Erste arabische LGBTIQ-Notfallhotline dank Sesampaste

Mutige Aktion einer Tahini-Firma in Israel führt zu Boykottaufrufen

Symbolbild: Ahmed Carter/Unsplash
Symbolbild: Ahmed Carter/Unsplash

Eine Sesampaste sorgt für Aufsehen. Das Tahini-Unternehmen «Al Arz» gründet eine Hotline für arabische LGBTIQ-Menschen. Konservative Israelis rufen zum Boykott auf, während Aktivist*innen der Community die Hotline-Gründung als historischen Schritt feiern.

Tahini ist eine Paste aus gemahlenen Sesamkörnern, die in Israel und der arabischen Welt zu fast allem verzehrt wird. Eine der grössten Herstellerfirmen der populären Sesampaste ist «Al Arz» mit Sitz in Nazareth. Mutter und Tochter führen mittlerweile das 1992 gegründete Familienunternehmen. Die beiden sorgen nun in Israel mit einer mutigen Aktion für Aufsehen: Sie riefen in der vergangenen Woche eine Hotline für arabische LGBTIQ-Menschen in Israel ins Leben. Aktivist Khader Abu-Seif bezeichnete diesen Schritt als «wunderbar, grossartig und revolutionär».

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Protest und Gegenprotest Für Khader Abu-Seif ist es ein Zeichen dafür, dass sich die arabische Gesellschaft bezüglich LGBTIQ-Rechte langsam verändere, wie er für die israelische Tageszeitung Haaretz schreibt. Dass dies jedoch ein langer Kampf wird, zeigen die heftigen Reaktionen, welche Geschäftsführerin Julia Zaher, eine christliche Araberin, mit ihrem Engagement ausgelöst hat. Das erste explizit arabische Notfall- und Informationstelefon für LGBTIQ führte zum Boykott ihrer Produkte.

Moscheeverbände, Imame und arabische Israelis riefen gemäss FAZ dazu auf, auf Produkte von «Al Arz» zu verzichten. Zahlreiche Ladenbesitzer*innen entfernten daraufhin die Tahini-Gläser der Firma aus ihren Regalen und stellten Videos davon ins Internet.

Die ablehnenden Reaktionen lösten wiederum Gegenproteste aus. So riefen viele dazu auf, das Unternehmen zu unterstützen und erst recht das entsprechende Produkt zu kaufen. «Wir sind nicht länger allein», schreibt Khader Abu-Seif. Nebst diesen, die in Posts Homosexuelle als «abartig und verschmutzt» bezeichnen, gebe es in der arabischen Gesellschaft viele, die LGBTIQ-Menschen verteidigten.

Parlamentarier*innen äussern sich Letztlich hat der mutige Schritt der Tahini-Produzentin auch die Funktion eines Eisbrechers. Die aufsehenerregenden Boykottaktionen haben israelische Parlamentarier*innen zu einer Reaktion genötigt. Sie mussten zu einem Tabuthema Stellung nehmen, das sie sonst lieber grosszügig umschiffen. Damit findet zumindest eine mediale Diskussion zum Thema statt.

Entsprechend zurückhaltend und vage waren die meisten Stellungnahmen der Knesset-Abgeordneten, wie die FAZ schreibt. Viele möchten es sich weder bei den konservativen Wähler*innen noch bei der LGBTIQ-Community verscherzen.

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Situation in Israel Bereits ab 2002 waren in Israel eingetragene Partnerschaften möglich. Das Oberste Gericht Israels urteilte ausserdem kürzlich, dass ein Ausschluss gleichgeschlechtlicher Paare von der Leihmutterschaft diskriminierend ist (MANNSCHAFT berichtete). Gerade im arabischen Teil der Bevölkerung – rund ein Fünftel der Einwohner Israels – erleben LGBTIQ-Menschen jedoch noch heute starke Ablehnung.

«Al Arz» und die LGBTIQ-Hotline kann man übrigens rund um die Welt unterstützen. Auch in Deutschland ist die Sesampaste der Firma aus Nazareth erhältlich.

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