«Jeden Tag aufs Neue für Akzeptanz und Gleichbehandlung kämpfen»

Grüne wollen Runden Tisch gegen LGBTIQ-feindliche Gewalt

Innsbruck mit Regenbogenflaggen (Foto: AdobeStock)
Innsbruck mit Regenbogenflaggen (Foto: AdobeStock)

Zum diesjähigen Internationalen Tag gegen Homo-, Bi- und Transfeindlichkeit (IDAHOBIT) weist die Sprecherin für LGBTIQ und Menschenrechte der Grünen, Ewa Ernst-Dziedzic, auf die steigende Gewalt hin.

«Seit Hassverbrechen gegen queere Menschen statistisch erfasst werden, haben wir erstmals belastbare Zahlen. Diese zeigen aber, dass sich nur ein Bruchteil der Opfer überhaupt an die Polizei wendet“, erklärt die Abgeordnete. „Gemeinsam mit dem damaligen Innenminister Karl Nehammer haben wir schon 2020 ein Schulungsprogramm für Exekutivbeamt*innen auf den Weg gebracht, das inzwischen auch bereits von Zehntausenden durchlaufen wurde.»

Auch auf europäischer Ebene nehme das Problem immer weiter zu, ergänzt Monika Vana, Delegationsleiterin der österreichischen Grünen im Europaparlament: «Wir dürfen den Entwicklungen in Ländern wie Polen und Ungarn nicht tatenlos zusehen. Die Europäische Union muss sich auf ihr Wertefundament besinnen, und das schließt mit ein, dass wirklich alle Menschen hier sicher leben können. Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán und die polnische Regierung dürfen dieses Fundament keinesfalls noch weiter aushöhlen.»

Jetzt, so Ernst-Dziedzic weiter, sei es hoch an der Zeit, den nächsten Schritt zu gehen: «Wir werden an das Innenministerium herantreten, um einen Runden Tisch mit Vertreter*innen der Zivilgesellschaft zu organisieren, an dem konkrete Schritte besprochen werden, um die ausufernde Gewalt gegen LGBTIQ Personen einzudämmen.“ Ausserdem müssen die Länder und Gemeinden endlich aktiv werden und queeren Jugendlichen, insbesondere im ländlichen Raum, sichere Anlaufstellen zur Verfügung stellen. Die Suizidrate sei bei LGBTIQ Jugendlichen auch in Österreich unverhältnismäßig hoch. Gerade am Land finden sie oft keine adäquate Unterstützung, das müsse sich rasch ändern. Es fehle nach wie vor an Orten, in denen queere Jugendliche ihre Identität offen leben und auch etwas darüber erfahren können, so Ernst-Dziedzic abschliessend.

SPÖ-LGBTIQ-Sprecher Mario Lindner fordert ein Ende «vorgestriger Blockaden» in der Bundespolitik: „Seit Jahrzehnten werden Fortschritte für Schwule, Lesben, Bisexuelle, transidente, intergeschlechtliche und queere Menschen in Österreich aus reiner Parteipolitik blockiert – damit muss Schluss sein! LGBTIQ-Feindlichkeit nimmt zu, Hate Crimes steigen seit Jahren an, die psychische Situation einer ganzen Generation steht vor dem Kollaps: Jede Politikerin und jeder Politiker, der jetzt nicht handelt, macht sich schuldig. Es ist höchste Zeit, endlich jedem Menschen ein sicheres und selbstbestimmtes Leben zu garantieren!»

Die SPÖ fordere daher gemeinsam mit der sozialdemokratischen LGBTIQ-Organisation SoHo schnellstmöglich einen umfassenden gesetzlichen Diskriminierungsschutz im Privatleben und einen Nationalen Aktionsplan gegen Hass und Gewalt. Erst vor wenigen Tagen erreichte Österreich im europäischen LGBTIQ-Ranking den 18. Platz und ist damit das Schlusslicht bei der Gleichstellung in Westeuropa (MANNSCHAFT berichtete). Allein im Jahr 2021 gab es 376 Hassverbrechen gegen LGBTIQ-Personen mit 224 Opfern von Gewaltverbrechen, wie eine parlamentarische Anfrage Lindners ergab – die Dunkelzahl dürfte um ein Vielfaches höher sein.

«In einer liberalen Gesellschaft und in unserer Regenbogenhauptstadt Wien haben Homo-, Bi-, Trans- und Interphobie keinen Platz!», sagt Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr anlässlich des IDAHOBIT. Die Stadt Wien hat eine lange Tradition in der Gleichstellung von LGBTIQ-Personen und ermutigt alle Menschen, ihre Beziehungen und ihre Geschlechtsidentität offen und selbstbewusst zu leben. „Um gerade junge LGBTIQ-Personen auf diesem Weg zu unterstützen, schaffen wir ein Queeres Jugendzentrum in Wien, eröffnen den Regenbogenmonat Juni mit der schon traditionellen Hissung der Regenbogenfahne am Wiener Rathaus und setzen mit dem Denkmal für Männer und Frauen, die Opfer der NS-Homosexuellenverfolgung wurden, ein weiteres wichtiges Koalitionsvorhaben im LGBTIQ-Bereich um», so Wiederkehr.

«Der Kampf für Akzeptanz und Gleichbehandlung muss jeden Tag aufs Neue geführt werden – in der Familie, in der Schule, am Arbeitsplatz und gerade auch auf politischer Ebene», so Wiederkehr. Einmal mehr fordert die Stadt Wien daher das sogenannte Levelling-Up des Gleichbehandlungsgesetzes, um endlich alle Menschen in allen Lebensbereichen vor Diskriminierung zu schützen.

«Abgesehen davon, dass alle Diversitätsdimensionen gleich gut vor Diskriminierung geschützt werden sollten, brauchen wir dieses Levelling-Up ganz konkret, um haarsträubende Situationen in Zukunft zu vermeiden: Wenn zwei lesbische Frauen wegen eines Begrüssungskusses aus einem Wiener Kaffeehaus geworfen werden können oder ein schwuler Mann einen Mietvertrag nicht bekommt, weil der Vermieter ‚Schwule nicht mag‘, dann wird deutlich, dass wir das Levelling-Up brauchen, um den Alltag von LGBTIQ-Personen diskriminierungsfreier und gleichberechtigter zu machen“, sagt Wolfgang Wilhelm, Leiter der WASt-Wiener Antidiskriminierungsstelle für LGBTIQ-Angelegenheiten.

Der IDAHOBIT, früher IDAHOT, wird seit 2005 jedes Jahr am 17. Mai begangen. Das Datum erinnert zum einen an § 175 des deutschen Strafgesetzbuches, der vom 1. Januar 1872 bis zum 11. Juni 1994 in Kraft war und sexuelle Handlungen zwischen Personen männlichen Geschlechts unter Strafe stellte, und zum anderen an den 17. Mai 1990, als die Weltgesundheitsorganisation WHO beschloss, Homosexualität nicht länger als Krankheit zu klassifizieren.

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