Neues Denkmal für NS-Opfer der Homosexuellen-Verfolgung
Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr und Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler präsentierten am Mittwoch den Entwurf des künstlerischen Teams Sarah Ortmeyer und Karl Kolbitz.
Am Mittwoch wurde der Siegerentwurf für das „Denkmal für die Männer und Frauen, die Opfer der Homosexuellen-Verfolgung in der NS-Zeit wurden“, im Wiener Resselpark von Wiens Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr, Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler und dem Jury-Vorsitzenden Hannes Sulzenbacher (Zentrum QWIEN) präsentiert. Das Team Sarah Ortmeyer und Karl Kolbitz ging mit seinem Entwurf „ARCUS (Schatten eines Regenbogens)“ aus dem zweistufigen künstlerischen Wettbewerb, ausgelobt von der Wiener Antidiskriminierungsstelle für LGBTIQ-Angelegenheiten (WASt) und der Kunst im öffentlichen Raum Wien GmbH (KÖR), als Gewinner*in hervor.
Eine 10-köpfige Jury, die von einem Sachbeirat aus Community-Vertreter*innen und Expert*innen unterstützt wurde, wählte das Projekt aus. Dem Wettbewerb ging ein großangelegter Beteiligungsprozess und fachlicher Diskurs unter breiter Beteiligung der LGBTIQ-Community, sowie der Gedenk- und Kunst-Communities voraus.
„Der Menschen zu gedenken, die Opfer der NS-Homosexuellen-Verfolgung wurden, ist mir ein ganz persönliches Anliegen. Wir haben Standort, Widmungsgruppe und Gedenkzeitraum ausführlich diskutiert sowie Communities eingebunden und einen gesamtgesellschaftlichen Diskurs im Vorfeld zu diesem Denkmal geführt. Ich danke allen, die sich an diesem Diskurs beteiligt haben, ganz herzlich“, sagt Vizebürgermeister Wiederkehr. „Das Denkmal soll uns alle mahnen, die Zukunft in unserer Stadt so zu gestalten, dass Vielfalt, Akzeptanz und Lebensfreude die Schatten von Homophobie, Hass und Gewalt überstrahlen!“, so Wiederkehr.
„Ich freue mich, dass ein lang verfolgtes Projekt nun nach einem Prozess des offenen Dialogs von Communities und Expert*innen aus verschiedenen Bereichen finalisiert werden kann“, so Wiens Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler. „Es ist wichtig und notwendig, dass ein Denkmal die Erinnerung an die homosexuellen Opfer des Nationalsozialismus im öffentlichen Raum manifestiert und uns dazu aufruft, jeglicher Form von Homophobie und Diskriminierung entschieden entgegenzutreten. Der Regenbogen, der seine Farbigkeit verloren hat, verdeutlicht auf verständliche Weise, in welches Grauen das Fehlen von Toleranz und die ideologische Instrumentalisierung von Vorurteilen führt“, so Kaup-Hasler weiter. „Angesichts der nach wie vor existierenden Diskriminierung und Verfolgung von Homosexuellen in vielen Regionen der Welt, ist das Denkmal ein Zeichen für vergangenes wie gegenwärtiges Leid.“
Hannes Sulzenbacher, Jury-Vorsitzender: „Der Entwurf ‘ARCUS (Schatten eines Regenbogens)‘ übersetzt die bunten Regenbogenfarben, die heute Symbol der LGBTIQ-Bewegung sind, in vielfältige Grautöne und rückt so ganz deutlich das Moment der Trauer und des Gedenkens in den Vordergrund. Der Entwurf ist auf den ersten Blick einfach und verständlich, gleichzeitig vielschichtig, ausdrucksstark und auf verschiedenen Ebenen lesbar.
Durch die Verwendung des Regenbogens wird das würdevolle Gedenken und Erinnern an die Opfergruppe der Männer und Frauen, die Opfer der Homosexuellenverfolgung in der NS-Zeit wurden, in die Gegenwart geholt und für uns heute aktualisiert. Gleichzeitig kreiert der Entwurf Irritation, schafft Mehrfarbigkeit trotz der Grautöne und ist un-fassbar, denn ein Regenbogen als optisches Phänomen kann doch eigentlich gar keinen Schatten werfen. Und unfassbar ist auch das Geschehene, die Verfolgung und Ermordung von Menschen.
So bekommt die halbrunde Form der Skulptur, die wie beiläufig einen Raum und verweilende Momente des Innehaltens schafft, Poesie, verbindet Vergangenheit mit Gegenwart, Gegenwart mit Zukunft und Trauer und Gedenken mit einer Mahnung an uns alle, denn ein Regenbogen braucht gute Rahmenbedingungen, um entstehen und leuchten, um lebendig sein zu können.
