«Ich möchte einfach, dass die Schwulen ausgerottet werden»
Neue Studie: «Homonegatives Verhalten bei Jugendlichen in der Deutschschweiz»
Ein Doktorand aus Muri im Kanton Aargau hat eine Studie über «Homonegatives Verhalten bei Jugendlichen in der Deutschschweiz» vorgelegt. Die Aussagen sind teils erschreckend.
Die Deutschschweizer Studie zeigt, dass junge Schwule täglich unterschwellige oder offene Ausgrenzung, Beschimpfungen oder Gewalt in der Schule oder in den sozialen Medien erleben. In der Studie, die bereits im Januar veröffentlicht wurde, äussern sich Jugendliche im Alter zwischen 12 und 18 Jahren. Patrick Weber aus Muri, ehemaliger Projektleiter der Coming-out-Beratungsplattform du-bist-du.ch, fragte im Rahmen seiner Doktorarbeit an der Pädagogischen Hochschule Freiburg insgesamt 2209 Schüler*innen aus Städten und Dörfern nach ihrer Einstellung gegenüber Schwulen. Die Datenerhebung fand von September 2019 bis Januar 2020 statt und erfolgte mittels eines standardisierten Fragebogens in anonymisierter Form und im Papierformat.
Schwule sind geisteskranke Menschen, die kein Girl finden.
Die Aussagen sind teils erschreckend. So ist Ablehnung von Schwulen bei Jugendlichen verbreitet und tief verwurzelt, vor allem bei männlichen Teenies. Das zeigen Kommentare wie «Ich möchte einfach, dass die Schwulen ausgerottet werden» oder «Schwule sind geisteskranke Menschen, die kein Girl finden.»
Gefragt, nach ihrer Reaktion im Fall «Du erfährst, dass ein Freund von dir schwul ist», sagen 44 % der Jungs, das fänden sie «eher unangenehm» bis «sehr unangenehm». «Teils, teils» sagt noch jeder Dritte. Bei den Teenagerinnen sind es insgesamt 14 %. «Teil, teils» meint jede Fünfte.
Noch etwas höher fällt die Ablehnung in der Situation: «Du erfährst, dass ein Lehrer von dir schwul ist» aus. Über 45 % der Jungs fänden das «eher unangenehm» bis «sehr unangenehm». Bei Mädchen sind es immerhin noch die Hälfte.
Auffallend dabei: Über die Hälfte der befragten Jugendlichen gab an, überhaupt keine Männer oder Jungen persönlich zu kennen, von denen sie sicher wissen, dass sie schwul sind (56,1 %).
Wie die Studie zeigt, haben sich über ein Viertel der untersuchten Schüler*innen gegenüber mindestens einer Person in den letzten zwölf Monaten abwertend verhalten, weil sie schwul ist oder für schwul gehalten wird. Zwei von drei Jugendliche (68 Prozent) gaben an, Freund*innen in letzter Zeit als «Schwuchtel» oder «faggot» oder «schwule Sau» bezeichnet zu haben. 40 Prozent gaben an, homophobe Witze gemacht zu haben.
Seltener gaben die Befragten an, auf Social-Media-Plattformen wie Snapchat oder Instagram Wörter wie z.B. «Schwuchtel», «schwule Sau» oder Aussagen wie z.B. «Das ist so schwul» oder «no homo» geschrieben oder gepostet zu haben. Dass sie es «manchmal» tun, sagen 8,4 % der Jungs (Mädchen: 2,7 %), «selten» immerhin 13,1 % (Mädchen 7,1)
Tatsächlich, zeigt ein anderer Bericht, sind Jugendliche im Internet häufig mit Hate Speech konfrontiert. In jedem zweiten Fall zielen die Hasskommentare auf die sexuelle Orientierung ab (MANNSCHAFT berichtete).
Gerade in kleineren Gemeinden habe Patrick Weber jedoch auch viel Offenheit und Toleranz erlebt, erklärt der 38-jährige Doktorand gegenüber der SonntagsZeitung (bezahlpflichtiger Artikel). «Mensch ist Mensch, egal ob schwul oder eine andere Religion und Hautfarbe», kommentiert etwa ein 15-jähriger Jugendlicher. «Auch wenn ich zum Islam gehöre und hetero bin, habe ich nichts gegen Schwule und Leben», meint eine 13-Jährige.
Der Autor der Studie verweist auf andere Schweizer Studien, die den Zusammenhang von Religiosität und Homophobie untersucht haben. Dabei habe sich bestätigt, dass bei katholischen, evangelischen, evangelisch-freikirchlichen und muslimischen Jugendlichen sowie bei Jugendlichen mit einer anderen Religionszugehörigkeit die Religiosität mit homonegativen Einstellungen korreliert (Baier & Kamenowski, 2020).
Ich finde, Schwulsein ist eine Krankheit und sollte nicht akzeptiert werden.
Vor allem aber präge die Einstellung der Eltern die Meinung der Schüler*innen zu Homosexualität. «Mein Vater ist gegen andere sexuelle Orientierungen. Ich finde, Schwulsein ist eine Krankheit und sollte nicht akzeptiert werden», meint etwa eine 14-jährige Teilnehmerin der Studie.
Deshalb sei es besonders wichtig, dass die Schulen korrigieren, was bei Eltern oft fehle, nämlich ein Verständnis für Werte wie Toleranz und Gleichberechtigung. Mit Blick auf das homonegative Verhalten bei Jugendlichen bestehe dringender Handlungsbedarf, schreibt Weber in seiner Studie.
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