First Lady, Maler, Dramatiker – 10 queere Paare der Weltgeschichte
Eleanor Roosevelt, Magnus Hirschfeld und Tennessee Williams lebten in homosexuellen Beziehungen
Ob First Lady, Schriftsteller oder Maler: In der Geschichte gab es viele queere Paare, die jedoch nur wenig sichtbar sein konnten. Hier einige Beispiele, die den Mut dieser Menschen deutlich machen.
#1 Virginia Woolf und Vita Sackville-West
Die Schriftstellerin Virginia Woolf und die Literatin und Gartengestalterin Vita Sackville-West waren ein Paar. Alles begann in den 1920ern auf einer Dinner-Party. Dort kamen sie über Literatur ins Gespräch und freundeten sich an, woraus sich später eine Beziehung entwickelte. Beide waren zwar zu dem Zeitpunkt noch mit ihren Ehemännern verheiratet, doch die akzeptierten und respektierten die Beziehung ihrer Frauen.
Zehn Jahre lang blieben die beiden zusammen. Vita Sackville-West bot mit ihrer turbulenten Familiengeschichte auch die Inspiration für Woolfs Roman «Orlando: Eine Biografie». In dem Roman geht es um den jungen englischen Adeligen Orlando, der in einen mehrtägigen Schlaf fällt, aus dem er als Frau erwacht. Die Affäre zwischen Virginia Vita endete in den späten 1920ern, sie blieben eng befreundet.
#2 Anne Lister und Ann Walker
Anne Lister gilt oft als erste moderne lesbische Frau, die selbstbewusst und ohne Scham ihre Identität lebte. Die Landbesitzerin aus Halifax gab sich selbst weit maskuliner als andere Frauen zu ihrer Zeit in den Jahren um das Jahr 1800. Sie machte zudem auch in der Öffentlichkeit kein Geheimnis daraus, dass sie ihr Leben mit einer anderen Frau verbringen wollte. Dies wurde Ann Walker, ihre Nachbarin.1834 fand in der Holy Trinity Church im englischen York sogar eine Zeremonie für beide statt. Diese gilt als erste lesbische kirchliche Hochzeit der Geschichte. An der Kirche ist heute eine Gedenkplakette für dieses Event angebracht.
Lister und Walker reisten viel miteinander durch die Welt. Ihre Hochzeitsreise führte sie nach Frankreich und in die Schweiz. Anschliessend arbeiten beide zusammen auf dem Anwesen von Anne Lister, bis diese im Jahr 1840 starb. 100 Jahre später wurden überraschend Tagebücher von beiden gefunden, die ihre Liebesgeschichte offenbarten. Erst vor wenigen Jahren wurden beide in der Populärkultur gewürdigt: HBO machte aus der Beziehung die Serie «Gentleman Jack».
#3 Michelangelo und Tommaso de‘ Cavalieri
Der italienische Bildhauer, Maler und Architekt Michelangelo Buonarroti gilt als einer der grössten Künstler der Renaissance. Bekannt sind u.a. das «Jüngste Gericht» und die Deckenbemalung in der Sixtinischen Kapelle im Vatikan. Als 1532 seine Zeit in Rom begann, traf er dort den Adeligen Tommaso de‘ Cavalieri. Michelangelo war zu diesem Zeitpunkt 57, Cavalieri 17.
In Künstlerkreisen erlebte damals das antike Konzept von platonischer Liebe eine Wiedergeburt, und so lebte auch Michelangelo danach. Zunächst gab es zwischen beiden ein Lehrer-Schüler-Verhältnis. Dann schrieb Michelangelo an Tommaso überschwängliche Briefe. Auch wenn Cavalieri eine Frau heiratete und Kinder bekam, bleiben er und Michelangelo eng verbunden.
In Tommaso sah Michelangelo das Ideal männlicher Schönheit, er beschrieb ihn als das «Licht unseres Jahrhunderts». Cavalieri wurde zum Objekt von Michelangelos Leidenschaften, er wurde seine Muse. Beide blieben eng verbunden bis zum Tod von Michelangelo im Jahr 1564, als er im damals ungewöhnlich hohen Alter von 88 Jahren starb. Cavalieri war zu diesem Zeitpunkt an seiner Seite.
#4 Tennessee Williams und Frank Merlo
Der Dramatiker Tennessee Williams traf seinen späteren Assistenten und Partner Frank Merlo, einen italienischstämmigen Arbeiter aus New Jersey, 1948 in einer Bar. Ihre Beziehung hielt 15 Jahre lang. In seine Memoiren beschrieb Williams den Augenblick, als er Merlo das erste Mal sah. «Er stand da, rauchend, an eine Säule gelehnt, er trug eine Levi’s Jeans und ich sah ihn an und sah ihn immer weiter an. Mein andauernder und intensiver prüfender Blick musste sich in seinen Oberkörper gebrannt haben, denn nach einer Weile drehte er sich mir zu und lächelte in meine Richtung.»
