedroń (MANNSCHAFT berichtete). Warum der Botschafter ihn nicht beim Namen nennt, bleibt sein Geheimnis.
LGBT-Ideologie ist für einen Teil der katholischen Glaubensbekenner nicht zu billigen
Man müsse aber auch betonen, so der Botschafter, dass der Grossteil der polnischen Bevölkerung katholischen Glaubens sei – das bedeute, «dass die LGBT-Ideologie für einen Teil dieser Glaubensbekenner, nicht zu billigen ist». Eben in diesem Sinne müsse man Beschlüsse von einigen Kommunen als Widerspruch gegen die LGBT-Ideologie erörtern. «Ein Widerspruch gegen eine Ideologie, die manchmal brutal durchgesetzt wird, nicht gegen Menschen, die als Personen Schutz geniessen.» Dies sei auch vom christlichen Gebot der Nächstenliebe garantiert. Solche Beschlüsse hätten nur einen symbolischen Charakter und schafften keinerlei «LGBT-freie Zonen».
Am Ende erklärt der Botschafter, er möchte allen Nachbarn versichern, «dass Sie sich in Polen, wo Sie wollen und wie lange Sie wollen, aufhalten können, und dass Sie überall herzlich willkommen sein werden».
Statistische Erfassung von Hassverbrechen gescheitert
Scharfe Kritik an der Erklärung äussert der schwule Aktivist Bartosz Staszewski. Er hatte Anfang des Jahres als Protestaktion Tafeln mit der mehrsprachigen Aufschrift «LGBT-freie Zone» neben die Ortsschilder der entsprechenden Gemeinden gehängt und queere Menschen davor fotografiert. Nachdem Staszewski die Bilder ins Netz stellte, wurde er von Mitgliedern einer Regierungspartei angezeigt, weil er angeblich dem Ansehen Polens schade.
«Ihre Urteile in diesem Fall sind privat und haben keine Rechtsgrundlage und tun mir sehr weh», schreibt Staszewski auf Mittwoch auf Facebook, an den Botschafter gerichtet. «Erklärungen gegen «LGBT Ideologie» enthalten Formulierungen, die individuelle Freiheiten und Rechte untergraben, insbesondere das verfassungsmässige Diskriminierungsverbot.» Der Aktivist verweist darauf, dass Beschwerden bei fünf Provinzverwaltungsgerichten gegen ausgewählte Gemeinderatsresolutionen eingereicht wurden, die der «LGBT-Ideologie» entgegenwirkten.
Am Ende erklärt Staszewski, er verstehe, «dass das Wissen um die Verfassung kein starker Zug sei, weder des Botschafters noch seiner Frau [Julia], die unter Verletzung der Verfassung zur Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs gewählt wurde».
So kann jede*r etwas gegen «LGBT-freie-Zonen» in Polen tun
2016 hatte Präsident Andrzej Duda das Amt der PiS-nahen Richterin Julia Przyłębska übertragen. Wegen der anhaltenden Querelen um das Verfassungsgericht leitete die EU-Kommission ein Rechtsstaatlichkeitsverfahren gegen das Land ein. Dessen Regierung erkannt immer wieder Urteile des Verfassungsgerichts nicht an und hat mehrfach Gesetze durchs Parlament gebracht, die nach Ansicht von Kritiker*innen die Unabhängigkeit dieses Organs einschränken sollen.
Im April-Heft der MANNSCHAFT (Deutschland) folgt ein ausführlicher Bericht über den Widerstand gegen die «LGBT-freien Zonen». Hier geht es zum Abo Deutschland und hier zum Abo Schweiz.
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