Filmfestival Pink Apple holt den Frühling nach
Das Filmfestival findet in einem ausgedehnten Zeitraum von neun Wochen statt
Wegen des Lockdowns im April musste Pink Apple abgesagt werden. Nun findet das grösste Schweizer schwullesbische Filmfestival ausnahmsweise im Herbst statt und zwar in einem ausgedehnten Zeitraum von neun Wochen, vom 20. Oktober bis 15. Dezember 2020.
Queere Filmfreund*innen in Zürich und Frauenfeld kommen doch noch auf ihre Kosten. Das aufgrund des Corona-Lockdowns im Frühling abgesagte Filmfestival flimmert in Zürich nun vom 20. Oktober bis 15. Dezember über die Kinoleinwand, jeweils Dienstags und am Wochenende. Die Durchführung in Frauenfeld wurde auf das Wochenende des 27. bis 29. Novembers verlegt.
Eröffnungsfilm ist «Futur Drei», Gewinner des Teddy-Awards für besten queeren Spielfilm. Es ist das Spielfilmdebüt des 26-jährigen Regisseurs Faraz Shariat, das von wahren Begebenheiten in seinem Leben inspiriert wurde. Nach einem Ladendiebstahl muss Parvis, Sohn von iranischen Eltern im Exil, gemeinnützige Arbeit in einem Wohnprojekt für Flüchtlinge leisten, wo er die Geschwister Banafshe und Amon trifft. Zu dritt erleben sie einen turbulenten Sommer mit vielen durchfeierten Nächten, bis die Beziehung zwischen den dreien durch das Knistern zwischen Parvis und Amon auf die Probe gestellt wird. «Futur Drei» ist ein Film über die erste intensive Liebe, aber auch über die Lebensrealitäten deutscher Migrant*innen zwischen Fremdsein, Ausgrenzung und Bleiberecht.
Mit «For They Know Not What They Do» und «Cicada» widmen sich zwei Dokumentarfilme den aktuellen Entwicklungen in den USA. Ersterer zeigt den heftigen Gegenwind, dem sich die US-amerikanische LGBTIQ-Community nach der Eheöffnung 2015 stellen muss. Regisseur Daniel G. Karslake erzählt die Geschichte von vier Familien in den USA, die lange mit der sexuellen Orientierung beziehungsweise der Geschlechtsidentität ihrer Kinder gehadert haben. Auf Anraten ihrer evangelikalen Kirchgemeinde schicken Rob und Linda Robertson ihren Sohn Ryan in die Konversionstherapie, um seine Homosexualität zu «therapieren». Zentrale Themen des Films sind Religion, Ablehnung und die Suche nach Bestätigung, aber auch die Kraft von Liebe und Akzeptanz.
Als Regisseur, Hauptdarsteller und Autor verarbeitet Matthew Fifer in «Cicada» eigene Erfahrungen. Er spielt dabei die Rolle des introvertierten Ben, der seine Zeit mit bedeutungslosen Sexdates vertreibt – bis er den dunkelhäutigen Sam kennen lernt. Die beiden machen sich auf den Weg, gemeinsam Traumata und unterschwellige Rassenkonflikte zu überwinden.
Ein weiterer Fokus des Filmfestivals ist das 75-jährige Ende des Zweiten Weltkriegs. Neben einem Public Viewing mit «Escape to Life – Die Erika und Klaus Mann Story» beleuchtet ein Vortrag von Professorin Anna Hájkov die Verfolgung von LGBTIQ-Personen, die erst heute verstärkt aufgearbeitet wird. In Zusammenarbeit mit Visit Zurich ist ein queerer Stadtrundgang mit Fokus Zweiter Weltkrieg geplant.
Nach der Schweizer Premiere am Zurich Film Festival ZFF zeigt Pink Apple «Welcome To Chechnya». Der Dokumentarfilm begleitet eine riskante Rettungsaktion von schwulen, lesbischen und bisexuellen Menschen aus Tschetschenien. Dort werden sie systematisch verhaftet und in illegalen Haftanstellen gefoltert, um auf diese Weise Namen von Ihresgleichen zu erfahren. Um die Anonymität der Protagonist*innen zu wahren, wurde auf eine innovative Technologie gesetzt (MANNSCHAFT berichtete).
Um Homophobie handelt sich auch die britisch-nigerianische Produktion «Walking With Shadows», die am Pink Apple Schweizer Premiere feiert. Die Handlung spielt in Nigeria nach der Einführung der Antihomosexuellengesetze und dreht sich um den Familienvater Adrian, der von einem Unbekannten als schwul geoutet wird. Schliesslich muss er sich zwischen dem Ausleben seiner Sexualität und Frau und Kind entscheiden. Der Spielfilm ist eine Adaption von Jude Dibias’ gleichnamigen Buch, das mit dem schwedischen Natur- und Kulturpreis ausgezeichnet wurde.
Für auflockernde Stunden soll jüdischer Humor sorgen. Die Actionkomödie «Douze Points» handelt von einem in den Pariser Banlieu aufgewachsenen, arabischstämmigen schwulen Sänger, der die Eurovision-Song-Contest-Vorentscheidung von Frankreich gewinnen soll – unter Mithilfe von Islamisten. Diese wollen den ESC-Kandidaten an der Endausscheidung in Israel dazu benutzen, um dort eine Bombe platzieren zu können.
Im deutschen Spielfilm «Kiss Me Kosher» verliebt sich die israelische Shira in die aus Deutschland stammende Maria – Stoff für eine herrliche Komödie mit (politischem) Tiefgang. Die Idee für den Film bekam Regisseurin Shirel Pele, als sie ihre deutsche Freundin ihren Eltern in Israel vostellte (MANNSCHAFT berichtete). «Die deutsche Familie hat allerdings nichts mit der Familie meiner Partnerin zu tun, das muss ich ganz deutlich dazusagen, sonst kriege ich Probleme», sagte sie lachend.
Das vollständige Programm sowie das COVID-19-Schutzkonzept ist auf der pinkapple.ch aufgeführt. Die Organisator*innen empfehlen für das Contact-Tracing den Vorverkauf.
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