Keine Macht für Religiöse – nirgendwo!

In Polen ist der katholische Klerus so mächtig und einflussreich wie in keinem anderen Land Europas

Symbolbild: Mateus Campos Felipe/Unsplash
Symbolbild: Mateus Campos Felipe/Unsplash

Kirche und Macht – keine gute Paarung. Wo Religiöse Einfluss und wesentlich Macht inne haben, geht es LGBTIQ nicht gut. Das zeigt sich am Beispiel Polen, so Jan Feddersen in seinem Samstagskommentar*.

Gott sei Undank! Manche unter uns halten den Papst für einen queerfreundlichen Mann. Gibt er manchem freundlich die Hand und bringt so etwas wie Wertschätzung dieser Person zum Ausdruck, wie es Wohlmeinende interpretieren? Ist der oberste Katholik, Stellvertreter seines Herrn auf Erden, nicht womöglich ein emanzipationswilliger Kleriker? Einer, der nur an der verkrusteten Kurie inmitten Roms sich abarbeitet – aber ansonsten guten Willens ist? Die ehelichen Sakramente auch zwei Männern oder Frauen spenden würde, ja, einer, der die Natur der Geschlechtlichkeit für wandelbar hält, was ihn auch transfreundlich kenntlich machen würde?

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Ich muss sagen, wie alle es sagen müssen: So genau wissen wir es nicht. Wir stecken in ihm – hüstel, hüstel – ja nicht drin (das schwule Aktivistenpaar Jakub und Dawid bat den Papst kürzlich um Hilfe – MANNSCHAFT berichtete).

Was wir aber sagen können: Wo Religiöse wesentlich Macht inne haben, geht es unsereins nicht gut. In den letzten Jahren haben wir zumeist in dieser Hinsicht über Islamisches gesprochen – und manche haben Islam und Islamistisches in einen Topf geworfen: Als ob nicht die meisten, die Allah als ihren Höchsten anerkennen, nur Friedliches im Kopf haben – und sehr wohl in einer Gesellschaft leben, gern leben!, die andere Religionen auch ihren Platz geben. Beziehungsweise: in der andere Glaubensauffassungen ihren Platz haben und haben möchten.

Kirche und Macht – fatale Paarung in Polen Aber für Polen und Polinnen ist der Islam fern, sehr fern – politisch so weit weg, weil die herrschende Regierung seit vielen Jahren eine teils rassistische, jedenfalls fremden- und einwanderungsfeindliche Atmosphäre entzündet haben, der etwa Flüchtlinge aus Syrien davon abhalten soll, dorthin auszuwandern. Aber über Polen, von Berlin aus gesehen in nächster Nachbarschaft, muss geredet werden – denn dort ist der katholische Klerus so mächtig und einflussreich wie in keinem anderen Land Europas.

Dieses eigentlich freundliche Land ist für queere Menschen insofern ein Horror, als dort, von Rechtsradikalen und völkischen Gestalten abgesehen, auch die katholische Kirche das Ihre dazu beiträgt, homo- und transphobische Stimmung nicht nur zu erdulden, sondern auch zu befördern. Sie ist ganz im Einklang mit der Regierungspartei PiS – und sie muss als Institution des Hasses wider unsereins wahrgenommen werden (als 2019 die Gewalt gegen die Pride in Białystok eskalierte, hatte zuvor u.a. die katholische Kirche den Hass geschürt – MANNSCHAFT berichtete).

Jüngst hat die polnische Bischofskonferenz abermals Leitlinien verabschiedet, die Schwulen, Lesben und trans Menschen nicht den Tod androhen – das hat sich der Klerus abgewöhnt –, aber die Konversionstherapie anempfehlen (MANNSCHAFT berichtete). Nur ein Heteroleben ist ein vollgültiges gelingendes, so das Verständnis.

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Nun könnte man sagen: Na und? Die katholische Kirche ist doch nicht die entscheidende Instanz! Und: Lass sie doch, sie sind unbelehrbar! Denn, nicht wahr, wo Katholisch draufsteht, ist auch Katholisches drin. Der Klerus in Polen ist also kein Ding der Produktenttäuschung: Man weiss, was man an ihm hat. Aber das können wir uns nicht bieten lassen. In einem freien – auch für uns freien – Europa müssen wir darauf verlassen, dass wir überall sein können, wie wir sein möchten. Schwul. Lesbisch. Oder trans. Europa ist christlich geprägt, auch jüdisch, bisweilen islamisch, schon früher.

Aber ein menschenrechtsfreundliches Europa hat es nie mit den Religionen gegeben, nie dann, wenn sie an der Macht waren. So wie früher in Spanien, in Irland, Portugal, in Belgien oder auch in Deutschland. Wo sie das sittliche Sagen hatten, ging es unsereinem und unsereiner meist schlecht. Deswegen haben unsere polnischen Brüder und Schwester im queeren (nicht: katholischen) Geiste unsere Solidarität verdient. Hört euch um, nehmt zur Kenntnis, dass in unserer nächsten Nachbarschaft eine Kirche den stärksten Ton mit angibt, die homo- und transfeindlich ist.

Es ist eine unsittliche Bande, die dort herrscht – und mitten drin das heuchlerische Verständnis jesuanischer Frömmigkeit. Das ist fast ekelhaft, zumal der polnische Klerus – wie die vatikanischen Ableger in allen Ländern, nicht nur in Italien – immer auch Institution des Machtmissbrauchs, auch des sexuellen Missbrauchs wider Schutzbefohlene war und ist.

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Kein Verständnis für Religiöse – nirgendwo! Sie mögen privat glauben, was sie wollen, im wirklichen Leben haben sie stumm zu bleiben: Sie stehen einem friedlichen Zusammenleben im Wege. Immer und überall.

*Jeden Samstag veröffentlichen wir auf MANNSCHAFT.com einen Kommentar oder eine Glosse zu einem aktuellen Thema, das die LGBTIQ-Community bewegt. Die Meinung der Autor*innen spiegelt nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wider.

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