Pink Apple zelebriert den Widerstand
Das LGBTIQ-Filmfestival in Zürich und Frauenfeld ehrt den Regisseur Rosa von Praunheim.
Die Auswirkungen der Stonewall-Aufstände vor 50 Jahren in New York reichten bis nach Europa. Das LGBTIQ-Filmfestival Pink Apple wirft einen Blick auf die Anfänge der hiesigen Homosexuellenbewegung und zeichnet Regisseur Rosa von Praunheim mit dem «Pink Apple Festival Award» aus.
Weltweit wird heuer das 50. Jubiläum der Stonewall-Aufstände gefeiert, die als Geburtsstunde der modernen LGBTIQ-Bewegung gelten. Im deutschsprachigen Raum trug Rosa von Praunheims Film «Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt» massgeblich zur Emanzipierung homo- und bisexueller Menschen bei. So sollen die damaligen Homosexuellen Arbeitsgruppen Zürich 1972 unmittelbar nach einer Vorführung des Films gegründet worden sein.
Der inszenierte Dokumentarfilm gilt heute als Kult und als Schnappschuss einer Zeit, in der schwule Männer gemäss von Praunheim lieber ein bürgerliches Scheinleben pflegten, als gleiche Rechte einzufordern. Das LGBTIQ-Filmfestival Pink Apple in Zürich und Frauenfeld widmet sich dem Werk von Rosa von Praunheim und zeigt den Film am Sonntag, 5. Mai, um 14 Uhr im Kulturhaus Helferei in Zürich in Form eines Public Viewings und in Anwesenheit Praunheims.
Im Anschluss treffen in einer Diskussionsrunde queere Generationen aufeinander. Aktivist Ernst Ostertag vom Verein queerAltern und Johanna von Felten von der Milchjugend lassen mit Rosa von Praunheim die letzten 50 Jahre queere Zeitgeschichte Revue passieren und stellen die Frage, ob die Community heute vom Perversen befreit ist. Gehört auch der queere Aktivismus bald der Geschichte an?
Weitere Weisheiten aus seinem Leben gibt von Praunheim am 3. Mai in einer Lesung seines autobiografischen Ratgebers «Wie wird man reich und berühmt?» in Zürich preis. Darin erzählt der Künstler, Regisseur und Autor aus 50 Jahren Berufserfahrung und erklärt, warum die Welt so schön ist und Filme so grausam sein müssen. Am darauffolgenden Abend zeichnet Pink Apple von Praunheim mit dem «Pink Apple Festival Award» für sein Schaffen aus. Im Rahmen der Preisübergabe werden auserlesene Werke gezeigt, darunter das Selbstporträt «Pfui Rosa!».
Voguing und Miniball Pink Apple will dieses Jahr auch ein besonderes Augenmerk auf die Trans- und Drag-Community setzen, die 1969 massgeblich an den Stonewall-Aufständen beteiligt war. Mit Voguing und der sogenannten Ballroomszene hatten sich trans Frauen und Dragqueens damals einen Safespace geschaffen. In Zusammenarbeit mit «Zürich tanzt» führt Pink Apple am 4. und 5. Mai im Kulturhaus Helferei eine Einführung ins Voguing durch, inklusive Mini Ball.
Ebenfalls im Kulturhaus Helferei ist während des Filmfestivals die Fotoausstellung «Queerer Aufstand» zu sehen. Die Bilder zeigen LGBTIQ-Menschen, die in den letzten 50 Jahren in der Schweiz auf die Strasse gegangen sind, um für Gleichberechtigung zu kämpfen, unter anderem an den CSDs und im Kampf gegen HIV/Aids.
Rebellen auf Fussspitzen Um Widerstand dreht sich auch die Doku «Rebels on Pointe», die am Pink Apple gezeigt wird, denn bis in die Siebzigerjahre war das Tanzen auf Fussspitzen lediglich Frauen vorbehalten. Der Film begibt sich auf die Spuren schwuler Tänzer, die diese Tanztechnik im Versteckten ausübten und sich mit Tutus gegen die Konventionen wehrten. Wer hätte damals gedacht, dass sie mit «Les Ballets Trockadero de Monte Carlo» Berühmtheit erlangen und die klassische Ballettwelt aufwirbeln würden? Der kanadische Film begleitete die «Trocks» auf ihrer weltweiten Tournee und verschafft einen Einblick in ihren harten Trainingsalltag und in ihre humorvollen Aufführungen, die Elemente einer Dragshow mit hochstehendem Ballett verbinden. Dabei kommen sowohl Liebhaber*innen des konventionellen Tanzes als auch Neulinge auf ihre Kosten.
Serienmord und Schwulenporno Vom Ballett in die Pornoindustrie: Der französische Thriller «Un couteau dans le coeur» ist in den Siebzigerjahren angesiedelt und dreht sich um die lesbische Starproduzentin Anne (gespielt von Vanessa Paradis), die mit ihrer Freundin Loïc Schwulenpornos dreht. Erektionsprobleme erweisen sich als ihre kleinste Sorge, als plötzlich ein maskierter Serienmörder sein Unwesen treibt und Anne damit in Bedrängnis bringt. Die Zahl der Pornodarsteller verringert sich von Mord zu Mord, und dann will auch noch Loïc die Beziehung unwiderruflich beenden. Der Film von Yann Gonzalez ist eine Hommage ans Kino der Siebzigerjahre und zeigt mit viel Klischees und Selbstironie, was sexuelle Besessenheit mit der menschlichen Seele macht. Im Film als Pornodarsteller zu sehen ist übrigens auch Félix Maritaud.
Gestrandet in Mexiko Am Pink Apple gibt es auch Schweizer Premieren zu sehen, darunter «Luciérnagas» (deutsch: «Glühwürmchen»). Der mexikanische Spielfilm erzählt die Geschichte des iranischen Flüchtlings Ramin, der mit dem falschen Frachtschiff statt in Europa in Mexiko gelandet ist und wegen Geldmangels dort festsitzt. Er verspricht seinem Freund in der Türkei ein baldiges Wiedersehen und heuert als Tagelöhner auf Baustellen an. Dort lernt er Guillermo kennen – eine intensive Begegnung, die schliesslich zu unerwarteten Konsequenzen führt. Ramin freundet sich mit seiner Vermieterin Leti an und erkennt, dass auch sie im Innern mit ihrem Schicksal hadert.
Vom 30. April bis 9. Mai gastiert das Pink Apple Filmfestival in Zürich, vom 10. bis 12. Mai in Frauenfeld. Das Programm ist ab 10. April auf der Website abrufbar: pinkapple.ch
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