Die gelungene künstlerische Umsetzung überzeugt zudem mit Eleganz und Leichtigkeit, der Entwurf fügt sich mit seiner Formgebung sensibel in die Umgebung und in die Topographie des Ortes ein. Er ist monumental und doch fragil und eröffnet zahlreiche neue Blickachsen im Park.“
Bereits vor Jahren hatte die Stadt Wien den Entschluss gefasst, ein Denkmal für die homosexuellen NS-Opfer zu errichten. Als Ort wurde damals der Morzinplatz auserkoren, wo sich seinerzeit das Gestapo-Hauptquartier befunden hatte. Der Siegerentwurf des Wettbewerbs von 2006 war technisch nicht realisierbar. Von 2010 bis 2015 wurden von KÖR temporäre Mahnmale am Morzinplatz und am Naschmarkt umgesetzt. Die WASt organisierte eine große Fachkonferenz zu zeitgemäßem Gedenken, gab eine wissenschaftliche Studie in Auftrag und lud gemeinsam mit KÖR Community-Vertreter*innen zu open spaces, um Anforderungen an das Denkmal zu erarbeiten. 2019 wurde der Resselpark als neuer Standort definiert und ein geladener Wettbewerb ausgelobt. Der Wettbewerbssieger, der britische Künstler Marc Quinn, zog seinen Entwurf im Juli 2021 zurück, daher wurde eine Neuausschreibung notwendig.
Im zweistufigen Wettbewerb wurden aus 83 Einreichungen acht zur Weiterbearbeitung eingeladen. In der Jurysitzung am 18. Mai 2022 wurde schließlich der Entwurf „ARCUS (Schatten eines Regenbogens)“ von Sarah Ortmeyer und Karl Kolbitz zum Siegerprojekt gekürt. Alle Einreichungen können ab Juni auf der Homepage der WASt (www.queer.wien.gv.at) eingesehen werden.
Die Jury bzw. das Beurteilungsgremium setzte sich zusammen aus den stimmberechtigten Mitgliedern Julian Göthe (Künstler), Doris Haidvogl (Landschaftsplanerin), Lea Halbwidl (Bezirksvorsteherin Wieden), Franz Kobermaier (MA 19 -Architektur und Stadtgestaltung), Ursula Maria Probst (Kuratorin), Renate Meissner (Nationalfonds der Republik Österreich), Cordula Loidl-Reisch (Landschaftsarchitektin), Hannes Sulzenbacher (Zentrum QWIEN), Ursula Schwarz (Stadt Wien Kultur, Referat Kulturelles Erbe), Corinna Tomberger (Kunst-und Sozialwissenschaftlerin) sowie aus einem nicht-stimmberechtigten, beratenden Sachbeirat, zusammen. Diesem gehörten neben zahlreichen Magistratsabteilungen auch Andreas Brunner (Zentrum QWIEN), Marty Huber (Rosa Lila Tipp), Markus Steup (HOSI Wien), Martina Taig (KÖR GmbH) und Wolfgang Wilhelm (WASt) an, um die Jury mit spezifischer LGBTIQ- und Wiener Community-Fachkompetenz anzureichern und den intensiven Dialog mit der LGBTIQ-Community auch im Beurteilungsgremium fortzuführen.
Das Projekt wird von der Stadt Wien und dem Nationalfonds der Republik Österreich unterstützt und als Gesamtbudget stehen für den Wettbewerb und die Realisierung des Siegerentwurfs € 300.000 zur Verfügung.
Markus Steup, der die Homosexuelle Initiative (HOSI) Wien im Sachbeirat für das Mahnmal vertreten hat, sagt: „Wir freuen uns sehr über den gelungenen Entwurf und dass mit diesem neuen Anlauf ein würdiges und vor allem permanentes Mahnmal endlich Realität wird, das an die schwulen, lesbischen und bisexuellen Opfer der NS-Terrorherrschaft erinnert. Damit wird eine jahrzehntelange Forderung der HOSI Wien erfüllt. Diese öffentliche Anerkennung ist besonders wichtig, denn gerade homosexuelle Opfer wurden auch nach Kriegsende jahrzehntelang nicht anerkannt, noch viel weniger entschädigt. Wenn sie überlebt haben, wurde ihnen ihre Zeit im KZ auch nicht auf die Pension angerechnet – den Aufseher*innen hingegen schon.“
Sarah Ortmeyer ist Künstlerin. Ihre Arbeit umfasst klassische Disziplinen wie Bildhauerei und Malerei, oft in nicht-traditionellen Darstellungsweisen. Sie arbeitet in umfassenden Werkgruppen, zu Themen wie: GRANDMASTER Series (Schach), und EMOJI SHADOW Series (Schatten) und CANUS Collectio (Grau). Ortmeyer stellt international aus, unter anderem im Belvedere21, Wien; Palais de Tokyo, Paris; MAK Center, Los Angeles und im MoMA PS1, New York.
Karl Kolbitz ist freiberuflicher Editor und als kreativer Berater und Produzent tätig. Kolbitz arbeitet an der Schnittstelle zwischen inhaltlicher Entwicklung und visueller Gestaltung. In seinen dokumentarischen Projekten beschäftigt er sich mit dem Einfluss von Design, Architektur und öffentlichem Raum auf unser Leben. Die Zusammenarbeit mit Künstlern*innen formt einen Schwerpunkt seiner Arbeit.
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