Liquidiert Russland jetzt die nächste LGBTIQ-Organisation?

Die Entscheidung über Sphere fällt an diesem Dienstag

Symbolbild: Klaus Wright/Unsplash
Symbolbild: Klaus Wright/Unsplash

Es könne der Beginn einer neuen Realität für die LGBTIQ-Community in Russland sein, die noch nie besonders gut war, so die Menschenrechtsaktivistin Swetlana Sacharowa in einem Gastbeitrag für das Portal srdefenders.org. Sie war früher Direktorin von Sphere.

Schon vor dem Krieg stellten die russischen Behörden der LGBTIQ-Community «traditionelle Werte“ entgegen und schufen ein Bild der inneren Feinde. Ich muss zugeben, dass diese Hasspropaganda weitergehen und viel stärker sein wird. Und deshalb brauchen LGBTIQ-Menschen in Russland nun mehr Unterstützung als je  zuvor. Und selbst wenn Sphere liquidiert wird, werden wir unsere Arbeit fortsetzen.

Seit 2011 bietet Sphere psychologische Beratung und Rechtsbeistand zu queeren Themen an. Internationale Aufmerksamkeit bekam die Stiftung vor allem für das Rapid-Response-Programm, mit dem die Stiftung seit 2017 Queers zur Flucht aus Tschetschenien verhalf, schreibt die taz. Laut Sprecherin Irina Petrow haben Fragen zu Asyl, Migration und Flucht aus Russland schon immer einen Grossteil ihrer Arbeit ausgemacht. «Es gibt keine weitere Organisation in Russland, die diese Art von Arbeit leistet und sich international für Informationskampagnen und das Monitoring von LGBTIQ-Rechten einsetzt», so Petrow.

«Die Charitable Foundation Sphere muss weiter arbeiten können», fordert auch die Sprecherin der Grünen für Menschenrechte und LGBTIQ, Ewa Ernst-Dziedzic. «Die angedrohte Liquidierung mit fadenscheiniger Begründung ist ein weiterer Schlag gegen die Menschenrechte in Russland.»

Während die Aufmerksamkeit der Welt zurecht auf den Krieg in der Ukraine gerichtet sei, greife das russische Regime auch im eigenen Land die Menschenrechte massiv an, erklärt Ernst-Dziedzic. Nach der erst im Dezember erfolgten Auflösung von Memorial International, einer der ältesten Menschenrechtsorganisationen in Russland (MANNSCHAFT berichtete), verhandelt ein Gericht in St. Petersburg an diesem Dienstag die Liquidierung von Sphere. Die Stiftung unterstütze das gesamte russische LGBTIQ-Netzwerk, dessen Arbeit durch eine Auflösung nicht mehr möglich wäre.

LGBTIQ-Aktivist*innen sind in Russland auch persönlich in immer grösserer Gefahr.

Der österreichische Nationalrat habe schon vor einem Jahr die Bundesregierung aufgefordert, auf bilateraler Ebene, im Rahmen der Europäischen Union und im Rahmen anderer geeigneter internationaler Foren darauf zu bestehen, dass auch in Russland Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte und Grundfreiheiten respektiert werden.

«Diese Aufforderung ist aktueller denn je», so Ernst-Dziedzic. Europa sei in der Pflicht zu handeln: «LGBTIQ-Aktivist*innen sind in Russland auch persönlich in immer grösserer Gefahr. Wir brauchen rasch und unbürokratisch humanitäre Visa, Fluchthilfe und sichere Wege in die EU, auch nach Österreich.»

Schwule Geflüchtete in Deutschland erhalten oft nicht die Unterstützung, die sie benötigen, wie ein aktuelles Beispiel aus Berlin zeigt (MANNSCHAFT berichtete).

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