Historischer Sieg für die Liebe: Schweiz sagt Ja zur Ehe für alle
Hochrechnung: Mit rund 64% Ja-Stimmen spricht sich das Stimmvolk deutlich für die Eheöffnung aus
Als eines der Schlusslichter in Westeuropa erlaubt die Schweiz nun auch die Ehe für alle. Der Vorstoss von Kritiker*innen, die dies verhindern wollten, ist am Sonntag bei einer Volksabstimmung deutlich gescheitert. Nach Auszählung der Stimmen in 24 von 26 Kantonen waren rund 64 Prozent der Wähler*innen für die Zulassung der Eheschliessung von lesbischen und schwulen Paaren.
Grosser Jubel in der LGBTIQ-Community: Gut 62 % der Schweizer*innen warfen am 26. September ein Ja für die Ehe für alle in die Urne – soweit die aktuellen Hochrechnungen. Damit ist die Schweiz das zweite Land nach Irland, das die Ehe mit einer Volksabstimmung für gleichgeschlechtliche Paare öffnet. Der Ja-Trend zeigte sich bereits klar nach der Schliessung der Urnen um 12 Uhr. Selbst konservative Kantone wie Obwalden, Schwyz und das Wallis nahmen die Ehe für alle an.
Mit der Ehe für alle erhalten gleichgeschlechtliche Paare mehr Rechte als mit der eingetragenen Partnerschaft und sind heterosexuellen Paaren gleichgestellt. Neben der Adoption und dem Zugang zur Samenspende für lesbische Paare haben ausländische Staatsbürger*innen die Möglichkeit der erleichterten Einbürgerung, statt Gütertrennung gilt automatisch die Errungenschaftsbeteiligung.
Zudem werden gleichgeschlechtliche Paare künftig auf offiziellen Formularen nicht automatisch geoutet: Statt «in eingetragener Partnerschaft» steht nun auch bei schwulen oder lesbischen Ehepaaren der Zivilstand «verheiratet».
Für den Gang zum Standesamt müssen sich gleichgeschlechtliche Paare jedoch noch etwas gedulden: Eheschliessungen sind erst ab 1. Juli 2022 möglich. Das Bundesamt für Justiz verweist auf das Parlament, das in den Übergangsbestimmungen der Gesetzesvorlage eine zweistufige Inkraftsetzung mit einer Frist von sechs Monaten beschlossen hatte.
Für die LGBTIQ-Community geht ein kräftezehrender Abstimmungskampf zu Ende. In den vergangenen Wochen hatte ein Nein-Komitee mit aufwühlenden Plakatmotiven für Gesprächsstoff gesorgt, wie etwa schwangere Inderinnen, mit denen fälschlicherweise eine Legalisierung der Leihmutterschaft impliziert worden war (MANNSCHAFT berichtete).
Olga Baranova, Kampagnenleiterin des Ja-Komitees, bezeichnete den Abstimmungskampf als einen der gewaltsamsten, den sie je erlebt hatte. «Ich sah, wie Plakate verbrannt wurden», sagte sie an der Podiumsdiskussion von Sport Works am 23. September in Lausanne. Die LGBT+-Helpline verzeichnete eine Verfünffachung homo- und transphob motivierter Gewalt. «Statt einem bis zwei Fälle pro Woche erhält sie einen bis zwei Fälle pro Tag», so Baranova.
Mit dem Engagement der LGBTIQ-Community zeigte sich die Kampagnenleiterin sehr zufrieden. «Es ist ein community-naher Abstimmungskampf. Wir haben eine unglaubliche Medienpräsenz. Familien und individuelle Geschichten werden in der Gesellschaft sichtbar», sagte sie im Interview mit MANNSCHAFT. «Zugleich gehen Tausende Menschen auf die Strasse, um Flyer zu verteilen oder einfach nur, um Präsenz zu markieren.»
Eingetragene Paare wie Deborah und Marisa Emery hoffen, dass die Ehe für alle der queeren Community mehr gesellschaftliche Akzeptanz verschafft. Als die beiden 2018 ihre Partnerschaft eintragen liessen, wurden sie von einer Hochzeitsgesellschaft ausgelacht. «Rückblickend hat es mir den ganzen Tag verdorben. Es zeigte einmal mehr, dass wir als gleichgeschlechtliches Paar nicht gleichberechtigt sind», sagt Marisa gegenüber MANNSCHAFT.
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