Ich habe mich mittlerweile an dich gewöhnt.
Williams und Merlo lebten zusammen in Manhattan. Diese Jahre gelten als die produktivsten und glücklichsten Jahre des Schriftstellers. Doch mit der Zeit gerieten durch die Drogen- und Alkoholsucht von Williams immer wieder Spannungen in ihre Beziehung. Trotzdem blieb Williams an Merlos Seite, als bei ihm 1962 Lungenkrebs diagnostiziert wurde. Im darauffolgenden Jahr starb Merlo. Dessen letzte Worte an seinen Lover waren: «Ich habe mich mittlerweile an dich gewöhnt.» Williams nahm das als Liebeserklärung.
#5 Jean Cocteau und Jean Marais
Der französische Schriftsteller Jean Cocteau traf Jean Marais als Cocteau 48 war und Marais 24. Marais hatte bis dahin oft Gemälde von Cocteau gesehen, die ihn an sich selbst erinnerten. Nach ersten Dates entwickelte sich eine Beziehung. Beide blieben jahrelang ineinander verliebt. Auch künstlerisch arbeiteten sie beide zusammen und schufen unter anderem gemeinsame Filmprojekte. Marais spielte Rollen in Cocteaus bekannten Projekten ‹Es war einmal› und ‹Orpheus›. Letztlich wurde Marais so zu Cocteaus künstlerischer Muse.
Auch während der Besetzung von Paris durch die Nazis blieben beide in der Stadt. Sie lebten weiterhin offen ihre Identität aus, auch wenn sie sich damit in Gefahr begaben, von den deutschen Besatzern verfolgt zu werden. Wiederholt wurden sie in der von den Nazis kontrollierten Presse verunglimpft. Marais überlebte Cocteau um 35 Jahre. Der Schriftsteller starb im Jahr 1963 an einer Herzattacke. Marais sagte später, dass Jean Cocteau die Liebe seines Lebens gewesen sei.
#6 Eleanor Roosevelt und Lorena Hickok
Eleanor Roosevelt war von 1933-1945 neben ihrem Mann Franklin D. Roosevelt die First Lady der USA. Eleanor traf im Jahr 1932 die Reporterin Lorena Hickok bei einer Wahlkampfveranstaltung ihres Mannes. Hickok, die bekannteste Journalistin ihrer Zeit, hatte zuvor ihren Chef davon überzeugen können, dass die Ehefrau des Präsidenten Roosevelt eine eigene Reporterin bräuchte, die über sie berichtete.
Ihre Liebesaffäre dauerte mehrere Jahre. Hickok half Eleanor Roosevelt dabei, selbstbewusster aufzutreten. Beide arbeiteten zudem zusammen in Eleanors Kampagnen für Demokratie und Menschenrechte. Zudem machten beide zu zweit Reisen durch die USA. Sie fuhren ganz allein, ohne Sicherheitsbeamte des Weissen Hauses, übernachteten im Freien.
Wie die Beziehung zwischen beiden Frauen tatsächlich aussah, darüber wurde immer wieder spekuliert. In den 1970er Jahren wurden etwa 3000 Briefe der beiden entdeckt, geschrieben wie typische Liebesbriefe. Die beiden schrieben einander über 30 Jahre lang, manchmal sogar zweimal am Tag. Die enge Beziehung der beiden endete erst mit Eleanors Roosevelts Tod im Jahr 1962. Lorena Hickok überlebte sie um sechs Jahre.
#7 Lili Elbe und Gerda Gottlieb
Lili Elbe war eine dänische Malerin. Die trans Frau war eine der ersten Personen, die sich im Jahr 1930 einer geschlechtsangleichenden Operation unterziehen liess. Gerda Gottlieb war ebenfalls Malerin und Illustratorin. Beide trafen sich das erste Mal bei der Dänischen Königlichen Akademie der feinen Künste in Kopenhagen. Im Jahr 1904 heirateten beide als Einar und Gerda. Nach der Hochzeit reisten sie durch Italien und Frankreich und liessen sich 1912 in Paris nieder.
Zu dieser Zeit begann Lili Elbe damit, ihr Äusseres zu verändern. Sie trug Frauenkleidung und änderte ihren Namen. Weil jedoch das dänische Recht keine Hochzeit zwischen zwei Frauen erlaubte, wurde ihre bis dahin gültige Hochzeit im Oktober 1930 von König Christian X. annulliert. Lili Elbe starb ein Jahr später an den Folgen ihrer geschlechtsangleichenden Operationen. Der Film «The Danish Girl» erzählt ihre Geschichte. Eddie Redmayne spielt die Titelrolle, was er später bereute (MANNSCHAFT berichtete).
