Nach mysteriöser Botschaft: Gründung von «LGBT Rheintal SG»

Solidarität setzt gegenseitiges Kennenlernen voraus, findet Gründer Michael.

Michi von LGBT Rheintal SG (Bild: Michael)
Michi von LGBT Rheintal SG (Bild: Michael)

Ein rätselhafter Papierstreifen führt zur Gründung einer regionalen Facebook-Gruppe. Gründer Michael ist der Austausch innerhalb der Community seit jeher ein Anliegen. Mit dem Ende der Plattform «Purplemoon» entstand in der Schweiz diesbezüglich eine Lücke, die auch von der neuen App «Milchstrasse» gefüllt wird.

Als Michael am letzten Samstag seinen Briefkasten leerte, fand er darin einen Papierstreifen. Nebst einer Emailadresse stand darauf die Frage: «Gleichgesinnte in Buchs?» Dazu eine kleine Regenbogenfahne. Diese geheimnisvolle Kontaktaufnahme bewog ihn zur Gründung der regionalen Facebook-Gruppe «LGBT Rheintal SG». «Das Bedürfnis, sich kennenzulernen und sich zu vernetzen, ist noch immer sehr gross», sagt er.

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Orgien unerwünscht Wie sich zeigte, steckte hinter der Mailadresse ein Mann, der in der Nähe wohnt. «Er hat die Regenbogenfahne auf meinem Balkon gesehen und deshalb mit mir Kontakt aufgenommen», weiss Michi mittlerweile. Er war dann auch gleich einer der Ersten, die der neuen Facebook-Gruppe beigetreten sind.

Die Gruppe soll die Möglichkeit bieten, sich miteinander unterhalten zu können, ohne dass es gleich um Sex geht. Mit dem Ende von «Purplemoon» sei das vor allem für Schweizer Jugendliche schwierig geworden, findet Michi. Sowohl auf Grindr als auch auf Romeo werde man mit Penisbildern zugespammt.

«Ich lege deshalb grossen Wert darauf, dass in dieser Gruppe keine Typen reinkommen, um zu irgendwelchen Orgien einzuladen», erklärt Michi. Das Ende von Purplemoon habe ihn sehr getroffen. Er lernte dort viele Leute kennen. Es sei ausserdem die erste Plattform gewesen, auf der er sich geoutet habe.

«Milchstrasse» erreicht Ziel Die LGBTIQ-Jugendorganisation «Milchjugend» lancierte als Ersatz für Purplemoon eine eigene App mit dem Namen «Milchstrasse» (MANNSCHAFT berichtete). Offenbar ist diese frohe Botschaft noch nicht überall angekommen, denn Michi erfährt beim Interview mit MANNSCHAFT zum ersten Mal davon. «Oh, mega cool! Das muss ich mir anschauen!»

Das Crowdfunding für die App hat das Ziel von 20’000 Franken mittlerweile erreicht. Dies teilte die Organisation am Montag mit. Dennoch bestellt sich Michi ein T-Shirt, um dem Projekt zu helfen. «Dafür investiere ich sehr gern 65 Franken. Ich finde es nämlich äusserst wichtig, dass es diese Möglichkeit gibt.» Er werde auch gleich seinen Freunden von der Purplemoon-Nachfolgerin erzählen.

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Erinnerungen an Treffen in Sargans Michi hatte bereits zuvor erfolgreich eine regionale LGBTIQ-Gruppe gestartet: Vor etwa sieben Jahren trafen sich jeden Monat jeweils rund 20 Personen aus der Region Sargans in einer Bar. «Es gab sogar das eine oder andere Pärchen», sagt er nicht ganz ohne Stolz. Das Ganze war wiederum nur möglich dank Purplemoon, wo man solche Gruppen erstellen konnte.

Auf diese Zeit schaut er nun etwas wehmütig zurück. Nach zirka einem Jahr nahmen immer weniger Leute teil. Dann zog Michi nach St. Gallen und konnte nicht mehr jeden Monat nach Sargans reisen.

Mehr als nur Freizeitbeschäftigung Dafür wurde zeitgleich für die Region Vorarlberg die Gruppe «{hobit» (kurz für «homo, bi, trans») ins Leben gerufen. Michi hält es für möglich, dass sich die Gruppe aus dem Rheintal einst für Treffen und Veranstaltungen den «hobits» anschliessen könnte. Wegen Corona verlagere sich momentan alles etwas ins Digitale, aber vielleicht werde er innerhalb von LGBT Rheintal SG Treffen organisieren. Zuerst müsse er aber mal abwarten, wie sich die Gruppe entwickle.

Für ihn ist jedoch klar, dass solche Treffen und die Vernetzung im Allgemeinen mehr sind als eine schöne Freizeitbeschäftigung. Michi war einer der beiden Männer, die 2011 aus einer Pizzeria in St. Gallen geworfen wurden, weil sie sich küssten. Dieser Vorfall erfuhr damals medial grosse Aufmerksamkeit und beschäftigte ihn für lange Zeit.

«Ich finde, wir sollten uns alle etwas mehr solidarisieren und dies kann man nur, wenn man sich auch kennt», sagt Michi. «Es gibt immer noch zu viele LGBTIQ-Menschen, die sich verstecken oder niemanden haben, mit dem sie reden können.»

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