Hassverbrechen in Zürich: Ab jetzt wird gezählt

Zu dieser Massnahme führten zahlreiche Angriffe im Niederdörfli

(Symbolbild: Instagram/stadtpolizeizh)
(Symbolbild: Instagram/stadtpolizeizh)

Seit Anfang des Jahres werden in der grössten Stadt der Schweiz homophobe Hassverbrechen statistisch erfasst (MANNSCHAFT berichtete). Wir wollten von der Stadtpolizei Zürich wissen, wie sie dabei vorgeht und inwiefern die Mitarbeiter*innen auf homophobe Delikte sensibilisiert wurden.

Seit Beginn 2021 erfasst die Stadtpolizei Zürich homophob motivierte Gewalt. Das Einführen der statistischen Erfassung war die Folge einer dringlichen Anfrage der SP Zürich an den Stadtrat. Auslöser dafür war unter anderem der Fall einer pöbelnden und gewaltbereiten Gruppe im Zürcher Niederdorf, über die MANNSCHAFT berichtet hatte. Später wurde die Geschichte dann vom Tagesanzeiger aufgegriffen.

Im Polizeirapport festgehalten Doch wie funktioniert die statistische Erfassung von Hassverbrechen in Zürich? «Bei Aufnahme einer Anzeige bzw. eines Delikts wird das mögliche Tatmotiv ‹Hassdelikt› speziell geprüft und allenfalls nachgefragt – insbesondere, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen. Möglich ist beispielsweise auch, dass ein Opfer oder ein Zeuge ein Hate Crime vermutet», erklärt Stapo-Pressesprecherin Judith Hödl auf Anfrage.

Sollte dies der Fall sein, werde gefragt, was zu dieser Annahme führe. Diese Erkenntnisse würden dann entsprechend in die Ermittlungen einfliessen und auch im Polizeirapport zuhanden der Staatsanwaltschaft und Gerichte festgehalten. Das könne später statistisch ausgewertet werden, erklärt Hödl weiter.

Nicht per Telefon möglich Weiter wollten wir wissen, ob das Opfer zwingend persönlich bei der Polizei erscheinen muss oder ob ein Telefonat genügt. Denn der Gang zur Wache erfordert von vielen Opfern homophober Verbrechen Überwindung. Hödl sagt dazu: «Es gelten die normalen Regeln für eine Anzeigeerstattung. Eine Anzeige per Telefon zu machen, ist nicht möglich, da sich die anzeigende Person identifizieren muss.»

Am einfachsten sei es, die Anzeige mündlich beim nächsten Polizeiposten zu erstatten. Die Beamt*innen erstellen dann ein schriftliches Protokoll und leiten die nötigen Ermittlungen ein. Es bestünde auch die Möglichkeit, schriftliche Anzeigen einzureichen, wobei dann normalerweise später dennoch eine persönliche Befragung durchgeführt werden müsse.

Es gibt folglich auch nicht die Option, die Tat über eine Internetseite anzuzeigen. Dies ist in Deutschland auf den sogenannten «Online-Wachen» in vielen Bundesländern möglich. «Über Suisse ePolice kann man Sprayereien, Velodiebstähle, Kontrollschild-Verluste und -Diebstähle unter gewissen Voraussetzungen online zur Anzeige bringen», sagt Hödl. Weitere Delikte müssten jedoch direkt bei der Polizei oder der Staatsanwaltschaft angezeigt werden. Dabei handele es sich um Vorgaben der Strafprozessordnung.

Nach homofeindlichem Angriff: Schwere Vorwürfe gegen belgische Polizei

In Polizeischule sensibilisiert Immer wieder gibt die Stapo zu Protokoll, dass ihre Mitarbeiter*innen auf homophobe Gewalt «sensibilisiert» werden. Die gleichgültige Reaktion der Polizeistreife im anfangs erwähnten Fall im Niederdorf lässt jedoch Zweifel an der Gültigkeit dieser Aussage aufkommen. Wie sieht denn nun die Sensibilisierung bei der Stadtpolizei Zürich konkret aus?

«Unsere Polizistinnen und Polizisten werden im Rahmen von Aus- und Weiterbildungen auf dieses Thema sensibilisiert und es wird umfangreich behandelt. Dazu finden bereits in der Grundausbildung, der Zürcher Polizeischule, unter der Leitung von Pinkcop mehrere Lektionen statt.»

Eine spezifische Ansprechperson für LGBTIQ – wie es sie in manchen Städten Deutschlands gibt –  findet sich in der Limmatstadt nicht. Hödl verweist jedoch auf die LGBTIQ-Helpline sowie auf den Verein PinkCop. «Falls sich jemand unsicher ist, was man tun kann, oder Hemmungen hat, zur Polizei zu gehen, kann man sich an diese beiden Adressen wenden.»

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