Muslimischer US-Stadtrat verbietet die Pride-Flagge
Man wolle damit «Kinder schützen» – die Liberalen fühlen sich hintergangen
Die mehrheitlich muslimisch regierte US-Stadt Hamtramck verbietet per Gesetz das Anbringen von Pride-Flaggen an öffentlichen Gebäuden. Die Rechten jubeln, die Liberalen fühlen sich verraten.
Als im Jahr 2015 der spätere US-Präsident Donald Trump gerade sehr erfolgreich mit islamfeindlicher Rhetorik Wahlkampf betrieb, wählte Hamtramck als erste US-Gemeinde überhaupt einen mehrheitlich muslimischen Stadtrat. Neben der muslimischen Gemeinschaft freuten sich auch viele Liberale über diese historische Wahl im Südosten des US-amerikanischen Bundesstaates Michigan.
Einstimmiger Entscheid Doch spätestens jetzt ist diese Begeisterung verflogen: Der Stadtrat von Hamtramck verbietet mit einem neuen Gesetz das Anbringen von Pride-Flaggen an städtischen Gebäuden. Wie 20 Minuten berichtet, brachen viele Einwohner*innen, die sich im Rathaus versammelt hatten, beim einstimmigen Entscheid der Ratsmitglieder in Jubel aus.
Der Entscheid des konservativen und rein männlichen Gremiums sorgt für ähnlich viel Aufregung wie dessen Wahl vor acht Jahren – nur sind diesmal die Rollen vertauscht: Während die Rechtskonservativen in den sozialen Medien die LGBTIQ-Community verhöhnen und die «schwulenlose Stadt» Hamtramck feiern, fühlen sich die Liberalen verraten.
Rechtsradikale Argumente Das gilt etwa für Karen Majewski, eine ehemalige Bürgermeisterin von Hamtramck: «Wir haben sie unterstützt, als sie bedroht wurden, und jetzt werden unsere Rechte bedroht, und sie sind diejenigen, die uns bedrohen», sagte sie gemäss 20 Minuten und richtete sich dabei an den Stadtrat. Die LGBTIQ-Einwohnerin Gracie Cadieux sieht in dieser Haltung «eine Auslöschung der queeren Gemeinschaft und einen Versuch, queere Menschen zurück ins Closet zu zwingen».
Die Argumente des Stadtrates für das Flaggenverbot sind dieselben, wie man sie auch von rechtskonservativen Republikaner*innen hört: Man wolle damit lediglich «die Kinder schützen». Die Anhänger*innen des Gesetzes fordern ausserdem, dass «Homosexuelle ihre Gesinnung in ihrem Haus behalten».
Der amtierende Bürgermeister Amer Ghalib sagte gegenüber dem Guardian, dass die LGBTIQ-Community zu Spannungen beitrage, indem sie anderen «ihre Agenda aufzwingen» würde. Die Gegner*innen des Gesetzes stempelt er zudem als schlechte Verlierer*innen ab.
Kein Respekt für Minderheit? Ex-Bürgermeisterin Majewski zeigt anhand eines Beispiels, dass Demokratie nicht als «Diktatur der Mehrheit» verstanden werden muss: 2005 habe ein mehrheitlich christlicher Stadtrat eine Verordnung verabschiedete, die es erlaubte, den muslimischen Gebetsruf fünfmal am Tag aus den Moscheen der Stadt zu übertragen, obwohl die weissen Einwohner*innen dagegen protestiert hätten. Majewski fügt an, dass sie jetzt mit vertauschten Rollen nicht dieselbe Solidarität feststellen konnte. Sie bedaure, dass im heutigen Hamtramck die Mehrheit die Minderheit nicht mehr respektiere.
In den vergangenen Tagen haben Dutzende Menschen an Protesten und Kundgebungen gegen das Pride-Flaggen-Verbot demonstriert. Im Interview mit Detroit News sagte Gracie Cadieux, dass sie hoffe, dass Hamtramck nun viel queerer werde. «Wenn wir schon keine Repräsentation auf den Fahnenmasten der Stadt haben können, möchte ich sie auf den Bürgersteigen sehen. Ich will Wandmalereien an Gebäuden sehen, ich will die Geschichte sehen, ich will die Repräsentation meiner Gemeinschaft in voller Grösse sehen.»
Geprägt durch Einwanderung Erlaubt sind jetzt an öffentlichen Gebäuden nur noch die US-Landesflagge, die Flagge des Staates Michigan, die Flagge von Hamtramck, die «Prisoner of War flag» sowie die sogenannte «Nation’s Flag». Sie repräsentiert die Länder, aus denen die zugewanderten Einwohner*innen der Stadt stammen, um den internationalen Charakter der Gemeinde zu verdeutlichen.
Die Geschichte der Stadt, in der heute über 28’000 Personen leben, wurde geprägt durch die Einwanderung. Ursprünglich besiedelten deutsche Bäuer*innen Hamtramck. Ab 1914 zogen sehr viele Menschen aus Polen ins Gebiet, um in der neuen Autofabrik der Dodge-Brüder zu arbeiten. In den vergangenen Jahrzehnten kamen zahlreiche Menschen aus dem Jemen, aus Bangladesch, Pakistan und Bosnien-Herzegowina in die Stadt. 2013 war erstmals die Mehrheit der Bevölkerung muslimisch.
Bereits Anfang Jahr sorgte der Stadtrat von Hamtramck für Aufregung: Damals hatte er eine Verordnung verabschiedet, die das religiöse Schlachten von Tieren erlaubt.
Gerade jetzt im Pride-Monat Juni erstrahlt der Regenbogen als Symbol für die LGBTIQ-Gemeinschaft an vielen Orten in besonderem Glanz. Im Rainbow-Shop von Simon und Thomas kannst du dich zu diesem Anlass mit Hunderten unterschiedlichen Regenbogen-Artikeln eindecken (MANNSCHAFT+ berichtete). Ein Dorn im Auge ist das Symbol hingegen den Behörden in Malaysia: Sie beschlagnahmten 164 Uhren aus der Pride-Kollektion von Swatch (MANNSCHAFT berichtete).
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