Mit einer LGBTIQ-Partei in Israels Parlament?
Am 9. April wird die neue Knesset gewählt - erstmals könnte bei den Wahlen eine LGBTIQ-Partei antreten
Am 9. April finden in Israel die Wahlen zur Knesset statt. Nur noch wenige Wochen hat Imri Kalman Zeit, seine Idee der Gründung einer LGBTIQ-Partei in die Tat umzusetzen.
Wer, wenn nicht er? Imri Kalmann ist in der dritten Generation schwul, wie er gerne sagt. «Mein Vater ist auch schwul und mein Grossvater mütterlicherseits ebenso.» Als sie seinen Vater in den 60er Jahren heiratete, wusste Imris Mutter, worauf sie sich einliess. Dennoch beschlossen sie, die Niederlande zu verlassen und nach Israel zu gehen, um eine Familie zu gründen. Das offizielle Coming-out folgte, als Imri 8 war. Und davon ermutigt, wagte auch der Vater von Imris Mutter endlich, zu seinen Gefühlen zu stehen. Da war er bereits um die 60.
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Wenn also einer auf die Idee kommt, eine LGBTIQ-Partei in Israel zu gründen, dann Imri. Die nötigen 120 Unterstützer hat er zusammen, auch eine lesbische Mitstreiterin mit russischen Wurzeln, Marina Krisov, aber die Summe von 30.000 Shekel noch nicht.
Der 32-jährige Unternehmer war jahrelang Vorsitzender der LGBTIQ-Organisation The Aguda und führte bis vor ein paar Jahren das «Shpagat», die einzige verbliebene Homobar in Tel Aviv. Mittlerweile ist er Teilhaber des Nachtclubs «Kuli Alma» und arbeitet in der Firma seines Vaters, wo er fürs Marketing zuständig ist.
Versuch in linker Partei schlug fehl Die Idee für eine Parteigründung hat er schon länger. Zuvor hatte er vergeblich versucht, in der Meretz-Partei Fuss zu fassen oder besser: sie zu übernehmen. Doch die linke Partei, am ehesten vergleichbar mit den deutschen Grünen, hat sich über die Frage der Leihmutterschaft zerstritten: Für Heteropaare ist sie seit über 20 Jahren in Israel erlaubt, die Kosten trägt die Krankenkasse; für homosexuelle Paare gilt das nicht.
Hohe Kosten für Leihmutter Die Folge: Schwule, die eine Familie gründen wollen, müssen dafür ins Ausland gehen, häufig in die USA. Die Kosten belaufen sich auf bis zu 700.000 Shekel oder mehr – das sind etwa 166.000 Euro. Für das Geld kann man sich eine Eigentumswohnung kaufen, am Stadtrand von Tel Aviv. Doch die Feministen in der Partei waren gegen das Vorhaben, die Leihmutterschaft auch auf Homopaare auszuweiten. «Seither ist auf Seiten der Gay Community viel Vertrauen in die Politik verloren gegangen», sagt Imri.
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Israel kennt keine Zivil-Ehe Die Öffnung der Leihmutterschaft für alle gehört zu den Zielen, die Imri mit seiner noch zu gründenden Partei verfolgt, ebenso wie die Schaffung einer Art Eingetragenen Partnerschaft. Bisher gibt es keine säkulare Ehe in Israel – Hochzeiten sind eine Sache der Religionsgemeinschaften. Das würde Imri gerne ändern – nicht nur für Schwule und Lesben. Es gibt ausreichend heterosexuelle Paare, die heiraten möchten, aber nicht dürfen, etwa wenn eine Jüdin einen Moslem ehelichen will. Oft sind auch russische Immigranten betroffen, die in Israel oft nicht als jüdisch genug angesehen werden.
LGBTIQ in Israel – mit russischen Verbündeten? Ausgerechnet in der russischen Community – die nicht unbedingt für ihre Homofreundlichkeit bekannt ist – sieht Imri darum potenzielle Partner. «Sie müssen keine Regenbogenfahnen schwenken und sich zur Gay Marriage bekennen», sagt der Aktivist. «Aber wir haben einen gemeinsamen Nenner – die Ehe oder eingetragene Partnerschaften für alle.»
Ein anderes Thema, wenn auch freilich weniger konkret, sieht er in der Gründung eines LGBTIQ-Staates. Zumindest kann man das in Betracht ziehen, findet er. Also warum nicht über das Thema sprechen?
Wir müssen auf die Risiken vorbereitet sein
«Wenn Schwule und Lesben in den Ländern, in denen sie momentan Rechte geniessen, wieder in Gefahr sind, können wir uns nicht wehren. Wir haben keine Armee. Ich rede gar nicht aus Angst, sonst aus Vernunft. Wir müssen auf die Risiken vorbereitet sein.» Imri hat für seine Idee ein naheliegendes Beispiel. «Zu Anfang dachten viele auch, ein jüdischer Staat sei eine verrückte Idee.»
In dem Zusammenhang treibt ihn noch eine andere Sorge um. «Nur wenn queere Menschen in Homobars oder LGBTIQ-Zentren gehen, entsteht eine Community. Aber das geht immer mehr zurück. Eine Community kommt nicht zustande, bleibt nicht bestehen, indem man sich über Dating-Apps seine Sexpartner bestellt. Wir treffen uns nicht mehr. Wenn eines Tages wieder Gefahr droht: Wo geht man hin, wo trifft man sich als Community? LGBTIQ-Zentren sind so wichtig!» Einen eigenen Staat zu gründen, eine Armee aufzustellen sei vielleicht nicht die Lösung, sagt Imri. «Aber wir brauchen eine politische Vertretung.»
Es gibt Leute in der Gay Community, die ihn vor der Parteigründung warnen. Tu es nicht, sagen sie. Wenn es scheitert, wird es uns schaden. Aber Imri glaubt fest an seinen Erfolg. Es wird eine niedrige Wahlbeteiligung erwartet, sagt er. Denn viele Israelis sind verzweifelt und enttäuscht. «Das ist ein grosser Vorteil für uns. Wenn wir 120.00 Stimmen bekämen, ergäbe das vier Sitze.» Insgesamt hat die Knesset 120 Sitze. 120.000 Stimmen hält Imri für nicht unrealistisch und verweist auf die Teilnehmerzahlen der Pride in Tel Aviv. Da kommen doppelt so viele Leute zusammen.
Viel Zeit hat er nicht, seine Parteigründung zu vollziehen, damit sie noch bei den bevorstehenden Knesset-Wahlen teilnehmen kann. Gewählt wird am 9. April.
Ein ausführlicher Bericht über Einsatz und Ziele von LGBTIQ-Aktivist*innen und Politiker*innen in Israel folgt in der März-Ausgabe der MANNSCHAFT. Hier geht es zum Abo Deutschland und hier zum Abo Schweiz.
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