Queer im Handball: «Im Frauensport nicht so verpönt»

In Berlin zeigen die Spreefüxxe Flagge für Vielfalt

Handballerinnen Susann (l.) und Nina Müller (Foto: Instagram/ ninsky80)
Handballerinnen Susann (l.) und Nina Müller (Foto: Instagram/ ninsky80)

In Berlin beziehen die Handballerinnen der Spreefüxxe Flagge für Vielfalt. Das liegt auch an der Führung des Klubs.

Es ist ein Statement. Denn in diesem Jahr hat sich bei der Aussendarstellung der Spreefüxxe einiges geändert. Das Profilbild der Berliner Handballerinnen auf Instagram zeigt beispielsweise nicht mehr den roten Fuchs auf grünem Grund, wie es bei den Männern zu sehen ist, sondern mittlerweile ist das Vereinstier vor einer LGBTIQ-Flagge abgebildet. Dazu kommen zahlreiche Aktionen in den sozialen Kanälen, die sich für Vielfalt und gegen Diskriminierung positionieren.



«Für mich ist das normal. Vielleicht, weil ich queer bin, aber ich finde, dass Vereine da durchaus Stellung beziehen können. Da gibt es noch viel Potential», sagt Nina Müller, die seit dieser Saison für die sozialen Medien zuständig ist. Die ehemalige Nationalspielerin gehört zu dem weiblichen Dreigestirn, dass die Spreefüxxe antreibt: Mit ihrer Frau Susann Müller als Trainerin und Britta Lorenz als Geschäftsführerin arbeitet das Trio daran, den Frauen-Handball in der Hauptstadt voranzutreiben.

Und dabei geht es nicht nur um Handball. So wurde zum diesjährigen Frauentag die Initiative «Rise up!», die von den Fussballerinnen von Viktoria Berlin angestossen wurde, aufgegriffen, die sich mit der Regenbogenflagge gegen Diskriminierung und Rassismus stellt und sich an das «Be the Change»-Projekt anschliesst. «Lasst uns LGBTIQ, Demokratie und Diversität die Oberhand geben», heisst es in der Kampagne, der durch entsprechende Spielführerrinnenbinden Ausdruck verliehen wird. Bei den Spreefüxxen hat die Regenbogenflagge zudem jene Stelle auf dem Rücken der Trikots eingenommen, an der andere Vereine ihr Nationalemblem tragen.

Negative Reaktionen seitens der Fans oder der Sponsoren habe es keine gegeben. «Im Gegenteil, es gab viel positives Feedback. Da haben wir ordentliche Follower», berichtet Müller. Ihr ist es wichtig, auch im Sport ein Zeichen zu setzen; in jeden Raum, wo Menschen egal welcher Herkunft, Religion oder sexuellen Orientierung nach den gleichen Regeln spielen – und gleich behandelt werden. Insofern begrüsst sie es, wenn sich aktive Sportler*innen outen und so vielleicht der nächsten Generation an Handballfans als Vorbild und Inspiration dienen.

Insofern sah sie auch den Schritt des Handballers Lucas Krzikalla positiv, der sich als erster aktiver der deutschen Bundesliga als schwul outete (MANNSCHAFT berichtete) und mithilfe des Vereins und ausgewählter Medien für mehr Sichtbarkeit sorgte. «Das ist ein richtig gutes Beispiel, wie es perfekt laufen kann. Da habe ich den grössten Respekt vor», sagt die 43-Jährige, die ihren Kollegen damals direkt angeschrieben hat. «Ich finde es schön, wenn er jetzt die Bilder mit seinem Freund teilt. Und wer das nicht sehen möchte, muss ja nicht hinschauen.»

Ihr eigenens Coming-out kam hingegen eher unverhofft. Denn als sie 2010 mit ihrer damaligen Freundin in Leipzig deren Meisterschaftstitel feierte, bekam die Presse Wind von der Beziehung und am nächsten Tag waren Bilder des Paares überall zu sehen.



«Das war damals ziemlich gross, weil es keiner erwartet hatte. Das war überwältigend und überraschend », blickt Müller – damals noch Wörz – zurück, die Susann erst ein paar Monate früher bei der Weltmeisterschaft in China durch die gemeinsame Teilnahme mit der deutschen Nationalmannschaft kennen- und schliesslich lieben gelernt hatte.

Für den Boulevard war es ein gefundenes Fressen. Nicht nur weil es sich um zwei bekannte deutsche Handballerinnen handelte, sondern auch, weil Nina damals noch mit einem Mann zusammenlebte. «Da hat uns keiner gefragt. Das wurde einfach gedruckt », erzählt Nina Müller. «Susi und ich hatten vorher noch gar nicht über unser Outing gesprochen und wollten einfach nur zusammen sein. Rückblickend ist das dumm gelaufen.» Mittlerweile sind sie und Susann seit 14 Jahren zusammen, haben 2016 geheiratet und leben ihre Beziehung offen in Berlin aus.

«Im Frauensport ist Queerness nicht so verpönt wie bei den Männern – gerade im Fussball. Einen dummen Spruch bekommst du zwar schon mal irgendwie reingebraten, aber da war nichts, was wirklich negativ in Erinnerung geblieben ist», erklärt die gebürtige Bremerin, die neben ihren Stationen in Dänemark und in Slowenien ebenso in Ungarn gespielt hat. «Ich weiss gar nicht, wie bewusst es ihnen damals war, aber Probleme hatte ich keine.»

Es sollte Normalität sein, dass sich keiner mehr verstecken muss. Leider ist das nicht so, obwohl es die normalste Sache der Welt ist.

Ansagen, wie beispielsweise bei den deutschen Fussballerinnen, die eine Zeit lang ihre Sexualität nicht öffentlich zeigen sollten, habe es in keinem Verein gegeben. «Ich fand es eher blöd, dass die Leute gerne sagen: Frauen-Handball ist ein Lesbensport. Genauso wie bei den Fussballerinnen», sagt Müller. Denn während sich bei den Männern noch immer das Tabu der Homosexualität hält, kehrt sich diese Ansicht bei den Frauen um. «Allerdings ist es dadurch bei uns offener», erklärt die Handballerin und ergänzt: «Dabei sollte es doch Normalität sein, dass sich keiner mehr verstecken muss. Leider ist das nicht so, obwohl es die normalste Sache der Welt ist.»

Susann und Nina Müller halten es unterdessen ähnlich. Sie teilen ebenso Bilder vom Handball wie vom Besuch auf dem CSD oder einfach nur gemeinsame Fotos, auf denen sie glücklich sind. Wobei bei den Spreefüxxen eben auch oft das Sportliche und das Private unter dem Regenbogen zusammenkommen.

Handballerin Nathalie Hagman ist seit Jahren eine feste Grösse in der schwedischen Nationalmannschaft. 2023 wechselte sie nach Rumänien, um bei ihrer Freundin leben zu können – und durchlebte einige Höhen und Tiefen (MANNSCHAFT berichtete).

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