«Er sieht nicht schön, aber eben doch sehr geil aus»
Als schwuler Mann im Knast – wird Franz Rogowski dafür ausgezeichnet?
Am Samstag wird der Europäische Filmpreis verliehen. Wegen der Pandemie zumindest digital aus Berlin. Nominiert ist auch der deutsche Schauspieler Franz Rogowski – was zeichnet ihn aus? Von Julia Kilian, dpa
Franz Rogowski gehört zu den Schauspielern, denen man besonders gerne beim Schweigen zuschaut. Ohne viele Worte erzählt er eine Figur, eine Geschichte, eine Welt. Nun hat der 35-Jährige Chancen auf einen Europäischen Filmpreis. Im Drama «Grosse Freiheit» spielt er einen homosexuellen Mann, der im Nachkriegsdeutschland immer wieder ins Gefängnis muss. Wird Rogowski dafür am Samstag ausgezeichnet?
Geht man die Filme durch, die Rogowski so gespielt hat, finden sich ungewöhnliche Rollen. «In den Gängen» beispielsweise erzählt von einem Mann, der als Mitarbeiter im Grossmarkt anfängt. Rogowski fährt viele Szenen lang mit dem Gabelstapler umher. Im Film «Undine» von Regisseur Christian Petzold spielt er einen Industrietaucher, der sich in eine mysteriöse Frau verliebt.
Dieser Schauspieler ist gegen alle Vorzeichen und jede Wahrscheinlichkeit ein Star geworden.
Irgendwie ist Rogowski immer gleich da im Film, vollkommen präsent, mit seinem ganzen Körper. Auch in Petzolds Fluchtfilm «Transit» war er zu sehen. Er habe jemanden gewollt, der einen Körper habe und gleichzeitig die unfassbar schöne Traurigkeit von Jean-Paul Belmondo, erklärte Petzold seine Entscheidung damals bei der Berlinale. Außerdem sei Rogowski klug.
Der Journalist Moritz von Uslar nannte ihn in der Zeit (bezahlpflichtiger Artikel) mal einen Mann mit Katzenaugen. Es falle einem bei Rogowski – natürlich – auch der Begriff des Widerspenstigen ein. «Dieser Schauspieler ist gegen alle Vorzeichen und jede Wahrscheinlichkeit ein Star geworden – er sieht nicht schön, aber eben doch sehr geil aus.» Er habe seine Wirkung nicht obwohl, sondern weil er wegen seines Sprachfehlers nicht ganz leicht zu verstehen sei.
Rogowski wurde in Freiburg geboren, irgendwann schmiss er die Schule. Er probierte viel aus. Versuchte sich nach eigenen Angaben auch mal als Strassenmusiker. Er spielte in «Victoria» und «Love Steaks» mit, arbeitete als Tänzer und Choreograph. Auf manchen Fotos erinnert er an Hollywoodstar Joaquin Phoenix.
Als Kind habe er öfter Diskriminierungserfahrungen gemacht, sagte Rogowski vor Kurzem in einem Interview (MANNSCHAFT berichtete). Er höre auf dem einen Ohr gar nichts und auf dem anderen nicht besonders gut. «Ich wurde von anderen Kindern auch für mein Lispeln angemacht und dafür, mich ein bisschen anders gekleidet zu haben.»
Er habe schon immer komische Kleider-Kombis gehabt. «Als Jugendlicher habe ich weiße Krokodilleder-Cowboystiefel zu grünen Cordhosen angezogen. Ich trug auch verschiedene Haarfarben, was allerdings von meiner Mutter ausging.» Sie habe sie ihm gefärbt und das für gut befunden. «Ich habe von ihr gelernt, dass es gut ist, ein bisschen anders zu sein und mit den Dingen zu experimentieren.»
Nun kann man Rogowski in einem neuen Film sehen. Das Drama «Grosse Freiheit» des österreichischen Regisseurs Sebastian Meise erzählt vom einem Mann, der immer wieder ins Gefängnis muss (MANNSCHAFT berichtete). Grund ist der Paragraf 175 des Strafgesetzbuches – er stellte damals sexuelle Handlungen zwischen Männern unter Strafe. Der Film ist erschütternd, Rogowskis Darstellung faszinierend.
Beim Europäischen Filmpreis ist er dafür nun als bester Darsteller nominiert (MANNSCHAFT berichtete). Allerdings hat er starke Konkurrenz. In der Kategorie ist neben anderen auch Anthony Hopkins vorgeschlagen. Der 83-Jährige spielt im Drama «The Father» einen Mann, der an Demenz erkrankt ist. Für die Rolle hatte Hopkins im Frühjahr bereits einen Oscar gewonnen.
Verliehen werden die Preise in Berlin, wegen der Pandemie allerdings nicht mit grossem Publikum. Auch im vergangenen Jahr gab es eine digitale Zeremonie. Damals gewann übrigens Paula Beer eine Auszeichnung als beste Schauspielerin – und zwar für ihre Rolle in «Undine», die sie an Rogowskis Seite spielte.
Chancen hat in diesem Jahr auch ein Film der deutschen Regisseurin Maria Speth. «Herr Bachmann und seine Klasse» über einen ungewöhnlichen Lehrer ist als bester Dokumentarfilm vorgeschlagen.
Als bester europäischer Film sind fünf Titel nominiert. Neben «The Father» sind das der Horrorfilm «Titane» (MANNSCHAFT berichtete), das Drama «Quo Vadis, Aida?» über das Massaker in Srebrenica, der Film «Compartment No. 6» sowie «The Hand of God» von Paolo Sorrentino. Im vergangenen Jahr hatte «Der Rausch» gewonnen. Regisseur Thomas Vinterberg erzählt darin von mehreren Männern, die die Grenzen des Alkohols austesten.
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