#8 Therese Giehse und Erika Mann
«Sie waren so gegensätzlich wie man überhaupt nur sein kann, und das scheint oft die Basis grosser Liebesbeziehungen und Freundschaften zu sein», schreibt ihre Biografin Gunna Wendt über Erika Mann und Therese Giehse. 1927 lernten die beiden sich in München kennen. Zehn Jahre später, Anfang 1937, zerbrach ihre Beziehung wieder, als sich beide in den USA aufhielten.
Erika Mann, das erste Kind von Thomas und Katia Mann, liebte Theater und Literatur, stand selbst auf der Bühne und schrieb Texte. Auch liebte sie schnelle Autos und war auch dazu in der Lage, ihren Wagen zu reparieren. Therese Giehse wurde 1898 als jüngstes von fünf Kindern in München geboren. Sie wollte schon als Kind Schauspielerin werden.
Erika und Therese gründeten mit anderen das Kabarett «Die Pfeffermühle». Sie wollten damit die Nazis bekämpfen. Doch es existierte nur wenige Monate. Im März 1933 flohen beide in die Schweiz. In Zürich versuchten sie es mit ihrem Kabarett erneut. Letztlich entschlossen sie sich dazu, nach Amerika zu gehen und dort einen Neubeginn zu versuchen.
Es wurde jedoch immer schwieriger für die beiden. Therese konnte sich mit der amerikanischen Kultur kaum anfreunden, besonders die Sprache blieb ihr fremd. Erika hingegen sah für sich viele Möglichkeiten in den USA. Erst 1952, als sie wieder nach Deutschland zurückkehrte, näherten sich beide wieder an und blieben gute Freundinnen. Über die beiden Frauen ist im Piper-Verlag der Titel «Erika und Therese» erschienen.
#9 Benjamin Britten und Peter Pears
Der britische Komponist Benjamin Britten schrieb viele seiner Werke für seinen Partner, den Tenor Peter Pears. Dazu gehörten die Seemannsgeschichte «Peter Grimes», die Matrosen-Saga «Billy Budd», sowie auch seine Thomas-Mann-Vertonung «Death in Venice». Seit 1939 waren der Komponist und der Sänger ein Paar und sie blieben es bis zu Brittens Tod im Jahr 1976.
Im Nachkriegs-Grossbritannien lebten sie ihre Beziehung öffentlich – zu einer Zeit, als Homosexualität strafrechtlich verfolgt wurde. Ihre Beziehung galt als offenes Geheimnis, über die niemand sprach. So blieb es beiden möglich, ihrer Arbeit nachzugehen. Britton bekam Kompositionsaufträge und verfasste Musikstücke mit homoerotischen Texten auf italienisch. Pears konnte als Sänger arbeiten. Selbst von der Königlichen Familie wurden beide mehrfach eingeladen.
Als Britten im Jahr 1976 starb, erhielt sein Partner Pears ein Beileidsbekundung von der Queen. Zuvor waren Britton und Pears auch für ihre besonderen Verdienste um die britische Kunst in den Adelsstand erhoben worden. Als Peter Pears 1986, und damit 10 Jahre nach seinem Partner, starb, wurde er neben ihm auf dem Friedhof von Aldeburgh beigesetzt.
#10 Magnus Hirschfeld, Karl Giese und Li Shiu Tong – Liebe zu dritt
Der Begründer der deutschen Sexualwissenschaft, Magnus Hirschfeld, lernte seinen ersten Lebenspartner Kurt Giese am Beginn der 1920er Jahre kennen. Beide gingen eine Liebesbeziehung ein und arbeiten zusammen in Hirschfelds Institut für Sexualwissenschaft. Giese übernahm die Leitung des Archivs. Hirschfeld beschrieb die Beziehung beider zueinander als ‹körperlich seelische Verbindung›. Anfang der 30er Jahre ging Hirschfeld auf eine Weltreise. Als er von dieser nicht zurückkam, fuhr ihm Giese hinterher. Er fand heraus, dass sich Hirschfeld in den 23-jährigen Studenten Li Shiu Tong verliebt hatte.
Alle drei gingen dann ins französische Exil und lebten dort eine «ménage à trois». Zwar wurde Giese ein Jahr vor Hirschfelds Tod aus Frankreich verbannt, konnte aber für dessen Beerdigung im Jahr 1935 kurz dorthin zurückkehren. Zwei Monate zuvor hatte Hirschfeld beide Geliebte zu seinen alleinigen Erben eingesetzt. Diese sollten ihr Erbe jedoch nicht für persönliche Zwecke nutzen, sondern es der Sexualwissenschaft zur Verfügung stellen.
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